„Das finden Sie derzeit in keiner anderen Technik“
Weil Batterien immer leistungsfähiger und zugleich günstiger werden, gelten sie im Automobilbereich bereits als beinahe unschlagbar. Forscher Maximilian Fichtner erklärt, warum Reichweiten von 600 bis 800 Kilometern schon bald Standard sein werden
Nur mit Änderungen im Design sind noch fast 20 Prozent mehr Reichweite drin
Herr Fichtner, erste Elektroautos gab es schon vor über 100 Jahren. Warum springen die deutschen Autohersteller erst jetzt auf den Zug? Maximilian Fichtner: Die Politik hatte jahrelang versucht, die Automobilindustrie dazu zu bewegen, in die Batterietechnik einzusteigen. Dort hat man sich zuerst lange geziert und gesagt, Batterien sind kein Kerngeschäft für einen Automobilhersteller. Bis dann Firmen wie Tesla oder die Chinesen einfach gezeigt haben, wenn man das BatterieKnow-how hat und die Batterien auch designen kann für das eigene Fahrzeug, bekommt man einen großen Entwicklungsvorsprung. Das hat letzten Endes dazu geführt, dass die riesigen Förderprogramme zur Motivierung der Industrie nahezu obsolet geworden sind, denn Deutschland hat sich mittlerweile vom Skeptiker zum Boomland entwickelt. Und das ist industrie-, nicht politikgetrieben. Es gibt kein Land in Europa, in dem im Augenblick so viele Batteriezellfabriken aufgebaut werden wie in Deutschland.
Hält die Technik ihre Versprechen?
Fichtner: Die Speicherkapazität hat sich seit Einführung der Lithium-Ionen-Batterie praktisch vervierfacht und die Kosten sind um den Faktor 18 gesunken, alleine in den letzten zehn Jahren sanken die Kosten um 90 Prozent. Es gab in Deutschland seit den 2000er Jahren zunehmende Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Und ab einem gewissen Punkt ist die Industrie massiv aufgesprungen, da man mit der Batterie immer mehr Anwendungen versorgen kann, insbesondere in der Elektromobilität oder bei stationären Energiespeichern.
Der E-Autoboom hängt aber noch am Tropf der Subventionen. Wann sind E-Autos so günstig wie Verbrenner?
Fichtner: Was kostet der ID.3 von Volkswagen? Etwa 32000 Euro, nach Abzug der Prämie etwa 23000 Euro, und der Ioniq 5 kostet 30000 Euro minus der Prämie. Was kostet ein Golf? Etwa 27000 Euro in der Grundversion, da ist kein großer Unterschied mehr. Es gibt natürlich Oberklassemodelle, die liegen in der Gegend eines Verbrenner-Sportwagens, aber die meisten E-Fahrzeuge kriegen sie unter 40000 Euro, natürlich je nach Ausstattung. Der Hauptkostenfaktor ist dabei die Batterie, die macht etwa ein Drittel vom Kaufpreis aus. Aber die Batterie befindet sich immer noch auf einer sinkenden Kostenkurve. Neue Entwicklungen machen die Batteriefertigung noch deutlich einfacher und effizienter. Tesla hat jetzt angekündigt, 2022 den Nachfolger des Modell 3 rauszubringen – für 25000 Dollar. Das sind etwa 20000 Euro, plus Mehrwertsteuer sind es 24000, minus Förderung 15000 Euro. Das ist dann deutlich unter einem gleichwertigen Verbrenner. Die Kostenkurven, die auf der E-Mobilität liegen, auch die Entwicklungskurven, was die Leistungsfähigkeit der Batterien angeht – das finden Sie derzeit in keiner anderen Technik.
Die Begeisterung für das E-Auto könnte aber abkühlen, wenn man jetzt dann in den Urlaub aufbricht und unterwegs keine Ladesäule findet …
Fichtner: Die Ladeinfrastruktur muss immer noch ausgebaut werden, das ist keine Frage. Sie wird allerdings auch ausgebaut. Letztes Jahr hatten wir 15000 Ladesäulen, jetzt sind wir bei 25000. Tatsächlich ist es derzeit so, dass die Zunahme der Elektrofahrzeuge den Ausbau der Ladeinfrastruktur übersteigt. Seit letzten Mai gab es eine Zunahme von 380 Prozent bei den Elektrofahrzeugen – und 37 Prozent bei den Verbrennern. Im Augenblick haben wir insgesamt noch vergleichsweise wenig Fahrzeuge und sie kriegen praktisch überall eine freie Säule. Entscheidend ist, dass man, wenn man große Strecken fahren will, Supercharger an der Strecke hat. Aber die gibt es mittlerweile überall, auch in Frankreich oder Spanien, wo gerade ein riesiges Netz aufgebaut wird. Selbst die normalen Tankstellen bauen jetzt schon Schnelllader hinzu. Das Problem ist eher, wenn man in bestimmten Bereichen unterwegs ist, wo die Ladesäuleninfrastruktur eher der Netzabdeckung der Deutschen Telekom ähnelt. Für das eigene Auto haben die Leute auf dem Land in der Regel eine Garage, da können sie eine Wallbox installieren und aufladen. Problematischer ist es eher in den Städten, da muss zugebaut werden.
