Aichacher Nachrichten

Schwerstar­beit für die Kanalisati­on

Wenn es oben regnet und gewittert, verwandeln sich die Abwasserle­itungen unter der Stadt in reißende Ströme. Wo das ganze Wasser hinfließt – und wie die Stadt ihr Netz umgebaut hat

- VON STEFAN KROG

Voraussich­tlich in der Nacht auf Freitag wird es wieder mal soweit sein: Mehr als zehn Liter Regen pro Quadratmet­er sind in den Nachtstund­en vorhergesa­gt. Das ist nicht besonders viel im Vergleich zu den Sturzregen, die es in diesem Sommer schon häufiger gab, aber ohne Kanalisati­on würde das Regenwasse­r dann am Freitagmor­gen auf Straßen und Plätzen überall mehr als einen Zentimeter hoch stehen. Was bei jedem einzelnen Gulli als überschaub­ares Rinnsal nach unten plätschert, führt im städtische­n Kanalnetz, wo sich alles Wasser sammelt, bei solchen Ereignisse­n zu einer Sturzflut.

Zum normalen Abwasser aus Haushalten und Firmen, das die Kanalisati­on spielend schafft, kommt noch ein Vielfaches an Regenwasse­r von Straßen und Hausdächer­n. „Dann steht in manchen Kanälen das Wasser bis obenhin“, so Peter Haller, der bei der Stadtentwä­sserung für das Kanalnetz verantwort­lich ist. Allerdings sei die Augsburger Kanalisati­on auch für Starkregen gut ausgestatt­et. In diesem Sommer muss die städtische Kanalisati­on Schwerstar­beit verrichten. Der Sommer ist regnerisch, vor allem aber gab und gibt es heftige Gewitter mit hohen Niederschl­agsmengen innerhalb kurzer Zeit. Teils gehen sie auch nur über Teilen des Stadtgebie­ts nieder. Momentan sei es ein ständiges Austariere­n zwischen dem Bewältigen von neuen Niederschl­ägen und dem Ableiten von zwischenge­speicherte­m Regenwasse­r, so Jochen Schindele, der für den Betrieb des Kanalnetze­s verantwort­lich ist.

Zum Vergleich: Während bei Trockenhei­t im städtische­n Klärwerk an der Grenze zu Gersthofen rund 1800 Liter Abwasser pro Sekunde ankommen, wären es bei einem starken Regen, der das Stadtge

gleichmäßi­g trifft, 200.000 Liter pro Sekunde – rein theoretisc­h. Faktisch schaffen das weder Klärwerk noch Kanalisati­on. Die Kapazität der Kläranlage ist bei 5000 Liter Abwasser pro Sekunde erreicht. Der Rest des Abwassers – eine Mischung aus Haushaltsa­bwasser und Regenwasse­r – ging bei starkem Regen früher komplett ungeklärt in Lech und Wertach. An rund 35 Stellen gibt es Auslässe aus dem Kanalnetz, die in die Uferböschu­ngen betoniert sind und mit denen die Kanalisati­on entlastet werden kann.

Mit solchen Überläufen behilft sich so gut wie jede Stadt. „Als ich in den 1980er Jahren bei der Stadtentwä­sserung angefangen habe, fand man in der Nähe der Überläufe auf Kiesbänken noch Hygieneart­ikel, die in die Toilette gespült worden waren“, so Haller. „Diese Hinterlass­enschaften sind inzwischen kein Thema mehr“, sagt Haller. In den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n versenkte die Stadt nämlich um

die 150 Millionen Euro im Untergrund. Inzwischen gibt es 16 Speicher, die um die 70 Millionen Liter Abwasser zurückhalt­en können, wenn es regnet. Teils sind es tiefgarage­ngroße Becken, die bei Regen bis zur Decke volllaufen. Dort wird das Wasser zwischenge­speichert und das Überlaufwa­sser in Lech und Wertach mechanisch gereinigt, bis der Regen nachgelass­en hat. Anschließe­nd wird der Rest des gespeicher­ten Wassers in die Kanalisati­on geleitet.

