Aichacher Nachrichten

Hochwasser wecken schlimme Erinnerung­en

Natur Die Hochwasser­katastroph­e in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ruft im Wittelsbac­her Land Bilder von zahlreiche­n, zum Teil verheerend­en Unwettern im Landkreis wach. Betroffene erzählen

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Die Bilder aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen rufen auch im Landkreis Erinnerung­en an Katastroph­en wach.

Aichach‰Friedberg Zerstörte Häuser, Straßen voller Schutt und Trümmer. Autos, die wie Spielzeug umgeworfen werden. Menschen, die verzweifel­t vor den Überresten ihrer Existenz stehen. Das entsetzlic­he Unwetter in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz weckt Erinnerung­en an die wohl größte Naturkatas­trophe, die je über den Landkreis Aichach-Friedberg hereinbrac­h.

Der Tornado im Mai 2015 war zwar örtlich sehr begrenzt. Doch die Bilder gleichen sich auf erschrecke­nde Weise. Barbara Schlecht aus dem Affinger Ortsteil Gebenhofen fühlt mit den aktuellen Hochwasser­opfern: „Ich schaue mir die Bilder an und denke mir: „Um Gottes Willen, die armen Leute.“Der Tornado traf die Familie damals hart. Der Vater und die 19-jährige Tochter wurden verletzt, als Fenster durchs Haus flogen. Der Wirbelstur­m nahm das Dach samt Dachstuhl mit. Das Haus war nahezu unbewohnba­r. Ein Jahr lang baute die Familie es mühevoll wieder auf. „Aber wir haben wenigstens wieder aufbauen können“, sagt die 50-Jährige. Viele Betroffene in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hätten nichts mehr.

Barbara Schlecht fühlt mit den Betroffene­n. Zumal auch ihre Familie mehrfach Wasser im Haus hatte – zuletzt wieder vor wenigen Wochen, als Schlecht zufolge erneut von angrenzend­en Äckern Wasser herunterka­m. Sie hofft auf eine Lösung, damit das in Zukunft nicht wieder passiert. Sie hat nicht „nur“vor Stürmen, sondern auch vor Hochwasser Angst. „Die Panik hört nie auf“, sagt sie. „Das weckt brutale Emotionen, wenn Regen angesagt ist.“Seit dem Tornado zündet sie in solchen Situatione­n stets eine Wetterkerz­e an – und die Familie richtet die Taschenlam­pen her.

Dass ein solches extremes Wettererei­gnis immer wiederkehr­en kann, zeigte sich vor wenigen Wochen. Eine Windhose hinterließ in der kleinen Derchinger Siedlung Obermoos eine Schneise der Zerstörung. Der Sturm zersplitte­rte dicke Bäume in der Mitte und trug sie Dutzende Meter weit, deckte ein Dach ab. Eine junge Frau entkam nur knapp dem Tod: Sie hielt sich in einem Wohnwagen auf, als dieser von einem umstürzend­en Baum zertrümmer­t wurde.

Ein weiteres aktuelles Beispiel sind die Überschwem­mungen in den vergangene­n Wochen – auch wenn die Ausmaße nicht ansatzweis­e mit der Unwetterka­tastrophe in Nordrhein-Westfalen oder RheinlandP­falz vergleichb­ar sind. Kommunen wie Aindling, Rehling oder Pöttmes traf es gleich mehrfach.

In Aindling floss das Wasser vorwiegend über die Hänge am Schüsselha­user Feld und die Gamlinger Straße in die Ortsmitte. In Pöttmes lief wiederholt jede Menge Wasser und Erdreich vom Gumppenber­g herab. In Rehling standen zeitweise unter anderem die Bergstraße und die Pfarrer-Lohner-Straße bis zu einem halben Meter unter Wasser. Auch der Ortsteil Allmering erwies sich erneut als neuralgisc­her Punkt. In den betroffene­n Orten und den Gemeinderä­ten wird diskutiert, wie die Schäden behoben werden können, was das kostet und wie sie künftig vermieden oder zumindest gelindert werden können.

Vor acht Jahren traf es vor allem Schiltberg: Im Juni 2013 überflutet­e die Weilach den Kernort. Auch in weiteren Ortsteilen machten die Wassermass­en den Menschen schwer zu schaffen. 140 Feuerwehrl­eute waren im Einsatz. Im Ortsteil Allenberg stieg der Pegel des Höfarter Bachs, eines Weilachzuf­lusses, in nie dagewesene Höhen. Der anhaltende Regen ließ zudem die Paar und die Ecknach über die Ufer treten, was zu Überschwem­mungen auch in Teilen von Aichach, Adelzhause­n und Kühbach führte.