Vor kurzem wurde im Bundestag das Lieferkettengesetz beschlossen. Wie passt das zum Batterieboom, wenn Kobalt noch immer mit Kinderarbeit im Kongo gewonnen wird? Fichtner: Dieses Thema ist die Wissenschaft schon relativ früh angegangen. Wenn Sie sich die allerersten Lithium-IonenBatterien ansehen, die hatten im Pluspol quasi 100 Prozent Kobaltoxid. Dann hat man schon in den 90er Jahren festgestellt, Kobalt ist selten, Kobalt ist teuer, Kobalt ist giftig. Deshalb liefen schon früh Anstrengungen, Kobalt zu ersetzen. Etwa um das Jahr 2000 hat man es geschafft, den Kobaltgehalt auf ein Drittel zu reduzieren. Dann waren es 20 Prozent, dann zehn Prozent. Im Augenblick sind es bei Tesla 2,8 Prozent. Und jetzt sind schon die ersten Fahrzeuge auf der Straße, in deren Batterien überhaupt kein Kobalt mehr enthalten ist, die fahren mit Eisenphosphat im Pluspol. Das haben die Chinesen angefangen, VW übernimmt das jetzt, auch Renault. Tesla hat in Shanghai schon ein kobaltfreies Modell auf dem Markt. Das Thema Kobalt ist in absehbarer Zeit Geschichte. Kobalt ist zwar noch in derzeitigen Autobatterien drin, aber von dem ganzen Kobalt, das gefördert wird, gehen nur acht bis zehn Prozent in Batterien von E-Autos.
Und der Rest?
Fichtner: Das meiste Kobalt geht in Handy- und Notebookakkus. Da haben Sie immer noch das hundertprozentige Kobaltoxid in der Kathode, also dem Pluspol. Vor allem deshalb, weil Kobaltoxid erlaubt, die Batterie sehr klein zu machen, sehr kompakt. Da lässt sich auch schwer ein Ersatz finden. Der Rest des Kobalts geht in Stähle, in Bohrer, Sägen und Magnete und in Katalysatoren für die Autoindustrie. Kobalt ist ein Thema, das man im Auge haben muss, aber die europäischen und amerikanischen Hersteller haben durch die Zertifizierung ihrer Lieferketten mittlerweile eigentlich ausgeschlossen, dass Kinderarbeit drinsteckt. Kobalt aus Kinderarbeit finden Sie vor allem in elektronischen Billiggeräten aus China.
Lässt sich Kobalt aus alten Batterien wiedergewinnen? Fichtner: Im Augenblick leiden die Recycler noch darunter, dass zu wenig Batterien ankommen. Bei Handys und Notebooks gibt es ohnehin keine Verpflichtung, die liegen in irgendeiner Schreibtischschublade herum, das hat jeder, ich auch. Wenn Sie heute ein E-Auto mit einer großen Batterie kaufen, dann ist die vielleicht in 15 bis 18 Jahren so weit, dass sie ins Recycling kommt. Das heißt, der große Run kommt, aber er kommt erst nach 2030. Im Augenblick versuchen die ganzen zukünftigen Recycler, ihre Prozesse zu entwickeln und sich in Startposition zu bringen, aber es gibt einfach noch zu wenige Batterien, die zum Recycling kommen, als dass dieser Rückfluss von Material eine große Rolle spielen würde. Generell ist man mittlerweile so weit, dass man etwa 95 Prozent einer Batterie recyceln kann.
