Wie gut ist Bayern auf Hochwasser vorbereitet?
Flut Immer häufiger richten Wetterextreme Verwüstungen an. Der Süden ist dieses Mal glimpflich davongekommen. Doch auch im Freistaat rüsten sich Katastrophenschützer für den Ernstfall – und trotzdem bleibt manches unkalkulierbar
Augsburg Die Naturkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat bislang mindestens 106 Menschen das Leben gekostet, mehr als tausend weitere werden noch vermisst. Die Lage in den Hochwassergebieten ist noch immer verheerend. Am Freitag stürzten in Erftstadt nahe Köln mehrere Häuser am Rande einer Kiesgrube ein, die von den Wassermassen unterspült worden waren. Ob und wie viele Tote es gab, ist unklar. Und viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich, ob wir uns in Deutschland an solche Wetterextreme gewöhnen müssen. Die Verzweiflung der Betroffenen, die dramatischen Bilder und die damit verbundenen Ängste rücken den Klimawandel in den Fokus des Bundestagswahlkampfes.
Zugleich stellt sich die Frage, wie gut Bayern auf eine solche Katastrophe vorbereitet ist. Und ob in den beiden betroffenen Bundesländern womöglich die Warnsysteme versagt haben. „Auf keinen Fall“, sagt Johann Eitzenberger, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes Bayern im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das ging so schnell, da haben Sie keine Zeit, entsprechend vorzuwarnen.“Ähnlich sieht das Herbert Feulner, Leiter des Sachgebietes Katastrophenschutz im bayerischen Innenministerium. „Es wäre vermessen, das zu beurteilen. Nach allem, was wir wissen, kam das Wasser dort extrem schnell, binnen weniger Minuten. Da hat man kaum eine Chance, vorzuwarnen“, erklärt er. „Normalerweise steigt das Wasser in einem Hochwasserfall langsamer.“Feulner sieht Bayern trotz solcher unkalkulierbarer Ereignisse für den Katastrophenfall gut gewappnet. 19 Wasserrettungszüge seien eigens zur Rettung von Menschenleben in den vergangenen Jahren aufgebaut worden, 23 Millionen Euro wurden zwischen 2015 und 2018 unter anderem in mobile Großpumpensysteme und Sirenen investiert. „Wir setzen in Bayern vor allem auf die klassische Sirene, weil man die in der Regel auch nachts selbst im Schlaf einfach hört. Leider haben viele Kommunen ihre Warnsirenen nach Ende des Kalten
Krieges abgebaut. In Bayern wollen wir wieder deutlich mehr Sirenen haben“, sagte Feulner. Aber es gebe natürlich weitere Warnkanäle – über Apps, Radio oder auch Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr. Überdies habe der Freistaat andere wichtige Hausaufgaben erledigt: „Die baulichen Maßnahmen zum Hochwasserschutz in vielen Regionen
Bayerns mit entsprechenden Deichen sind sehr wichtig und werden auch künftig vieles verhindern“, sagt Feuerwehrlandesvorsitzender Johann Eitzenberger.
Bundesinnenminister Horst Seehofer will auf Bundesebene den Katastrophenschutz neu aufstellen. Der CSU-Politiker ist überzeugt davon, dass der Starkregen, der die Fluten ausgelöst hat, mit dem Klimawandel zu tun hat. „In der Gesamtbetrachtung müsste doch jeder vernünftige Mensch kapieren, dass Wetterkapriolen in dieser Dichte und Heftigkeit kein normales Phänomen in unseren Gefilden sind, sondern Folgen der menschengemachten Erderwärmung“, sagte Seehofer dem Spiegel. In diesem Zusammenhang richten sich nun alle Blicke auf den Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet. Der Ministerpräsident von NordrheinWestfalen hatte dem Klimaschutz in seinem Wahlkampf bislang keine hohe Priorität eingeräumt und sieht auch nach der Katastrophe in seiner Heimat keinen Anlass für einen grundlegenden Kurswechsel. Zwar forderte er mehr Tempo im Kampf gegen den Klimawandel, sagte aber später in einem Fernsehinterview: „Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik.“
In der Nacht zum Freitag wurde nach starken Regenfällen auch in Wangen im Allgäu ein Wohngebiet überflutet. Am Wochenende rechnet der Deutsche Wetterdienst mit einer verschärften Lage unter anderem an der Donau, die Stadt NeuUlm warnte Anwohner zweier Viertel vor Hochwassergefahren. Nach
Ansicht der Grünen im Landtag in München ist es nur ein Zufall, dass Bayern aktuell weitgehend verschont geblieben ist. „Wir sind dieses Mal mit einem blauen Auge davongekommen“, sagte der Umweltexperte Martin Stümpfig am Freitag. Gemeinsam mit Fraktionschef Ludwig Hartmann legte er einen Forderungskatalog zur Reform des bayerischen Klimaschutzgesetzes vor und übte scharfe Kritik an der Staatsregierung. Er könne die „Ankündigungen von Ministerpräsident Markus Söder nicht mehr hören“, sagte Stümpfig. Die Grünen wollen die Sommerpause des Landtags um eine Woche verkürzen. Dann könnte das neue Gesetz schon jetzt in erster Lesung eingebracht und im Oktober verabschiedet werden.
Mehr zu den Vorschlägen der Grünen steht auf Bayern. Auf der Dritten Seite erzählen wir von den Schicksalen im Katastrophengebiet. Im Leitartikel und auf der Politik beschäftigen wir uns damit, wie die Flut den Wahlkampf verändern könnte. Und auf Panorama finden Sie das Interview mit dem Katastrophenschutz-Experten Feulner.
„Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik.“
Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU)