Junge Augsburgerin engagiert sich für Integration
Kulturen Als Didem Karabulut zur Vorsitzenden des Integrationsbeirats gewählt wurde, war das eine Überraschung. Die angehende Lehrerin erzählt von ihrer Arbeit im Rat – und warum sie Pauschalurteile ärgern
Ihr Lebensgefährte ist ein waschechter Allgäuer. Bei der Frage, ob und welchen Glauben sie annehmen möchte, ließen ihr ihre „sehr liberalen Eltern“freie Hand. Nur bei der Frage der Einbürgerung übte der Vater sanften Druck aus. „Ich hätte das Papier nicht gebraucht. Ich bin hier geboren und fühle mich als Deutsche“, sagt Didem Karabulut. Jetzt hat es die Tochter zweier türkischstämmiger Eltern eben schwarz auf weiß, dass sie deutsche Staatsbürgerin ist. Gleichzeitig möchte die 31-jährige Augsburgerin ihre Wurzeln und die zweisprachige Erziehung nicht missen. Dadurch könne sie besser zwischen den Zeilen lesen und zwischenmenschliche Kontakte einordnen, ist sie überzeugt.
Karabulut formuliert ihre Sätze beim Gespräch in einem Café auf dem Rathausplatz pointiert und ist um keine Antwort verlegen. Das liegt nicht nur daran, dass sie es als angehende Englisch- und Geschichtslehrerin gewöhnt ist, vor einer mehr oder minder motivierten Gymnasialklasse zu sprechen. Als Vorsitzende des Augsburger Integrationsbeirats, Vorstandsmitglied im Bundeszuwanderungs- und Integrationsbeirat sowie als Delegierte im bayerischen Dachverband Agaby hat sie in den vergangenen Jahren gelernt, sich auf der Kommunikationsebene zu behaupten. Dass sie vor zwei Jahren an die Spitze des Augsburger Beirats gewählt wurde, war damals eine faustdicke Überraschung.
Seit 1974 gibt es das Gremium, das lange als Ausländerbeirat firmierte. Die Zeiten, in denen dort ausschließlich Männer – überwiegend türkischstämmig – saßen, kennt Didem Karabulut nur noch vom Hörensagen. „Der Beirat ist heute wesentlich vielfältiger, was Alter, Herkunft, Einstellung oder Beruf anbelangt“, sagt sie. Nahezu die Hälfte der 30 Mitglieder seien Frauen. Auch wenn in Augsburg knapp 50 Prozent der Bevölkerung Migrationshintergrund hat, hält die 31-Jährige den Integrationsbeirat keineswegs für überflüssig. In den entscheidungsfindenden Gremien wie dem Stadtrat spiegle sich diese Vielfalt noch immer nicht wider.
Dass sie und ihr Team „nur“beratende Funktion haben, stört sie nicht. Als Bindeglied zwischen dem Stadtrat und der Verwaltung auf der einen Seite und den migrantischen Vereinen und Organisationen auf der anderen Seite habe sich der Integrationsbeirat Gehör verschaffen können – sogar während der pandemiebedingten Einschränkungen. „Wir haben viele Projekte durchgebracht und beispielsweise die mehrfast sprachige Corona-Informationskampagne der Stadt angeregt. „
So selbstverständlich wie die Impfung für sie persönlich ist, so sehr ärgert sich Karabulut über Pauschalurteile. „Als die CoronaZahlen nach oben gingen, wurde das sofort den Menschen mit Migrationshintergrund in die Schuhe geschoben.“Dabei hingen die Infektionszahlen eher mit der sozialen Schicht als mit der Herkunft zusammen, ist sie überzeugt. Auch die Krawalle in der Maxstraße, die sie aufs Schärfste verurteile, seien kein Problem der männlichen Migranten. Angesichts der hohen Migrationsquote in der Stadt sei es aber auch nicht überraschend, dass zahlreiche Augsburger mit Wurzeln im Ausland unter den Randalierern gewesen seien.
Ob fröhliche Feste oder harte Debatten – Didem Karabulut macht die Gremienarbeit viel Freude. „Ich hätte nie gedacht, dass ein Ehrenamt so erfüllend ist“, sagt sie. Sie habe in den vergangenen Jahren dadurch viele inspirierende Menschen kennengelernt. „Ich fühle mich als Mitglied der Stadt und kann hier meinen Beitrag dazu leisten.“
Diese Worte hören sich fast wie eine Bewerbung an. Tatsächlich würde sie gerne – sofern es der künftige Einsatzort als Lehrerin zulässt – dem nächsten Integrationsbeirat angehören. Wie schon 2017 werden Vertreterinnen und Vertreter aus unterschiedlichen Bereichen der Stadt voraussichtlich Ende 2021 aus den Bewerbungen geeignete Männer und Frauen auswählen, wobei laut modifizierter Satzung die Geschlechter in gleicher Stärke vertreten sein müssen. Migrationshintergrund ist erwünscht, aber keine Voraussetzung, Augsburg als Wohnsitz hingegen schon.
Didem Karabulut wünscht sich eine gute Mischung aus bisherigen und neuen Mitgliedern. „Dadurch würde zum einen die Kontinuität gewahrt und der Beirat könnte die begonnene Arbeit fortsetzen. Zum anderen brächten neue Gesichter frische Ideen ein.“
Die Bewerbungsfrist für die nächste Amtszeit endet am Sonntag, 25. Juli. Nähere Informationen gibt es unter www.integrationsbeirat-augsburg.de.