Neben Kobalt ist auch Lithium als Rohstoff ins Gerede gekommen …
Fichtner: Lithium kommt zurzeit hauptsächlich aus Australien, wird aber eher kritisch diskutiert in Zusammenhang mit seiner Gewinnung in Südamerika. Da gibt es große Salzseen, in deren Salzwasser etwas Lithium enthalten ist. Aus dem Salzsee wird die Sole hochgepumpt und in Becken geleitet, dann verdunstet das Wasser, das Salz fällt aus. Das ist so weit unkritisch. Kritischer ist, dass man zur Aufreinigung des Salzes Süßwasser benötigt. Das wird aus unterirdischen Wassersystemen gewonnen, die Süßwasser führen. Das ist in die Kritik geraten, weil es heißt, dass die Gegend dramatisch austrocknet. Ich habe mir das angeschaut vor Ort und mit einem Wissenschaftler gesprochen. Er sagt: Lithiumabbau hat einen Beitrag daran, das sei aber nicht das Problem. Das Problem ist die weltgrößte Kupfermine im Nachbartal, die achtmal so viel Wasser verbraucht wie der gesamte Lithiumabbau.
Welches Potenzial hat die Lithium-Ionen-Technologie überhaupt noch?
Fichtner: Die Lithium-Technologie ist noch nicht ausentwickelt und besitzt noch viele Perspektiven. Wenn man sich eine Batterie heutiger Prägung anschaut, besteht sie aus vielen Einzelteilen, die alle für den Betrieb notwendig sind, die aber selber keine Energie speichern. Nur etwa 25 bis 28 Prozent sind Speichermaterial, der Rest sind Betriebsstoffe, Verpackung, Gehäuse und so weiter. Da hat man einen riesigen Hebel, um allein durch Designänderungen riesige Fortschritte zu erzielen. Das ist, was zum Beispiel Tesla macht mit einer neuen Batterie, die im Herbst vorgestellt wurde. Da wird allein durch Designänderung 16 bis 19 Prozent mehr Reichweite gewonnen. Firmen wie CATL, der weltgrößte Batteriehersteller aus China, haben dieses Prinzip erfunden. Die haben diese Kleinteiligkeit aufgelöst, machen nur noch wenige große Zellen, können damit viel mehr Speichermaterial in einem Batteriegehäuse unterbringen und sparen auch eine Menge Aufbau- und Verbindungstechnik. CATL spricht von 40 Prozent weniger Teilen und 20 bis 25 Prozent Reichweitenverlängerung.
Und im Innenleben?
Fichtner: Was in der Batteriechemie als Nächstes auf der Agenda steht, ist eine Änderung des Minuspols. Der Minuspol ist im Augenblick Graphit, das schwarze Material, aus dem Bleistiftminen sind. Da wandert das Lithium beim Beladen der Batterie rein und wird gespeichert. Das geht sehr gut und ist sicher, allerdings wird es dabei relativ stark verdünnt, das Graphit selbst nimmt ja auch Platz weg. Wenn man da jetzt unterschiedliche Mengen an Silizium zumischt, bekommt man ein Komposit, was noch einmal deutlich mehr Speicherkapazität hat – um die 30 bis 40 Prozent. Das ist genau das, was nun auch Varta macht. Auch Porsche geht in diese Richtung, gar nicht mal so sehr, weil es höhere Reichweiten bietet, sondern weil es sich auch noch schneller beladen lässt. Vor allem bei tieferen Temperaturen geht das Lithium einfach besser rein und raus. Dann gibt es auch noch auf der Pluspol-Seite ein paar Entwicklungen, die vielversprechend sind.
Was ist mit der oft beschworenen Festkörperbatterie? Fichtner: Eine alternative Route ist auch, dass man die Batterie ausschließlich aus Feststoffen ausbaut. Im Augenblick ist zwischen den Polen eine Flüssigkeit, der sogenannte Elektrolyt. Der ist potenziell brennbar, ähnlich wie Benzin. Wenn man einen Batteriebrand sieht, ist es eigentlich der Elektrolyt, der brennt. Wenn man den durch einen Festkörper ersetzt, der nicht mehr brennen kann, hat man potenziell eine deutlich höhere Sicherheit, außerdem gibt es noch ein paar verfahrenstechnische Vorteile, sodass man sich da auch noch einmal 30 bis 40 Prozent zusätzliche Reichweite verspricht. Das ist aber noch in der Mache. Diese Geschichte mit dem Minuspol wird bereits umgesetzt. Ich würde sagen, dass in zwei bis drei Jahren Reichweiten von 600 bis 800 Kilometern Standard sein werden.
Wie ändert sich die Rohstoff-Problematik durch die Alternativen?
