Wo Schwabens Tourismus seine Zukunft sieht
Branche Noch halten die Folgen der Corona-Pandemie Hotels, Restaurants und Reiseunternehmen in Atem, vor allem auf den Herbst blickt man mit Sorge. Langfristig werden aber ganz andere Themen eine Rolle spielen, auch der Klimawandel
VOn mICHAEL KERLER
Augsburg Armin Gross leitet das Hotel Prinz-Luitpold-Bad in Bad Hindelang im Allgäu. Das Haus blickt auf über 150 Jahre Geschichte zurück, hat gemütliche Räume, 160 Betten, rund 55 Mitarbeiter. Es ist nicht nur die Berglandschaft, die Besucher anzieht, Gross hat den Familienbetrieb mit einem Wellnessbereich ausgestattet. Seit dem Ende des Corona-Lockdowns ist Leben ins Hotel zurückgekehrt. „Nach Ende der Einschränkungen hat es zehn Tage bis zur Vollbelegung gedauert, jetzt brummt es“, sagt er. Für Betriebe wie seinen ist es wichtig, nach dem Stillstand im Tourismus wieder ins Geschäft zu kommen. Trotzdem blickt die Branche mit Unruhe auf neue CoronaVarianten. Gleichzeitig überlegen die Betriebe, wie sie sich langfristig aufstellen wollen. Der Klimawandel und die Digitalisierung spielen eine große Rolle.
„Wir sehen alle die vierte Welle, ich habe deshalb die halbe Nacht wach gelegen“, sagt Hotelchef Gross im Gespräch mit unserer Redaktion. Er sei gespannt, wie die Politik reagiere. „Bisher sehen wir kaum Konzepte außer den Impfungen“, lautet sein Eindruck. Einen Lockdown will er nicht mehr erleben. „Es heißt, der Tourismus sei eine Leitökonomie in Bayern, in der Pandemie hat man nicht viel davon gemerkt“, kritisiert er. Über Bordellbetriebe sei anfangs mehr gesprochen worden als über Hotels. „Als das Robert-Koch-Institut im November mitteilte, dass von Hotels keine Gefahr ausgeht, kam keine Reaktion der Politik“, findet Gross.
In der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) macht man sich Gedanken, wie sich der Tourismus in Bayern und Schwaben nach der Corona-Krise aufstellen muss und welche Rahmenbedingungen und politischen Hilfen nötig sind. „Kaum eine Branche war von der Pandemie derart hart betroffen wie der Tourismus“, sagt Werner Ziegelmeier, Busunternehmer und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der vbw in Schwaben. Die Zahl der Übernachtungen in Schwaben habe in den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 um 60 Prozent niedriger gelegen als im Vorjahreszeitraum. „Das sind dramatische Zahlen“, sagt Ziegelmeier. Knapp die Hälfte der Betriebe in Schwaben sehe die Existenz gefährdet, 19 Prozent denken daran, aufzuhören.
„Wir müssen zuallererst den Neustart hinbekommen“, fordert deshalb Ziegelmeier. „Die laufende Tourismussaison 2021 muss erfolgreich werden!“Viele Betriebe hätten neue Konzepte entwickelt. Hier müsse die Politik zur Seite stehen. „Wir hoffen, dass wir nun kontinuierlich unseren Betrieb aufrechterhalten können, sei es mit Impfung oder Testungen“, sagt Hotelchef Gross. Wichtig ist ihm, dass künftig dieselben Regeln wie in Österreich gelten. „Teilweise hatten in Österreich die Hotels offen, während sie bei uns noch geschlossen waren, obwohl in Österreich die Inzidenzwerte höher waren“, kritisiert Gross. Er wolle keine Öffnung um jeden Preis,
„aber Chancengleichheit“, sagt er. Die Branche will an das Wachstum früherer Jahre anknüpfen. „Wir müssen die Chancen aus der Pandemie nutzen“, meint Ziegelmeier. „Viele Menschen haben wegen der eingeschränkten Reisemöglichkeiten wieder erlebt, wie schön Deutschland und Schwaben ist.“
Eine Perspektive ist dabei klimafreundlicher Tourismus: „Wir wollen einen expandierenden Tourismus im Einklang von Wirtschaft und Natur, von Touristen und Einwohnern“, sagt Ziegelmeier. Gäste sollen in den Bergen umweltfreundlicher unterwegs sein und ihren CO2-Fußabdruck senken. Die Konzepte seien da: Busshuttles für Bergfreunde aus den Städten, ein dichterer Takt für Busse und Bahnen. Bislang, schildert Hotelier Gross, seien Orte im Allgäu mit dem AllgäuSchwaben-Takt stündlich erreichbar. Die ersten Busse und Bahnen fahren aber zu spät für die Frühschicht, die letzten wiederum zu früh für die Spätschicht. So falle Klimaschutz schwer.
Noch ein Trend erreicht den schwäbischen Tourismus: die Digitalisierung. Zur Zukunft sollen Smartphone-Apps gehören, die auf freie Parkplätze lotsen oder mit denen man sich Räder leihen kann.
Nötig sei dafür ein flächendeckendes 5G-Netz. „Bei der Abdeckung im Mobilfunkbereich finden sich vor allem in ländlich geprägten Regionen des Allgäus und in WestMittelschwaben weiße Flecken“, warnt Ziegelmeier.
Für ihn lebt der Tourismus in unserer Region aber vor allem von einem: „von unserer schwäbischen Kultur und Lebensart, von vielfältiger Gastronomie und Hotellerie und einer Wohlfühlatmosphäre – vom Allgäu bis zum Ries.“Der Unternehmer sieht deshalb das Verschwinden vieler Landgaststätten mit Sorge. „In der Politik lobt man gerne die bayerische Lebensart, sieht dem Wirtshaussterben aber tatenlos zu“, kritisiert er.
Der Busunternehmer hofft zudem, dass bald das Vertrauen in die Verkehrsmittel zurückkehrt. Seine Reisebusse sind längst nicht alle voll. „Statt 50 fahren nur 20 Passagiere mit, es gibt große Ängste der Gäste seit Corona“, sagt er. Dabei leisteten die heimischen Betriebe große Anstrengungen, um Gäste sicher zu befördern und beherbergen. „Ich hoffe, dass die Fortschritte nicht durch Sorglosigkeit auf Feiermeilen in Mallorca oder unlängst auf der Augsburger Maximilianstraße zerstört werden“, fügt er an.