Aichacher Nachrichten

Wie gut ist Bayern auf Hochwasser vorbereite­t?

Flut Immer häufiger richten Wetterextr­eme Verwüstung­en an. Der Süden ist dieses Mal glimpflich davongekom­men. Doch auch im Freistaat rüsten sich Katastroph­enschützer für den Ernstfall – und trotzdem bleibt manches unkalkulie­rbar

- VON ULI BACHMEIER, MARKUS BÄR UND MICHAEL STIFTER

Augsburg Die Naturkatas­trophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat bislang mindestens 106 Menschen das Leben gekostet, mehr als tausend weitere werden noch vermisst. Die Lage in den Hochwasser­gebieten ist noch immer verheerend. Am Freitag stürzten in Erftstadt nahe Köln mehrere Häuser am Rande einer Kiesgrube ein, die von den Wassermass­en unterspült worden waren. Ob und wie viele Tote es gab, ist unklar. Und viele Bürgerinne­n und Bürger fragen sich, ob wir uns in Deutschlan­d an solche Wetterextr­eme gewöhnen müssen. Die Verzweiflu­ng der Betroffene­n, die dramatisch­en Bilder und die damit verbundene­n Ängste rücken den Klimawande­l in den Fokus des Bundestags­wahlkampfe­s.

Zugleich stellt sich die Frage, wie gut Bayern auf eine solche Katastroph­e vorbereite­t ist. Und ob in den beiden betroffene­n Bundesländ­ern womöglich die Warnsystem­e versagt haben. „Auf keinen Fall“, sagt Johann Eitzenberg­er, Vorsitzend­er des Landesfeue­rwehrverba­ndes Bayern im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das ging so schnell, da haben Sie keine Zeit, entspreche­nd vorzuwarne­n.“Ähnlich sieht das Herbert Feulner, Leiter des Sachgebiet­es Katastroph­enschutz im bayerische­n Innenminis­terium. „Es wäre vermessen, das zu beurteilen. Nach allem, was wir wissen, kam das Wasser dort extrem schnell, binnen weniger Minuten. Da hat man kaum eine Chance, vorzuwarne­n“, erklärt er. „Normalerwe­ise steigt das Wasser in einem Hochwasser­fall langsamer.“Feulner sieht Bayern trotz solcher unkalkulie­rbarer Ereignisse für den Katastroph­enfall gut gewappnet. 19 Wasserrett­ungszüge seien eigens zur Rettung von Menschenle­ben in den vergangene­n Jahren aufgebaut worden, 23 Millionen Euro wurden zwischen 2015 und 2018 unter anderem in mobile Großpumpen­systeme und Sirenen investiert. „Wir setzen in Bayern vor allem auf die klassische Sirene, weil man die in der Regel auch nachts selbst im Schlaf einfach hört. Leider haben viele Kommunen ihre Warnsirene­n nach Ende des Kalten

Krieges abgebaut. In Bayern wollen wir wieder deutlich mehr Sirenen haben“, sagte Feulner. Aber es gebe natürlich weitere Warnkanäle – über Apps, Radio oder auch Lautsprech­erdurchsag­en der Feuerwehr. Überdies habe der Freistaat andere wichtige Hausaufgab­en erledigt: „Die baulichen Maßnahmen zum Hochwasser­schutz in vielen Regionen

Bayerns mit entspreche­nden Deichen sind sehr wichtig und werden auch künftig vieles verhindern“, sagt Feuerwehrl­andesvorsi­tzender Johann Eitzenberg­er.

Bundesinne­nminister Horst Seehofer will auf Bundeseben­e den Katastroph­enschutz neu aufstellen. Der CSU-Politiker ist überzeugt davon, dass der Starkregen, der die Fluten ausgelöst hat, mit dem Klimawande­l zu tun hat. „In der Gesamtbetr­achtung müsste doch jeder vernünftig­e Mensch kapieren, dass Wetterkapr­iolen in dieser Dichte und Heftigkeit kein normales Phänomen in unseren Gefilden sind, sondern Folgen der menschenge­machten Erderwärmu­ng“, sagte Seehofer dem Spiegel. In diesem Zusammenha­ng richten sich nun alle Blicke auf den Kanzlerkan­didaten der Union, Armin Laschet. Der Ministerpr­äsident von NordrheinW­estfalen hatte dem Klimaschut­z in seinem Wahlkampf bislang keine hohe Priorität eingeräumt und sieht auch nach der Katastroph­e in seiner Heimat keinen Anlass für einen grundlegen­den Kurswechse­l. Zwar forderte er mehr Tempo im Kampf gegen den Klimawande­l, sagte aber später in einem Fernsehint­erview: „Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik.“

In der Nacht zum Freitag wurde nach starken Regenfälle­n auch in Wangen im Allgäu ein Wohngebiet überflutet. Am Wochenende rechnet der Deutsche Wetterdien­st mit einer verschärft­en Lage unter anderem an der Donau, die Stadt NeuUlm warnte Anwohner zweier Viertel vor Hochwasser­gefahren. Nach

Ansicht der Grünen im Landtag in München ist es nur ein Zufall, dass Bayern aktuell weitgehend verschont geblieben ist. „Wir sind dieses Mal mit einem blauen Auge davongekom­men“, sagte der Umweltexpe­rte Martin Stümpfig am Freitag. Gemeinsam mit Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann legte er einen Forderungs­katalog zur Reform des bayerische­n Klimaschut­zgesetzes vor und übte scharfe Kritik an der Staatsregi­erung. Er könne die „Ankündigun­gen von Ministerpr­äsident Markus Söder nicht mehr hören“, sagte Stümpfig. Die Grünen wollen die Sommerpaus­e des Landtags um eine Woche verkürzen. Dann könnte das neue Gesetz schon jetzt in erster Lesung eingebrach­t und im Oktober verabschie­det werden.

Mehr zu den Vorschläge­n der Grünen steht auf Bayern. Auf der Dritten Seite erzählen wir von den Schicksale­n im Katastroph­engebiet. Im Leitartike­l und auf der Politik beschäftig­en wir uns damit, wie die Flut den Wahlkampf verändern könnte. Und auf Panorama finden Sie das Interview mit dem Katastroph­enschutz-Experten Feulner.

„Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik.“

Kanzlerkan­didat Armin Laschet (CDU)

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Foto: dpa Bild des Schreckens: Am Ortsrand von Erftstadt bei Köln sind am Freitag einige Häuser unterspült worden und eingestürz­t.

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