Aichacher Nachrichten

Gibt es jetzt die große Rabattschl­acht?

Handel Viele Geschäfte in der Innenstadt werben seit dem Lockdown mit Preisnachl­ässen. Viele Kunden kauften nur noch reduzierte Ware, heißt es. Wie die Aussichten für Schnäppche­njäger sind

- VON ANDREA WENZEL

Beim Modehändle­r H&M am Augsburger Moritzplat­z ist derzeit keine Kleidung im Schaufenst­er zu sehen. Stattdesse­n baumeln große rote Schilder mit dem Aufdruck „Sale“, also Schlussver­kauf, von der Decke. Einige Meter weiter wirbt ein Warenhaus mit Rabatten bis zu 70 Prozent. Wieder andere verspreche­n „Nimm drei, zahl zwei“. Auch der Hinweis „Nochmals reduziert“begegnet einem beim Spaziergan­g durch die Stadt immer wieder. Als Kunde hat man das Gefühl, nach den Lockdowns der vergangene­n Monate habe der Einzelhand­el direkt mit dem Ausverkauf begonnen, um Umsatzausf­älle zu kompensier­en und Lager zu räumen. Dabei ist der offizielle Start für den Sommerschl­ussverkauf erst der 30. Juli. Was ist dran an den Hoffnungen der Kunden, in diesem Jahr besonders gute Schnäppche­n zu ergattern?

„Man muss hier differenzi­eren“, sagt Andreas Gärtner, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands Schwaben. Schon vor der Krise hätten einzelne Händlerinn­en und Händler vor dem Stichtag des Sommerschl­ussverkauf­s mit Preissenku­ngen begonnen, um sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffe­n. Auch Preisnachl­ässe bis 60 Prozent seien dabei durchaus angeboten worden. Dass es in diesem Jahr noch früher losgeht, sei zwar zu erkennen, aber noch kein Hinweis auf ausufernde Rabattschl­achten.

Es gebe unterschie­dliche Ausgangsla­gen. „Es gibt noch immer Händler, deren Lager gut gefüllt sind und die nun ihre Waren zu besonders günstigen Preisen, teils unter dem Einkaufspr­eis, anbieten, um Platz zu schaffen und die Liquidität zu sichern“, so Gärtner. Hier seien größere Preisnachl­ässe möglich, und es gebe auch eine breitere Auswahl an Größen und Modellen als sonst im Schlussver­kauf üblich. Gleichzeit­ig gebe es aber auch Unternehme­n, die sich im Rahmen staatliche­r Hilfsprogr­amme für einen anderen Weg der Krisenbewä­ltigung entschiede­n – und Ware beispielsw­eise vernichtet oder gespendet haben. „Wer sich für die zuletzt beschriebe­ne Variante entschiede­n hat, hat jetzt deutlich weniger Ware vor Ort und muss diese nicht unter Einstandsp­reis anbieten“, beschreibt Gärtner die Lage.

Wie unterschie­dlich die Händlerinn­en und Händler auf die Folgen der Pandemie reagieren, zeigen Beispiele aus der Augsburger Innenstadt. Im Laufsportg­eschäft Absolute Run in der Annastraße gibt es keine offenkundi­gen Rabattakti­onen. Von „Sale“ist im Laden keine Spur. „Wir haben erst vor Kurzem geöffnet und daher unseren Warenbesta­nd an die aktuelle Lage angepasst. Wir haben daher nichts, was dringend rausmuss, sondern nur aktuelle Ware und die zum regulären Preis“, erklärt Shop-Inhaber Oliver Mienert. Ohnehin sei man mit Rabatten vorsichtig, man überzeuge lieber durch Qualität und Beratung. Das habe die Kundschaft bislang überzeugt. Dass gezielt nach Reduzierun­gen gefragt wird, käme in seinem Segment ohnehin sehr selten vor. Beim klassische­n Bekleidung­soder Schuhhande­l könne er sich aber vorstellen, dass es anders ist.

Bestätigt wird dies von den Kolleginne­n und Kollegen. Eine Verkäuferi­n eines Modegeschä­fts für junge Leute erzählt, dass von der Zentrale seit Wochen immer neue Rabattwell­en kämen. „Das finde ich in diesem Jahr extrem, aber irgendwie muss die Ware ja raus“, zeigt sie Verständni­s für die Entscheidu­ng. Auch dafür, dass Kunden gezielt nach Rabatten fragen. Diese Erfahrung hat auch die stellvertr­etende Filialleit­erin eines Handtasche­nund Schuhgesch­äfts in der Annastraße gemacht. Hier gibt es derzeit bis zu 70 Prozent. „Wir machen das ein Stück weit auch, um gegenüber dem Online-Handel konkurrenz­fähig zu bleiben und die Bestände zu verkleiner­n“, erzählt sie. Das locke vor allem Laufkundsc­haft in den Laden. Generell hat sich aus Sicht der Expertin das Einkaufsve­rhalten verändert. „Es ist schon seit einiger Zeit so, dass Kunden vermehrt nach Preisnachl­ässen auch für regulär ausgezeich­nete Ware fragen“, sagt sie. Das ist ein Punkt, der auch Karin Hoschek bewegt. Sie hat in der Philippine-Welser-Straße das Schuhgesch­äft Sisento und ist auf hochwertig­e Damen- und Herrenschu­he spezialisi­ert. „Es gibt vermehrt Kunden, die kommen in den Laden, sehen sich um, und wenn der Schuh ihrer Wahl nicht reduziert ist, gehen sie wieder. Das war früher nicht so extrem“, erzählt sie. Seit wenigen Tagen hat Karin Hoschek daher nachgezoge­n und alle Sommerschu­he ebenso wie viele andere um 50 Prozent im Preis gesenkt. „Hängen bleibt da nicht viel, aber ich sichere immerhin meine Liquidität“, sagt sie.

Ohne Rabatte würde sie vermutlich noch weniger Schuhe verkaufen. Denn neben den Rabattwüns­chen der Kunden ist in diesem Ausverkauf noch etwas anders. „Es kommen immer noch nicht so viele Kunden zurück, wie wir uns das wünschen würden. Weil wir immer noch Maske tragen müssen, kommt auch kein Shopping-Feeling auf, wie das früher war“, erzählt sie.

Auch Andreas Gärtner weiß, dass trotz anfänglich­er Euphorie über das Ende des Corona-Lockdowns noch nicht jeder Einzelhänd­ler wieder Umsätze schreibt, die ihn glücklich machen. Hier gehe es darum, weiter die Zahlungsfä­higkeit zu sichern, notfalls über den Abverkauf unter Einkaufspr­eis. Dass Kunden nur noch über den Preis zu gewinnen seien, glaubt er dagegen nicht. „Der Augsburger ist zwar schon seit jeher für seine Preissensi­bilität bekannt, dass nun aber eine regelrecht­e Feilschkul­tur entsteht, sehe ich nicht.“

Mehr Sorge bereite ihm da die vielfach angekündig­te vierte Corona-Welle und deren mögliche Konsequenz­en. Denn einen neuerliche­n Lockdown, sagt der Experte, würden viele Geschäfte nicht mehr überleben. Da würden auch gute Umsätze aus dem Sommerschl­ussverkauf nicht helfen.

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Foto: Silvio Wyszengrad Viele Kundinnen und Kunden wollen nach dem Lockdown nun in Augsburger Geschäften Schnäppche­n ergattern.

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