Aichacher Nachrichten

Die Flut bringt die Grünen zurück in den Wahlkampf

Plötzlich steht die Debatte um den Klimaschut­z wieder im Fokus. Ob Laschet das noch einmal gefährlich werden kann, hängt von zwei Faktoren ab

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger‰allgemeine.de

Natürlich nützen die Bilder von überschwem­mten Dörfern, Sturzflute­n und wie Spielzeug weggespült­en Autos den Grünen. Zwar werden Appelle laut, Flut und Not jetzt nicht für den Wahlkampf zu instrument­alisieren. Doch das ist zwei Monate vor der Wahl schlicht unmöglich. Jeder Satz zu Flut und Klima, jeder Besuch bei den vor den Trümmern ihrer Existenz stehenden Menschen, ja sogar Kleinigkei­ten wie das Schuhwerk (Gummistief­el oder Absatzschu­he) werden genau abgeklopft.

Für die bisher desaströs gelaufene Wahlkampag­ne der Grünen bietet sich die Gelegenhei­t, in die Vorhand zu kommen. Die Möglichkei­t tut sich auf, weil die gewaltigen Wassermass­en schlagarti­g allen klarmachen, was uns in Deutschlan­d in den kommenden Jahren wegen der

Erwärmung der Erde immer häufiger droht. Und weil das Thema Klimaschut­z bei CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet eine Schwachste­lle ist. Eigentlich könnte die Katastroph­e Laschets Moment sein. Der Landesvate­r, der im olivgrünen Regenüberw­urf den Hilflosen Mut zuspricht, der Feuerwehrl­euten die Hände schüttelt und Milliarden für den Wiederaufb­au verspricht.

Doch Laschet wird zum Verhängnis, dass er sich nicht festlegen will, wie der Ausstoß von Treibhausg­asen rapide und verbindlic­h gesenkt werden kann. Das Klimakapit­el seines Wahlprogra­mmes bleibt bewusst vage. Das hat mit Widerständ­en in CDU und CSU gegen radikale Schritte zu tun und mit Laschets Rücksicht auf die Interessen der Industrie an Rhein und Ruhr. Im Angesicht der Wucht der Katastroph­e wirkt seine Unbestimmt­heit aber wie die wandelnde Führungssc­hwäche. Der 60-Jährige spürt das und reagiert deshalb auf Nachfragen zur Klimapolit­ik gereizt. Seine Herausford­erin Annalena Baerbock muss nichts weiter tun, als zuzuschaue­n, wie Laschets Makel unter ein Vergrößeru­ngsglas gelegt wird. Die Rollen kehren sich um. Bisher konnte er entspannt verfolgen, wie Baerbock über sich selbst stolperte. Zu spät gemeldete Nebeneinkü­nfte, ein frisierter Lebenslauf und ein verunglück­tes Buch, für das sie an vielen Stellen abgeschrie­ben hat. Wegen der Dramatik der Bilder aus dem

Katastroph­engebiet erscheinen diese Schnitzer wie Kleinkram. Für die 40-Jährige kommt es jetzt darauf an, das Klimathema am Laufen zu halten, nicht nur durch einschneid­ende Forderunge­n, sondern kluge Vorschläge. Zum Beispiel, wie die Kanalisati­on aufgerüste­t werden kann, um mehr Regenwasse­r zu fassen. Oder wie Flussläufe renaturier­t werden können, um die Fließgesch­windigkeit zu bremsen. Dann hat sie vielleicht eine Chance, ihr zuletzt entstanden­es Image von mehr Schein als Sein zu korrigiere­n. Doch auch Laschet hat noch die Gelegenhei­t, aus seiner Schwäche eine Stärke zu machen. Er muss dem Kampf gegen die Erhitzung des Planeten mehr Priorität einräumen und sein Wahlprogra­mm nachschärf­en. Genauso wichtig wird die Arbeit als Krisenmana­ger. Die Beseitigun­g der Schäden, schnelle Hilfe für die, die so viel verloren haben, und genügend Geld aus der Landeskass­e sollte er organisier­en. Ein Ministerpr­äsident, der sich bei dieser Aufgabe bewährt, ist kanzlertau­glich.

Neben Corona hat der Wahlkampf nun sein zweites Top-Thema. Für die SPD und ihren Kanzlerkan­didaten Olaf Scholz ist die Rückkehr des Klimaschut­zes auf die Agenda eine Bürde. Weder kann er als Krisenbekä­mpfer glänzen noch wird den Sozialdemo­kraten auf diesem Politikfel­d besondere Kompetenz zugeschrie­ben. Die Flut im Westen Deutschlan­ds konzentrie­rt den Wahlkampf auf das Duell Laschet gegen Baerbock. Sie ist jetzt am Zug.

Plötzlich wirken Baerbocks Fehler wie Kleinkram

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