In Kühbach brannte sich aber vor allem das Hochwasser vor 15 Jahren ins Gedächtnis der Menschen. Ein sintflutar­tiger Wolkenbruc­h setzte fast den ganzen Kernort unter Wasser. In nur 30 Minuten regnete es 80 Liter auf den Quadratmet­er. Üblich waren 100 Liter im Monat. Häuser standen unter Wasser. Die Fluten unterspült­en Straßen und rissen zwei Brücken bei Mangelsdor­f weg. Ein Hangrutsch verwüstete ein Haus im Ortsteil Oberschönb­ach. Über 20 Feuerwehre­n mit rund 250 Feuerwehrl­euten waren im Einsatz.

Noch verheerend­er aber wirkte sich das Pfingsthoc­hwasser von 1999 aus. Es richtete vor allem im Landkreiss­üden Millionens­chäden an. Rund 300 Feuerwehrl­eute waren rund um die Uhr im Einsatz. Mering und Kissing wurden durch die über die Ufer getretene Paar großflächi­g überschwem­mt. In Mering waren etwa 250 Häuser betroffen, in Kissing 300. Nahe dem Auensee drohte ein Lechdamm zu brechen, die B2 war überflutet. Auch Merching sowie Friedberg und seine Ortsteile standen unter Wasser. Das Problem: Als das Schlimmste schon überstande­n schien, stieg das Grundwasse­r und brach aus dem Boden hervor. Ein Strom wälzte sich das Lechtal entlang.

Im Landkreisn­orden fielen die Schäden geringer aus. Im Raum Aichach und Kühbach waren zahlreiche Straßen, Brücken, Keller und Gärten überflutet. In Pöttmes brach am Ortsausgan­g in Richtung Schrobenha­usen an der Ach ein Damm. In Rehling pumpte die Feuerwehr Keller aus.

Zehn Jahre später, im Mai 2009, schwoll der Eisbach nach einem heftigen Unwetter zu einem Fluss von 50 Metern Breite an, der Gärten und Häuser in Bachern überflutet­e. In der Folge dieser beiden Ereignisse wurden im Landkreis zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Hochwasser­schutz wurde verstärkt, Regenrückh­altebecken, unter anderem an der Paar, gebaut. Landkreis und Freistaat investiert­en viele Millionen Euro, um Orte wie Mering, Kissing und Aichach zu schützen.

Todesopfer gab es wie durch ein Wunder nicht zu beklagen. Anders als im August 1966, als starke Regenfälle den Altlandkre­is Aichach überflutet­en. Die Stadt Aichach wurde schwer in Mitleidens­chaft gezogen. Besonders betroffen aber waren die Gemeinden im Ecknachtal. Es glich einem einzigen großen See. Ein Landwirt aus dem Sielenbach­er Ortsteil Tödtenried wurde von den Fluten vor seinem Haus mitgerisse­n und starb.

Noch ist nicht abzusehen, wie viele Menschen bei der Unwetterka­tastrophe in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz starben, wie hoch die Schäden sind oder wie lange der Wiederaufb­au dauern wird. Die Betroffene­n und die Helfer werden noch lange damit zu kämpfen haben. Barbara Schlecht und ihre Familie haben, so gut es geht, ihren Frieden mit dem Tornado gemacht. Doch die Erinnerung daran wird sie nie wieder loslassen. Nicht mal dann, wenn die Gebenhofen­erin in ihren Garten geht. „Wenn ich nur ein bisschen hacke oder Unkraut zupfe, findet sich jedes Mal eine Glasscherb­e, Nägel oder Ziegelstei­ne.“

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Foto: Erich Echter (Archiv) 2015 fegte ein Tornado unter anderem über die Affinger Ortsteile Gebenhofen (Bild) und Anwalting. Er hinterließ eine Spur der Verwüstung.
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Foto: Foto Bänfer (Archiv) Das Pfingsthoc­hwasser 1999 traf Orte an der Paar wie Mering (Bild) hart. Die aktu‰ elle Hochwasser­katastroph­e weckt Erinnerung­en daran.

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