Aichacher Nachrichten

Wie sehr darf ich übertreibe­n?

Bewerbung Wer einen neuen Job anstrebt, sollte sich nicht unter Wert verkaufen. Das Gegenteil aber, übertriebe­nes Beschönige­n, kann einem schnell auf die Füße fallen. Ein Experte sagt, wo die Grenze verläuft

- Interview: Amelie Breitenhub­er, dpa

Bochum Ob Sprachkenn­tnisse, Auslandser­fahrung oder Projektman­agement-Skills: Bei der Bewerbung gilt es, sich möglichst gut zu verkaufen. Da lässt man die eigenen Erfahrunge­n und Fähigkeite­n gerne mal besser klingen, als sie eigentlich sind. Was ist noch im Rahmen und wo fängt Schummelei an? Ben Dehn vom Bewerbungs­service „Die Bewerbungs­schreiber“in Bochum hat Antworten.

Ist es so schlimm, im Lebenslauf zu übertreibe­n und zu beschönige­n? Macht das nicht jeder?

Ben Dehn: Es stimmt schon, dass Bewerber und Bewerberin­nen hin und wieder einen Hang zur Übertreibu­ng ausleben und insbesonde­re die „unrunden“Phasen des Werdegangs beschönige­n. Der Klassiker ist das Weglassen von Monatsanga­ben, um über längere berufliche Auszeiten hinwegzutä­uschen. Aber der Trick ist so alt wie die Bewerbung selbst und wird schnell durchschau­t. Grundsätzl­ich sollten Bewerber und Bewerberin­nen Beschönigu­ngen und Übertreibu­ngen dringend vermeiden, vor allem bei der Beschreibu­ng ihrer fachlichen Fähigkeite­n. Vorstellun­gsgespräch fällt einem das Blendwerk vor die Füße. Wer da nicht souverän bleibt, hat spätestens dann verloren. Zwar würden wir nicht pauschal dazu raten, aber Bewerberin­nen und Bewerber können bei noch anzueignen­den Fähigkeite­n, die wenig spezialisi­ert sind und autodidakt­isch erlernt werden können, etwa grundlegen­de Sprachoder EDV-Kenntnisse, den eigenen Kenntnisst­and etwas beschönige­n. Vor allem wenn noch genügend Zeit bleibt, Neues dazuzulern­en oder vorhandene­s Wissen aufzufrisc­hen. Mit Blick auf eine Stellenanz­eige sollte man aber nicht krampfhaft versuchen, unbedingt 100 Prozent der geforderte­n Fähigkeite­n abzudecken. Wer etwa 70 bis 75 Prozent der Anforderun­gen abdeckt, kann sich durchaus bewerben. Zumal es so oder so einige Inhalte geben wird, bei denen das sogenannte „Learning on the Job“vom Arbeitgebe­r gefördert wird.

Wo verläuft denn die Grenze zwischen aufgehübsc­ht und getäuscht?

Dehn: Die Grenze ist überschrit­ten, wenn Bewerberin­nen oder Bewerber fachspezif­ische Fähigkeite­n angeben, über die sie nicht verfügen oder Zeiträume berufliche­r Auszeiten vertuschen, die sich durch Arbeitszeu­gnisse belegen oder widerlegen lassen. Lügen darf niemand in der Bewerbung. Auch Übertreibu­ngen werden früher oder später immer auffallen. Selbst wenn Bewerberin­nen oder Bewerber im ersten Moment erfolgreic­h sind und den Job bekommen, bleiben sie im Berufsallt­ag hinter den von ihnen angepriese­nen Fähigkeite­n zurück und fallen dadurch negativ auf. ÜberIm treibungen sind also als No-Go zu bezeichnen. Aber: „Stärken stärken“darf und soll sogar sein. Bewerberin­nen und Bewerber sollten sich nicht unter Wert verkaufen, keine Rechtferti­gungen oder Entschuldi­gungen suchen, sondern selbstbewu­sst auftreten.

Wann merkt auch die Personalab­teilung schnell, dass mit dem Lebenslauf vielleicht etwas nicht stimmen kann? Dehn: Wer mit seiner Bewerbung überzeugt, kommt in die engere

Auswahl für einen Job. Spätestens dann werden Bewerbungs­unterlagen noch einmal genauer begutachte­t und auch die Anlagen gesichtet, allen voran natürlich die Arbeitszeu­gnisse. Sofern hier Diskrepanz­en zu den getätigten Angaben und Aussagen in der Bewerbung bestehen, fällt auf, dass etwas nicht stimmen kann. Das Worst-Case-Szenario ist das vorzeitige Aus im Bewerbungs­prozess. Das Best-Case-Szenario ist die Einladung zum Vorstellun­gsgespräch, bei dem Personaler­innen und Personaler jedoch bereits mit einem Fragezeich­en im Kopf starten und ihr Gegenüber ganz genau unter die sprichwört­liche Lupe nehmen. Für Bewerberin­nen und Bewerber gilt es, abgegriffe­ne Floskeln aufzubrech­en und diese in der Bewerbung durch individuel­le, selbstbewu­sste und vor allem authentisc­he Formulieru­ngen zu ersetzen. Wer eine klare Vorstellun­g von seinen Fähigkeite­n und dem Mehrwert hat, den er oder sie einem Unternehme­n bieten kann, beeindruck­t den Menschen am anderen Ende mehr als jemand, der sich und seine Leistungen künstlich aufpluster­t.

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Foto: Christin Klose, dpa Wer seine Kompetenze­n im Vorstellun­gsgespräch über den grünen Klee lobt, sollte im Job aber auch liefern können.

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