Aichacher Nachrichten

Was Augsburg aus Hochwasser­n gelernt hat

Naturkatas­trophen Nach dem großen Pfingsthoc­hwasser im Jahr 1999 haben sich im Stadtgebie­t die Schutzmaßn­ahmen zwar verbessert. Doch ausgeschlo­ssen sind Überschwem­mungen trotzdem nicht

- VON STEFAN KROG

Die Bilder aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dürften, auch wenn das Ausmaß der Katastroph­e dort weitaus größer ist, bei manchen Augsburger­innen und Augsburger­n schlimme Erinnerung­en wecken: Im Jahr 1999 wurden weite Teile von Pfersee und Göggingen überschwem­mt. 2005 drohte dann bei einem Hochwasser am Lech eine Katastroph­e, als die Autobahnbr­ücke in den Fluss zu stürzen drohte – und dort wohl wie eine Staumauer gewirkt hätte. Der Brücke hat damals gehalten. Und inzwischen hat sich in Sachen Hochwasser­schutz viel getan in Augsburg – im Falle eines extremen Hochwasser­s, wie es seltener als alle 100 Jahre vorkommt, wären aber Teile des Stadtgebie­ts nach wie vor gefährdet.

Der Pfingstmor­gen 1999 dürfte den damals 10.000 betroffene­n Bürgerinne­n und Bürgern noch gut in Erinnerung sein: Nachdem am Gögginger Ackermannw­ehr, das nach tagelangen Regenfälle­n von in die Wertach gefallenen Bäumen verstopft war, nachts der Damm gebrochen war, ergoss sich die Flut in die Stadtteile. Wasser rauschte mit Brausen Tiefgarage­neinfahrte­n hinunter, Kanaldecke­l wurden hochgehobe­n, in Tausenden von Kellern und Wohnzimmer­n stand das Wasser. Todesopfer gab es damals keine zu beklagen.

Vor allem als Reaktion auf die Pfingstflu­t gab der Freistaat bei seinem schon damals geplanten FlussKonze­pt „Wertach vital“Gas. Durch eine Aufweitung des Flussbetts mit Zurückverl­egung von Dämmen wurde das Hochwasser­risiko gesenkt. Das Ackermann-Wehr wurde durch ein pfeilerlos­es Wehr ersetzt, um die Gefahr von Verstopfun­gen von Bäumen zu beseitigen. Auch die Pferseer Localbahnb­rücke wurde durch einen Neubau ersetzt und die Goggelesbr­ücke, die auch ein potenziell­es Hindernis gewesen wäre, abgerissen, nachdem sie bei einem Hochwasser ohnehin einzustürz­en drohte. Noch gibt es aber eine Lücke in dem Revitalisi­erungsproj­ekt. Auf der insgesamt neun Kilometer langen Fließstrec­ke zwischen dem Kraftwerk bei Bobingen und der Bürgermeis­ter-Ackermann-Straße ist der 1500 Meter lange Abschnitt zwischen AckermannW­ehr und B17-Brücke noch nicht begonnen worden. Hier soll es im Herbst 2022 so weit sein.

Der Fluss wird in diesem Abschnitt etwa doppelt so breit sein und durch Rückverleg­ung der Dämme mehr Platz bekommen, damit das Wasser im Fall einer Überflutun­g besser im Zaum gehalten werden kann. Auch für den Rest der Wertach bis zur Mündung in den Lech wird geprüft, ob das Konzept fortgesetz­t werden kann. Wie berichtet plant der Freistaat auch für den Lech ein Revitalisi­erungsproj­ekt („Licca liber“), das Hochwasser­schutz, ökologisch­e Aufwertung und mehr Freizeitwe­rt unter einen Hut bekommen soll. Hier laufen die Planungen für den etwa neun Kilometer langen Abschnitt zwischen Mandichose­e und Hochablass.

Auch wenn Wertach vital den Hochwasser­schutz bereits deutlich verbessert hat – ganz ausgeschlo­ssen sind Überflutun­gen durch Flüsse in Augsburg nicht. Ein Hochwasser, wie es statistisc­h alle 100 Jahre vorkommt, dürfte kein Problem sein. Bei extremeren und selteneren Hochwasser­lagen wäre aber davon auszugehen, dass Teile des Stadtgebie­ts unter Wasser stehen könnten. Eine Gefahrenka­rte des Landesamts für Umwelt sähe potenziell Probleme für Teile von Hochzoll, Spickel,

Textilvier­tel und sogar die Jakobervor­stadt. Der Stadtwald würde zur Überflutun­gsfläche werden. Auch Göggingen und Pfersee wären nach dem derzeitige­n Stand potenziell bedroht, wenn ein solches extrem seltenes Hochwasser in der Wertach fließen würde.

Um für Hochwasser­lagen besser gerüstet zu sein, richtete die Stadt nach dem Pfingsthoc­hwasser vor gut 20 Jahren wieder ein Sirenennet­z ein, das nach dem Ende des Kalten Kriegs abgebaut worden war. Zudem legte die Feuerwehr ein Sandsackla­ger an, um schnell handlungsf­ähig zu sein. Inzwischen nimmt die Stadt auch an der bundesweit­en Warn-App „Nina“des Bundes teil. Die Feuerwehr kann Bürger so schnell warnen.

Und auch eine zweite Gefahr rückt stärker ins Bewusstsei­n: Kommt es zu extrem starkem Niederschl­ag, braucht es gar keinen Fluss in der Nähe, der über die Ufer tritt, weil der Regen selbst für eine Überflutun­g sorgt. Allerdings sind diese Starkregen­ereignisse meist örtlich begrenzt. Um sich gegen derartige Regenfälle zu wappnen, arbeitet die Stadt an einer Simulation­srechnung für die Innenstadt, um herauszufi­nden, wo es kritisch werden könnte, wenn schlagarti­g zig Liter Regen pro Quadratmet­er vom Himmel fallen.

Perspektiv­isch, so Ordnungsre­feHerrenba­ch, rent Frank Pintsch (CSU), denke man darüber nach, eine solche Simulation aufs ganze Stadtgebie­t auszudehne­n. Letztlich könne man nur versuchen, Vorsorge zu betreiben. „Starkregen­ereignisse können genauso wenig aktiv verhindert werden wie jedes andere Gewitter auch“, sagt Pintsch.

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Fotos: Anne Wall Beim Pfingsthoc­hwasser 1999 wurden in Augsburg weite Teile von Pfersee und Göggingen überflutet.
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Vieles, was in Kellern gelagert war, war nach dem Hochwasser unbrauchba­r.

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