Aichacher Nachrichten

Venedigs kleiner Sieg für die Umwelt

Kreuzfahrt­riesen dürfen ab August das historisch­e Zentrum der Lagunensta­dt nicht mehr passieren. Doch Aktivisten geht das Verbot der italienisc­hen Regierung nicht weit genug

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Rom/Venedig Nach dem Durchfahrt­verbot für große Kreuzfahrt­schiffe durch Teile der Lagune von Venedig haben Aktivisten weitere Maßnahmen der italienisc­hen Regierung gefordert. Das neue Dekret sei ein erster wichtiger Sieg, allerdings sei es nicht genug, teilte die Bürgerbewe­gung „No Grandi Navi“am Mittwoch auf der Internet-Plattform Facebook mit. Sie kündigte an, den Kampf gegen die großen Schiffe in der gesamten Lagune in Norditalie­n – auch außerhalb des historisch­en Zentrums von Venedig – fortzusetz­en.

Nach einem Beschluss der Regierung in Rom vom Dienstagab­end sollen große Kreuzfahrt­schiffe ab 1. August nicht mehr durch den Canale della Giudecca, das Bacino di San Marco (Markus-Becken) und den Canale di San Marco im historisch­en Zentrum fahren. Die Maßnahme betrifft demnach unter anderem Schiffe mit einer Länge von mehr als 180 Metern beziehungs­weise mehr als 35 Metern Höhe. Sie gilt auch für Schiffe, die gewisse Abgasnorme­n überschrei­ten. Die Veröffentl­ichung des gesamten Dekrets im

Amtsblatt Gazzetta Ufficiale zunächst aus.

Unesco-Experten hatten vor einigen Wochen vorgeschla­gen, Venedig auf eine Negativlis­te für gefährdete­s Weltkultur­erbe zu setzen – unter anderem wegen der Kreuzfahrt­riesen. Sie verlangten zum Beispiel, die Schiffe zu geeigneter­en Häfen umzuleiten. „Die Kreuzfahrt­schiffe sind eines der Probleme“, sagte Mechtild Rössler, Direktorin des Unesco-Welterbeze­ntrums in italienisc­hen Medien. Zudem gehe es noch um andere Fragen, stand

wie „die Auswirkung­en des Massentour­ismus, den Rückgang der Einwohnerz­ahlen oder das Fehlen eines klaren Plans zur Eindämmung der Effekte des Klimawande­ls“in Venedig.

Venedig und seine Lagune haben seit 1987 den Welterbest­atus der Unesco. Das nun verhängte Verbot sei lediglich eine kosmetisch­e Änderung, mit der Rom reagiere, kommentier­ten Facebook-Nutzer, darunter Einwohner Venedigs. Die Riesenschi­ffe zerstören nach Ansicht von Kritikern die Lagune, beschädige­n die Fundamente der Stadt und verschmutz­en die Luft.

Der Beschluss sieht vor, dass Schiffe, die als nachhaltig gelten oder nicht unter die Kriterien für das Verbot fielen, weiterhin die Lagune passieren dürfen. Sie hat mehrere kleine Landstreif­en und Inseln und ist weitgehend vom offenen Meer abgetrennt. Dort liegt auch die historisch­e Altstadt Venedigs mit ihren Touristena­ttraktione­n. Die Regierung in Rom sprach von einem wichtigen Schritt zum Schutz der Lagune. Kritiker bemängelte­n allerdings, große Schiffe könnten auf anderem Wege durchfahre­n und Schäden verursache­n.

Die Kreuzfahrt­schiffe sollen als Übergangsl­ösung auf den Hafen in Marghera ausweichen, der auf dem Festland liegt und nicht im historisch­en Zentrum Venedigs. In dem Industrieh­afen legen derzeit meist Frachter an. Infrastruk­turministe­r Enrico Giovannini will unter anderem für die Anlegestel­len dort 157

Millionen Euro ausgeben. Aktivisten von „No Grandi Navi“machten darauf aufmerksam, dass auch Marghera Teil der Lagune sei. Sie befürchten, aus der Übergangsl­ösung könne eine dauerhafte werden.

Die Umweltschu­tzorganisa­tion Legambient­e begrüßte den Plan der Regierung, die Schiffe zunächst in den Hafen von Marghera zu verlegen. „Wir sind immer überzeugt gewesen, dass das in der Übergangsp­hase die beste Wahl wäre.“Die Situation für die Umwelt in der Lagune werde sich dadurch allerdings nicht wesentlich ändern, erklärte die Organisati­on. Für die Bürger erwartet Legambient­e mehr Lebensqual­ität und für das historisch­e Zentrum weniger Verschmutz­ung.

Unterdesse­n sucht der Hafen von Venedig mit einem Ideenwettb­ewerb eine Lösung für einen dauerhafte­n Anlegeplat­z außerhalb der Lagune für die Zukunft. Eine Expertenko­mmission will dafür in den kommenden beiden Jahren Vorschläge entgegenne­hmen und sie auf ihre Machbarkei­t prüfen. Bis zum 30. Juni 2023 soll das Gewinnerpr­ojekt feststehen.

Der Welterbest­atus ist vorerst gerettet

 ?? Foto: Luca Bruno/AP, dpa ?? Venedig und seine Kreuzfahrt­schiffe – fast schon ein gewohntes Bild. Doch viele Einwohner der Stadt wollen sich damit nicht abfinden, zumal der Welterbest­atus in Gefahr ist. Jetzt haben sie zumindest einen Teilerfolg errungen.
Foto: Luca Bruno/AP, dpa Venedig und seine Kreuzfahrt­schiffe – fast schon ein gewohntes Bild. Doch viele Einwohner der Stadt wollen sich damit nicht abfinden, zumal der Welterbest­atus in Gefahr ist. Jetzt haben sie zumindest einen Teilerfolg errungen.

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