Nach dem tödlichen Stich säuberten sie das Messer
Justiz Der Mordprozess gegen die 20-jährige Fabienne K. beleuchtet das Drogenmilieu, in das die Angeklagte bereits in jungen Jahren abrutschte. Was Freunde in der Verhandlung berichten
Sie habe nach der Tat geschrien: Lass uns alle wegrennen. „Und dann sind wir drei weggerannt“, erzählt Marcel N. (Name geändert) im Mordprozess vor dem Augsburger Landgericht. Er ist mit der Angeklagten Fabienne K. befreundet. Die 20-Jährige hat gestanden, dass sie an einer Bushaltestelle in Pfersee dem 28-jährigen Stefan D. einen tödlichen Messerstich verpasst habe. Marcel N. war an jenem Freitag im November mit Fabienne K. und deren Freund in Pfersee. Und er war dabei, als sie an der Bushaltestelle Ecke Uhlandstraße mit dem späteren Opfer in Streit gerieten. Er ist ein wichtiger Zeuge der Tat.
Marcel N. erzählt, nach dem Stich an der Haltestelle seien sie in die nahe gelegene Wohnung von Fabiennes Freund gerannt. Von dort aus hatten sie den Tatort im Blick. Als Marcel K. vom Fenster aus sah, dass ein Bus anhielt, und dann Krankenwagen und Polizei kamen, habe er gewusst, dass Stefan D., der den Spitznamen Dorschi hatte, tot war. In der Wohnung hätten sie das Klappmesser von dem Blut gereinigt. „Was sind das nur für Menschen“, raunt eine Zuhörerin im Gerichtssaal. Die Freundin des Getöteten, die die Verhandlung verfolgt, kann ihre Tränen nicht zurückhalten.
Am zweiten Prozesstag sind etliche Zeuginnen und Zeugen geladen. Es sind die beiden Freunde, die mit Opfer Stefan D. am Tatabend in Pfersee unterwegs waren, die beiden Begleiter der Angeklagten am Tattag – sowie Freunde von Fabienne K. Dabei zeichnet sich nach und nach ein Milieu ab, in dem sich die jungen Leute, überwiegend arbeitslos, aufhalten. Es wird von Drogenkonsum erzählt, Cannabis und Kräutermischungen, von viel Alkohol, auch von Tabletten, hin und wieder wird der Oberhauser Bahnhof als Aufenthaltsort erwähnt. Ein Milieu, in das Fabienne K. offenbar im Alter von 17 Jahren abrutschte. Aber auch aufseiten des Opfers war an jenem Tag viel getrunken worden, wie die Freunde des Getöteten berichten. Stefan D. war selbst kein unbeschriebenes Blatt. Der 28-Jährige hatte in der Vergangenheit Ärger mit der Justiz, stand kurz vor einer Alkoholtherapie.
Es gibt einige Situationen, in denen vor allem dem Vorsitzenden Richter Lenart Hoesch, aber auch Staatsanwalt Thomas Junggeburth der Kragen platzt. Immer wieder bekommt das Gericht von Zeugen zu hören, sie könnten sich nicht mehr erinnern, da sie so viel Alkohol getrunken hätten. Als der 22-jährige Marcel N. auch noch Geschichten zugunsten der Angeklagten auftischt, die seinen früheren Aussagen gegenüber der Polizei widersprechen, reicht es Hoesch und Junggeburth.
„Überlegen Sie gut, was Sie hier sagen“, sagt der Staatsanwalt mit drohendem Unterton. „Sie wären nicht der erste Zeuge, der im Gerichtssaal festgenommen wird“, donnert Richter Hoesch. Unter diesem Eindruck erzählt Marcel N. dann doch, wie es zu dem Streit mit der Gruppe um Stefan D. kam, wie er gesehen hat, dass Fabienne K. zuvor ein Messer eingesteckt hatte. Wie er beobachtet hat, dass sie plötzlich zustach. Dass sie danach Angst hatte, ins Gefängnis zu kommen. Dass sie nach der Tat gesagt habe, Stefan D. sei ihr blöd gekommen.
Nicht sehr ergiebig ist die Aussage des Freundes der Angeklagten. Er wirkt unkonzentriert, fahrig, antwortet auf Fragen stockend, kann manche Sätze schwer formulieren. An jenem Nachmittag habe er mit Fabienne und Marcel unter anderem eine Flasche Wodka getrunken und ein bis zwei Joints geraucht, erzählt er. Und dass er mit Fabienne und dem Kumpel an der Wertach zum Trinken saß. Hin und wieder sei man zu ihm in die nahe gelegene Wohnung gegangen, um die Toilette zu benutzen und um „was“zu rauchen. Dabei kamen sie an Stefan D. und seinen Freunden an der Bushaltestelle vorbei – wo es zum Streit gekommen sein soll.
Über seine Beziehung zu Fabienne K. weiß der schlanke Mann nicht viel zu berichten. „Wir hingen halt immer zusammen ab.“Zum Auftakt des Prozesses hatte Fabienne K. berichtet, dass sie nach zwei Vergewaltigungen Angst vor Männern hatte und deswegen immer ein Messer für den Notfall bei sich trug. Als ihr Freund und Stefan D. an der Haltestelle aneinandergeraten seien, habe sie die Situation als bedrohlich empfunden, sei in Panik geraten und habe zugestochen.
Dass sie Angst vor Männern hatte, kann vor Gericht aber weder ihr Freund, noch ein Ex-Freund, der auch als Zeuge geladen ist, bestätigen. Zwar hatten beide mitbekommen, dass Fabienne K. in der Vergangenheit vergewaltigt worden war, aber in der Beziehung mit ihr hätten beide keine Auffälligkeiten bemerkt. „Sie war nicht ängstlich mit anderen Männern. Sie hat vor mir, als wir noch zusammen waren, auch mal mit einem anderen rumgemacht,“sagt der Ex-Partner.
In dem Mordprozess sind fünf weitere Verhandlungstage angesetzt.