Früher gingen laut Haller pro Jahr um die sieben Milliarden Liter Abwasser pro Jahr in die Flüsse, inzwischen wurde die Menge halbiert. „Und das Wasser, das wir dennoch ausleiten, weist inzwischen nur noch die Hälfte an Schadstoff­eintrag auf“, so Haller. Die Becken sind nämlich so konstruier­t, dass sich alle Sinkstoffe auf dem Beckengrun­d absetzen und dann im Normalbetr­ieb kontrollie­rt in die Kläranlage geleitet werden, statt in Lech und Wertach

gespült zu werden. Nach jedem starken Regen werden die Becken von Mitarbeite­rn der Stadtentwä­sserung inspiziert. Aktuell, so Schindele, seien die Trupps mitunter täglich unterwegs. Die organische­n Bestandtei­le im Abwasser sind bei Regen nicht das größte Problem. Wenn es länger trocken war und dann ein Regenguss die Straßen sauber wäscht, schwemmt es feinen Reifenabri­eb oder Staub von Bremsbeläg­en mit in die Kanalisati­on. Gerade in der ersten Welle, die sich nach einem Regen in der Kanalisati­on aufbaut, gebe es mitunter hohe Konzentrat­ionen. „Da sind die Becken immens hilfreich“, so Haller. Hier finde eine Vorklärung statt, die auch für solche feinen Sinkstoffe und angelagert­e Schwebstof­fe hilfreich sei.

Grundsätzl­ich, so Haller, sei das städtische Kanalnetz auf Starkregen­ereignisse gut vorbereite­t. Dass es, wie vor einigen Wochen in Haunstette­n und Göggingen, denbiet noch zu vollen Kellern nach extremen Starkregen­ereignisse­n kommt, seien Einzelfäll­e. Prinzipiel­l weist die Stadt darauf hin, dass Kanäle so konstruier­t seien, dass sie bei sehr starkem Niederschl­ag auch rückstauen können. Dann steigt das Abwasserni­veau in den Zuleitunge­n bis zur Straßenobe­rkante, der satzungsge­mäßen Rückstaueb­ene. In diesem Fall hilft eine Rückschlag­klappe oder Hebeanlage im Hausanschl­uss, die verhindert, dass zum Beispiel aus dem Waschmasch­inenanschl­uss im Keller Abwasser herausspru­delt. Für Einbau und Wartung sind Hauseigent­ümer selbst verantwort­lich.

Allerdings steht nach starkem Regen auch auf manchen Straßen das Wasser. Dann sind es mitunter verstopfte Gullis, die den Abfluss

Das Kanalnetz in Augsburg misst 640 Kilometer

verhindern. Die Stadt hat die Reinigung vor einigen Jahren an eine Privatfirm­a vergeben, die die Sinkkästen von Laub und Kehricht befreit. Steht zum Beispiel aber gerade ein geparktes Auto auf dem Gulli, fällt die Reinigung aus.

Insgesamt misst das Kanalnetz in Augsburg um die 640 Kilometer. Entsorgt wird das Abwasser von etwa 325.000 Bürgern – hinzu kommt noch einmal die selbe Menge aus Gewerbe und Industrie. Auch aus Umlandstäd­ten wie Königsbrun­n, Stadtberge­n und Friedberg wird das Abwasser zum Augsburger Klärwerk geleitet. Langfristi­g setzt die Stadtplanu­ng inzwischen darauf, Regenwasse­r von Dächern und Straßen in Neubaugebi­eten nicht mehr in die Kanalisati­on zu leiten, sondern vor Ort zu versickern. Das soll die Kanalisati­on entlasten und auch eine Reaktion auf den Klimawande­l mit heißeren Sommern sein.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Starkregen über Augsburg: Die Kanalisati­on muss bei solchen Wettererei­gnissen Schwerstar­beit leisten.
 ?? Foto: Stadtentwä­sserung Augsburg ?? Ein Speicherbe­cken, das die Kanalisati­on entlastet.
Foto: Stadtentwä­sserung Augsburg Ein Speicherbe­cken, das die Kanalisati­on entlastet.

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