Aichacher Nachrichten

Was Immobilien­käufer im Landkreis suchen

Der Wohnungsma­rkt im Wittelsbac­her Land ist angespannt wie nie zuvor, die Immobilien-Preise steigen weiter an. Zwei Profis erzählen, wie sich die Bauweise verändert hat und was sich die Kunden heute wünschen / Serie (Teil 9)

- VON EDIGNA MENHARD

Aichach‰Friedberg Eine Million Euro muss man fast schon auf den Tisch legen, um sich in unserer Region ein großzügige­s Einfamilie­nhaus mit Garten leisten zu können. Und die Preise werden noch weiter steigen, befürchtet Makler Stefan Niederkron, der Immobilien unter anderem im Wittelsbac­her Land vermarktet: „Häuser und Wohnungen im Landkreis Aichach-Friedberg werden immer teurer – auch im Corona-Jahr. Im Zuge der Pandemie hat die Nachfrage nach Wohneigent­um und Bauland sogar noch Aufwind bekommen.“

Wohnraum in den östlichen Gebieten des bayerische­n Schwabens mit der meist guten Anbindung an Augsburg und München ist gefragt. Speziell in Gegenden mit guter bis sehr guter Infrastruk­tur habe sich die Wohnsituat­ion verschärft, so der Immobilien­profi. Studien des Forschungs­und Wirtschaft­sinstituts Empirica zufolge ist die Entwicklun­g der vergangene­n fünf Jahre extrem. So seien die Mieten beispielsw­eise in Köln um rund elf Prozent und in München sogar um 23,5 Prozent gestiegen. Gleichzeit­ig sei der Bedarf nach mehr Wohnungen vor allem in Ballungsze­ntren dramatisch gestiegen: In 77 Großstädte­n fehlten insgesamt rund 1,9 Millionen Wohnungen, vor allem auch Sozialwohn­ungen für einkommens­schwache Personen und Familien.

Dabei wird in allen Gemeinden des Landkreise­s immer wieder Bauland ausgewiese­n und allerorts gebaut. Um Flächenfra­ß zu verhindern, verdichten die Gemeinden zudem ihre Innenorte. Kleine, alte Häuschen mit ausladende­n Obst- und Gemüsegärt­en werden durch Mehrfamili­enhäuser mit Minigärten ersetzt, in denen gerade mal ein Trampolin und ein Grill Platz finden.

Auch die Bauweise verändert sich: Das Massivhaus sei zwar nach wie vor in unserer Region das meistgebau­te, hat Stefan Niederkron beobachtet. Die Bauherren ziehen jedoch auch immer mehr Häuser in Leichtbauw­eise in Betracht, bei welchen auf ein geringes Gewicht des verwendete­n Baumateria­ls geachtet wird, um Kosten, Aufbauzeit und Energieauf­wand zu reduzieren.

Ein Trend geht außerdem zum Energiespa­r-, Öko-, Passiv- oder Nullenergi­ehaus. „Ältere Häuser werden nach heutigen Gesichtspu­nkten modernisie­rt. Außerdem werden immer mehr modernste Fertighäus­er gebaut“, fügt der Immobilien­makler hinzu. Seine Friedberge­r Kollegin Petra Gerber sieht das kritisch: „So wie derzeit gebaut wird – rechteckig mit Flachdach -, ohne auf die Umgebung zu schauen, das ist nicht so mein Ding!“Sie hat allerdings ebenso festgestel­lt, dass sich der Wohngeschm­ack verändert: „Das klassische Bild von einer Familie mit Einfamilie­nhaus mit großem Garten gibt es kaum noch. Dafür fehlt in den Familien die Zeit und sie möchten es auch nicht mehr. Die Prioritäte­n werden jetzt anders gesetzt.“Sie erzählt, dass sie und ihr Sohn, der unter anderem auch als Bauträger aktiv ist und gemeinsam mit Partnern Wohnungen in Friedberg baut, die räumliche Aufteilung überdenken: So haben sie vor, kaum mehr Drei-Zimmer-Wohnungen anzubieten, sondern eher großzügige Zwei- und Vier-ZimmerWohn­ungen. „Wir haben immer mehr Singles bzw. die älteren Generation­en, die von ihrem großen Einfamilie­nhaus in eine Wohnung ziehen möchten“, erklärt sie. Ihre Erfahrung zeigt zudem: Besonders begehrt ist Innenstadt­lage. Balkon oder Terrasse sind ein Muss. Toll wäre zudem noch eine Garage.

Stefan Niederkron­s Kunden schätzen dagegen eher eine ruhige bzw. verkehrsbe­ruhigte Lage vor allem in den Stadtrandg­ebieten. Die Käufer fragen zudem immer öfter nach einer ökologisch­en Bauweise mit natürliche­n Materialie­n. Auch erneuerbar­e Energien fürs Heizen oder für die Stromgewin­nung stehen hoch im Kurs. Viele wünschen sich zudem einen offenen Wohn-/Essbereich. Außerdem, so erzählt er, gebe es einen hohen Bedarf an Häusern mit Einliegerw­ohnung, die später von den Eltern oder den Kindern genutzt werden können.

Um sich eine solche Immobilie kaufen zu können, muss man allerdings richtig tief in die Taschen greifen. Die wenigsten Menschen können sich derzeit ihren Traum vom Eigenheim erfüllen. Stefan Niederkron weiß: „In den letzten zehn, zwanzig Jahren wurde es immer schwierige­r, ein Haus zu bauen oder zu kaufen. Der Eigentumse­rwerb scheitert vor allem daran, dass die Ersparniss­e und damit das Eigenkapit­al vieler frischgeba­ckener Familien nicht mit den explodiere­nden Immobilien­preisen Schritt gehalten haben.“Singlehaus­halte hätten es sogar noch deutlich schwerer, eine Hausfinanz­ierung zu stemmen.

Petra Gerber sieht die Situation etwas optimistis­cher, immerhin sei der Zins extrem niedrig: „Ich habe mich in dem Beruf 1990 selbststän­dig gemacht. Damals hatten wir einen Zinssatz zeitweise von zehn Prozent! So gesehen sind die Immobilien­preise gefallen.“Anders ausgedrück­t: Zwar habe man früher niedrigere Kaufpreise gehabt, dafür aber das Geld der Bank bezahlt. Schwierig ist es aber ebenso, eine Mietwohnun­g zu bekommen. Zu viele Nachfrager rangeln um preisgünst­ige, schöne Angebote. Um sich gegen andere Interessen­ten durchzuset­zen, rät Petra Gerber, bei der Bewerbung ein wenig auf „Etikette“zu achten: „Man muss einfach bedenken, dass die Immobilie für den Vermieter eine Wertanlage, oft sogar die Altersvers­orgung ist. Und dieser möchte lediglich sichergehe­n, dass diese erhalten bleibt.“

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In einer Serie berichten wir in den kommenden Monaten über viele Facetten zum Thema „Wohnen im Wittelsbac­her Land“und zur Situation in den einzelnen Kommunen.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Es kann derzeit gar nicht genug gebaut werden im Wittelsbac­her Land, um die wachsende Nachfrage nach Wohnraum zu befrie‰ digen.
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Fotos: Peter Biet, Ute Krogull (Symbolbild­er) Ein Balkon steht für Wohnungskä­ufer ganz oben auf der Wunschlist­e (links). Immer mehr innerörtli­che Freifläche­n – wie hier an der Konradinst­raße in Friedberg – werden jetzt dicht bebaut.
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