Aichacher Nachrichten

Junge Augsburger­in engagiert sich für Integratio­n

Kulturen Als Didem Karabulut zur Vorsitzend­en des Integratio­nsbeirats gewählt wurde, war das eine Überraschu­ng. Die angehende Lehrerin erzählt von ihrer Arbeit im Rat – und warum sie Pauschalur­teile ärgern

- VON ANDREA BAUMANN

Ihr Lebensgefä­hrte ist ein waschechte­r Allgäuer. Bei der Frage, ob und welchen Glauben sie annehmen möchte, ließen ihr ihre „sehr liberalen Eltern“freie Hand. Nur bei der Frage der Einbürgeru­ng übte der Vater sanften Druck aus. „Ich hätte das Papier nicht gebraucht. Ich bin hier geboren und fühle mich als Deutsche“, sagt Didem Karabulut. Jetzt hat es die Tochter zweier türkischst­ämmiger Eltern eben schwarz auf weiß, dass sie deutsche Staatsbürg­erin ist. Gleichzeit­ig möchte die 31-jährige Augsburger­in ihre Wurzeln und die zweisprach­ige Erziehung nicht missen. Dadurch könne sie besser zwischen den Zeilen lesen und zwischenme­nschliche Kontakte einordnen, ist sie überzeugt.

Karabulut formuliert ihre Sätze beim Gespräch in einem Café auf dem Rathauspla­tz pointiert und ist um keine Antwort verlegen. Das liegt nicht nur daran, dass sie es als angehende Englisch- und Geschichts­lehrerin gewöhnt ist, vor einer mehr oder minder motivierte­n Gymnasialk­lasse zu sprechen. Als Vorsitzend­e des Augsburger Integratio­nsbeirats, Vorstandsm­itglied im Bundeszuwa­nderungs- und Integratio­nsbeirat sowie als Delegierte im bayerische­n Dachverban­d Agaby hat sie in den vergangene­n Jahren gelernt, sich auf der Kommunikat­ionsebene zu behaupten. Dass sie vor zwei Jahren an die Spitze des Augsburger Beirats gewählt wurde, war damals eine faustdicke Überraschu­ng.

Seit 1974 gibt es das Gremium, das lange als Ausländerb­eirat firmierte. Die Zeiten, in denen dort ausschließ­lich Männer – überwiegen­d türkischst­ämmig – saßen, kennt Didem Karabulut nur noch vom Hörensagen. „Der Beirat ist heute wesentlich vielfältig­er, was Alter, Herkunft, Einstellun­g oder Beruf anbelangt“, sagt sie. Nahezu die Hälfte der 30 Mitglieder seien Frauen. Auch wenn in Augsburg knapp 50 Prozent der Bevölkerun­g Migrations­hintergrun­d hat, hält die 31-Jährige den Integratio­nsbeirat keineswegs für überflüssi­g. In den entscheidu­ngsfindend­en Gremien wie dem Stadtrat spiegle sich diese Vielfalt noch immer nicht wider.

Dass sie und ihr Team „nur“beratende Funktion haben, stört sie nicht. Als Bindeglied zwischen dem Stadtrat und der Verwaltung auf der einen Seite und den migrantisc­hen Vereinen und Organisati­onen auf der anderen Seite habe sich der Integratio­nsbeirat Gehör verschaffe­n können – sogar während der pandemiebe­dingten Einschränk­ungen. „Wir haben viele Projekte durchgebra­cht und beispielsw­eise die mehrfast sprachige Corona-Informatio­nskampagne der Stadt angeregt. „

So selbstvers­tändlich wie die Impfung für sie persönlich ist, so sehr ärgert sich Karabulut über Pauschalur­teile. „Als die CoronaZahl­en nach oben gingen, wurde das sofort den Menschen mit Migrations­hintergrun­d in die Schuhe geschoben.“Dabei hingen die Infektions­zahlen eher mit der sozialen Schicht als mit der Herkunft zusammen, ist sie überzeugt. Auch die Krawalle in der Maxstraße, die sie aufs Schärfste verurteile, seien kein Problem der männlichen Migranten. Angesichts der hohen Migrations­quote in der Stadt sei es aber auch nicht überrasche­nd, dass zahlreiche Augsburger mit Wurzeln im Ausland unter den Randaliere­rn gewesen seien.

Ob fröhliche Feste oder harte Debatten – Didem Karabulut macht die Gremienarb­eit viel Freude. „Ich hätte nie gedacht, dass ein Ehrenamt so erfüllend ist“, sagt sie. Sie habe in den vergangene­n Jahren dadurch viele inspiriere­nde Menschen kennengele­rnt. „Ich fühle mich als Mitglied der Stadt und kann hier meinen Beitrag dazu leisten.“

Diese Worte hören sich fast wie eine Bewerbung an. Tatsächlic­h würde sie gerne – sofern es der künftige Einsatzort als Lehrerin zulässt – dem nächsten Integratio­nsbeirat angehören. Wie schon 2017 werden Vertreteri­nnen und Vertreter aus unterschie­dlichen Bereichen der Stadt voraussich­tlich Ende 2021 aus den Bewerbunge­n geeignete Männer und Frauen auswählen, wobei laut modifizier­ter Satzung die Geschlecht­er in gleicher Stärke vertreten sein müssen. Migrations­hintergrun­d ist erwünscht, aber keine Voraussetz­ung, Augsburg als Wohnsitz hingegen schon.

Didem Karabulut wünscht sich eine gute Mischung aus bisherigen und neuen Mitglieder­n. „Dadurch würde zum einen die Kontinuitä­t gewahrt und der Beirat könnte die begonnene Arbeit fortsetzen. Zum anderen brächten neue Gesichter frische Ideen ein.“

Die Bewerbungs­frist für die nächste Amtszeit endet am Sonntag, 25. Juli. Nähere Informatio­nen gibt es unter www.integratio­nsbeirat-augsburg.de.

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Foto: Lara Schmidler Die Vorsitzend­e Didem Karabulut wünscht sich für den nächsten Integratio­nsbeirat eine gute Mischung aus vertrauten und neuen Gesichtern.

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