Es gibt keinen Grund, aufzuhören
Roger Federer und Lukas Podolski. Der eine wird als Stilist in die Geschichtsbücher des Sports eingehen, als Mensch gewordene Eleganz, kann noch dazu mehrsprachig parlieren – der andere hingegen geht recht behänd mit einem Tennisschläger um. Was den leidlich talentierten Schweizer und den kickenden Philosophen eint: Sie gehen beide noch ihrer Passion nach, obwohl sie schon weit über jenen Punkt hinaus sind, den Sportjournalisten als Zenit kennzeichnen.
Podolski hatte sich in den vergangenen Jahren in der Türkei und Japan verdingt. Es ist ihm abzunehmen, wenn er behauptet, dass es ihm dabei grundsätzlich um eine Erweiterung seines Horizonts ging. Schneller und leichter wäre er in China oder Katar zu Geld gekommen. In der vergangenen Woche unterzeichnete er einen Vertrag bei dem polnischen Erstligisten Gornik Zabrze. Podolski erblickte in einem Nachbarort vor 36 Jahren das Flutlicht der Welt. Nun wolle er etwas zurückgeben und dafür böte sich doch der Tabellenzehnte der vergangenen Saison an. Eigenen Aussagen zufolge verdiene er für Landesverhältnisse gut. „Im Vergleich
zu meinen vorherigen Klubs ist das aber nicht annähernd vergleichbar.“Sorgen um seine finanzielle Altersabsicherung muss er sich nach Engagements unter anderem beim FC Bayern und Arsenal nicht machen.
Auch Federer dürfte es kaum darum gehen, seinem Schweizer Konto ein weiteres Milliönchen zuzuführen. Zu gerne hätte er in den kommenden Wochen in Tokio aufgeschlagen. Es wären seine fünften Olympischen Spiele gewesen. Seine Knie aber sind zur Achillesferse geworden. Kein Start möglich. Ohnehin neigt sich seine Karriere dem Ende entgegen. Mittlerweile verliert er gegen Spieler, die er vor wenigen Jahren sanft vom Court gefegt hätte. Federer aber zögert das Ende genauso heraus wie Podolski.
Beide widersetzen sich der irrigen Forderung, aufzuhören, wenn es am schönsten ist. Dass einer Leidenschaft nachzugehen nur wenig mit absolutem Könnertum zu tun hat, weiß ein jeder, der unter der Dusche singt. Zeugnisse talentfreien Eifers sind beispielsweise auch an vielen Häuserwänden zu sehen. Einem missratenen Graffiti aber sind zweifelsfrei die noch immer präzisen Schüsse Podolskis und des Rahmens leider unfähige RückhandSchläge Federers vorzuziehen.