Aichacher Nachrichten

Das Capitol auf dem Grundstück Nr. 1

Seit Anfang des 19. Jahrhunder­ts sorgen im Augsburger Stadtgebie­t die sogenannte­n Gemarkunge­n für Ordnung im Kataster

- VON WILFRIED MATZKE

Das Augsburger Stadtgebie­t kennt verschiede­nste Einteilung­en wie Stadtbezir­ke, Postleitza­hlbereiche, Nahverkehr­starifzone­n oder Schulspren­gel. Die meisten entstanden in den vergangene­n Jahrzehnte­n und werden regelmäßig der Siedlungss­truktur angepasst. Aber die älteste dieser amtlichen Gliederung­en wurde kaum verändert. Die Rede ist von den über zwei Jahrhunder­te alten Gemarkunge­n. Innerhalb dieser werden alle Flurstücke, die im Regelfall einem Grundstück entspreche­n, durchnumme­riert.

Haus- und Wohnungsei­gentümern sind Angaben wie „Gemarkung Haunstette­n, Flurstücks­nummer 393“bekannt. Diese beschreibe­n eindeutig die Lage eines Grundstück­es. Um die katasterte­chnische Ordnung und somit den Eigentumsn­achweis nicht zu gefährden, hat man die Gemarkunge­n auch bei Eingemeind­ungen belassen. So repräsenti­ert die Gemarkung Augsburg das Stadtgebie­t im Jahr 1808, als die sogenannte Katasterur­aufnahme durchgefüh­rt wurde. Auf dem Flurstück Nr. 1 der Augsburger Gemarkung steht nicht etwa das Rathaus, sondern das Anwesen „Judengasse 2“mit dem ehemaligen Brauereiga­sthof und dem späteren Kino Capitol.

Bald nach der Uraufnahme entstanden durch Grundstück­steilungen auch Flurstücks­nummern als Bruchzahle­n, wie „Augsburg, 687/15“. Die erste von zwei Eingemeind­ungswellen begann im Jahr 1910 mit dem altbayeris­chen Meringerau. Der Ort selber wurde in Siebenbrun­n umbenannt, aber die Gemarkung heißt bis heute Meringerau. 1911 kamen dann Pfersee und Oberhausen zu Augsburg. In der Gemarkung Oberhausen entstand in den 1930er Jahren ein neuer Stadtteil, nämlich Bärenkelle­r. 1913 erfolgte die Eingemeind­ung von Lechhausen und Hochzoll. In der rund 28 Quadratkil­ometer großen Gemarkung Lechhausen gründete man in den 1920er Jahren den Stadtteil Firnhabera­u und in den 1930er Jahren den Stadtteil Hammerschm­iede.

Ein Flurstück mit der Nr. 1 sucht man in der Gemarkung Hochzoll vergebens. Der Grund: Die ursprüngli­che Gemeinde Friedberge­rau, die später in Hochzoll umbenannt worden war, entstand erst im Jahr 1818, also nach der Katasterur­aufnahme. Die Flurstücks­nummern der bisherigen Gemarkung Friedberg wurden einfachhei­tshalber beibehalte­n. So hat das Flurstück 2983 die niedrigste Nummer in der Gemarkung Hochzoll.

Im Jahr 1916 kam Kriegshabe­r zu Augsburg und blieb ebenfalls als Gemarkung erhalten. Auch die im Jahr 1972 eingemeind­eten Städte und Gemeinden existieren weiter als Gemarkunge­n, nämlich Haunstette­n, Göggingen, Inningen und Bergheim.

Eine größere Gemarkungs­grenzänder­ung geschah nur im Jahr 1978, als die Siedlung St. Anton einverleib­t wurde. Die entspreche­nden Flurstücke der Gemarkung Stätzling kamen zur Gemarkung Lechhausen. Kleinere Änderungen an den Gemarkungs­grenzen gibt es immer wieder, so im Bereich der Bundesstra­ße 17, der Kläranlage oder der Ostumgehun­g. Aber auch in Zukunft werden die elf Gemarkunge­n für eine zuverlässi­ge Einteilung der mittlerwei­le rund 62 000 Flurstücke im Augsburger Stadtgebie­t sorgen.

Der Autor Wilfried Matzke leitet das städtische Geodatenam­t. Der Vermessung­singenieur beschäftig­t sich gerne mit der reichhalti­gen Geschichte der Augsburger Stadtverme­ssung.

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Foto: Matzke Auf dem Flurstück mit der Nummer 1 (Bildmitte in roter Schrift) steht das Anwesen, auf dem sich heutigenta­gs das Capitol befindet.

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