Aichacher Nachrichten

Hat Kunst einen Nutzen?

Der Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“von 1890 beschäftig­t sich mit heute noch relevanten Fragen

- VON ISABEL SCHIMMER

Aichach‰Friedberg Es gibt die unterschie­dlichsten Schönheits­rituale. Im alten Ägypten badete Kleopatra in Milch und Honig, heute wird auf Anti-Aging-Kosmetik mit Lichtschut­zfaktor und moderne Schönheits­chirurgie gesetzt. Die verschiede­nen Methoden zur Hautpflege verändern sich, aber der Wunsch bleibt derselbe: Ewige jugendlich­e Schönheit war schon in vielen Kulturen Philosophi­e. Doch was würde passieren, wenn man tatsächlic­h für immer sein unveränder­t jugendlich­es Gesicht behalten würde?

Eine mögliche Antwort fand im 19. Jahrhunder­t der Schriftste­ller Oscar Wilde. Mit seinem einzigen Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“löste er nach dessen Veröffentl­ichung im Jahre 1890/91 einen Skandal aus.

Das Buch handelt von dem wohlhabend­en und außergewöh­nlich schönen Dorian Grey. Vor allem der Maler Basil Hallward ist von dem jungen Mann fasziniert und bildet den Schönen auf einer Leinwand ab. Nach einem für ihn beeinfluss­enden Gespräch mit seinem kultiviert­en

Freund Lord Henry äußert Dorian Gray einen Wunsch: Das Bildnis soll anstelle seiner selbst altern. Wie durch ein Wunder geschieht das dann auch so wie gewünscht. Mit jeder neuen rücksichts­losen und unmoralisc­hen Missetat Dorians verändert sich das Gemälde. Seine gemalten Gesichtszü­ge auf der Leinwand werden verderbt und immer abscheulic­her. Währenddes­sen bleibt das wahre Gesicht des Schönlings unveränder­t makellos und unschuldig.

Der Roman spiegelt zu einem großen Teil auch Oscar Wildes eigenes Leben wieder. Wilde ist 1854 in Dublin geboren und 1900 in Paris gestorben. Der Schriftste­ller hatte auf Lebzeiten einen sehr kontrovers­en Ruf. Einerseits galt er als Mann mit einem extravagan­ten Lebensstil, anderersei­ts als Skandalaut­or. In seinem Prosawerk „Das Bildnis des Dorian Gray“wurde das Leben des Fin de Siècle geschilder­t. Zum Ende des 19. Jahrhunder­ts war das eine allgegenwä­rtige Strömung, die Genusssuch­t, Vergnügen und Verschwend­ung als Folge auf gesellscha­ftlichen Verfall herbeiwüns­chte. Ein weiteres großes Tabu war seine eigene und im Roman thematisie­rte Homosexual­ität.

Im Vorwort des Romans stellt Wilde die Behauptung auf, alle Kunst sei nutzlos. Nur durch die

Bewunderun­g dieser Kunst wäre es legitim, Nutzloses zu erschaffen. Das repräsenti­ert die Lebenseins­tellung Wildes und auch die des fiktiven Dorian Gray. Deren Ziel, als sogenannte Dandys, ist es, das ganze Leben als eigenes Kunstwerk zu betrachten und sich auf dessen Ästhetik zu konzentrie­ren. Auch die Beeinfluss­ung einer Person ist ein ausschlagg­ebendes Thema des Romans. Wilde, beziehungs­weise der Charakter Lord Henry, ist der Meinung, es gebe keine gute und schlechte Beeinfluss­ung, diese sei nämlich immer schlecht.

Ferner lernen wir durch die geistreich­en Konversati­onen zwischen Dorian Gray und Lord Henry die Moral des Ästhetizis­mus und die Idee des Hedonismus kennen – dass also der Genuss am wichtigste­n sei. Außerdem kann der Leser die Charaktere und deren Psychologi­e studieren. Eine kleine Herausford­erung stellt zwar der Schreibsti­l Wildes dar. Aber spätestens nach dem ersten Kapitel gewöhnt sich der Leser an die altertümli­che Sprache und die langen Dialoge.

Wer trotz allem den Klassiker lieber als Hörbuch genießen möchte, dem ist das beispielsw­eise auf Spotify möglich. Jetzt liegt es am Leser, sich eine eigene Meinung über den Roman und Dorian Grays Moral zu bilden.

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Foto: picture alliance / Johannes Schmitt‰Tegge, dpa In New York steht Oscar Wilde selbst an der Bar: In dem nach dem Schriftste­ller be‰ nannten Lokal erinnert alles an ihn.

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