Fichtner: Die Alternativ-Techniken beruhen auf Batterien, die keine kritischen Schwermetalle mehr enthalten und auch kein Lithium mehr. Natrium-Ionen-Batterien, Magnesiumbatterien, Kalzium- oder Aluminiumbatterien – das sind alles Materialien, die in sehr großer Menge meist auch lokal vorkommen. Die gesamte Schwäbische Alb, die weißen Steine, die man überall sieht, das ist Dolomit. Der besteht zur Hälfte aus Magnesium-, zur Hälfte aus Kalziumkarbonat, das haben wir praktisch hinterm Haus. Natrium ist in unbegrenzter Menge als Kochsalz im Meerwasser verfügbar. Da haben wir keine Rohstoffprobleme.
Und wann kommen diese neuen Batterien?
Fichtner: Die sogenannten Natrium-Ionen-Batterien sind bisher am weitesten fortgeschritten. Jetzt gerade haben die einen riesigen Boost erfahren, weil die Firma CATL mit der Firma Faradion in England diese Batterien als Erste kommerzialisiert und Natrium-Ionen-Batterien produziert. Die sind derzeit noch nicht so leistungsfähig wie Lithium-Ionen-Batterien, das heißt, für die gleiche Speichermenge wären sie deutlich größer und auch schwerer. Das ist dann kein Problem, wenn man das Ding nicht in eine mobile oder automobile Umgebung einbauen will, wo man begrenzten Platz hat, sondern wenn man zum Beispiel stationäre Speicher machen will. Da kommt es viel mehr auf die Kosten an, auf die Langlebigkeit und auch auf die Nachhaltigkeit. Weil man dafür große Speicher und auch große Materialmengen braucht. Die muss man am Ende auch bezahlen.
Das heißt, in Zukunft wird es für jede Aufgabe die richtige Batterie geben?
Fichtner: Wenn Sie sich einmal die Wachstumsraten im Markt für stationäre Batterien ansehen, sind das derzeit 40 Prozent im Jahr. Die Amerikaner rechnen damit, dass sie bis zum Jahr 2030 an stationären Speichern etwa eine Terawattstunde brauchen. Das ist eine Sache, die ist noch nicht so auf dem Radar, aber die kommt mit Macht. Weil man damit auch den immer günstiger werdenden Photovoltaik- und Windstrom viel besser nutzen kann. Das heißt, der Strom wird am Ende des Tages billiger. Es ist notwendig, da für eine nachhaltige Lösung zu sorgen, weil sie große Materialmengen haben, die eine Rolle spielen.
Und was ist mit dem viel gepriesenen Wasserstoff? Ist er Konkurrenz oder Ergänzung der Batterie? Fichtner: Es kommt darauf an. Wasserstoff hat Anwendungsbereiche, wo man ihn unbedingt brauchen wird. In der chemischen Industrie, weil er ein hervorragendes Reduktionsmittel ist, in der Stahlindustrie und bei Hochtemperaturprozessen. Bei der Speicherung kann man sich vorstellen, dass man Wasserstoff in großen Mengen produziert und ihn in Salzkavernen pumpt, um ihn dann wieder zu verstromen. Das kann man machen, man verliert so aber zwei Drittel der einmal gewonnenen Energie. Das ist eine Option für Langzeitspeicher, weil man den Wasserstoff so lange aufbewahren kann, aber es ist verlustreich.
Das heißt, er ist doch nicht so klimafreundlich, wie oft behauptet wird?
Fichtner: Wasserstoff wird derzeit hauptsächlich aus Erdgas erzeugt. Wenn Sie daraus mit viel Energie Wasserstoff erzeugen, ist das alles andere als grün. Wasserstoff kann nur dann Sinn machen, wenn er mit erneuerbarer Energie erzeugt worden ist. Aber selbst dann wirft man immer noch einen Großteil der Energie, die man gesammelt hat, weg. Was in der ganzen politischen Diskussion keiner sagen möchte, ist: Wir können das mit dem Wasserstoff machen. Aber dann müssen wir halt vier Mal so viele Windräder hinstellen, das fände ich ehrlich. Also: Wir werden den Wasserstoff brauchen, sollten ihn aber da einsetzen, wo man ihn durch nichts anderes ersetzen kann.
Aber wenn man ihn hat, wäre er doch eine Alternative zur Batterietechnik?
Fichtner: Viele wundern sich ja, warum die Automobilhersteller nicht auf Wasserstoff gehen. Tatsache ist, wenn Sie im Augenblick ein Brennstoffzellenfahrzeug betreiben, ist der CO2-Fußabdruck in etwa vergleichbar mit dem eines Diesels. Das heißt, ein Flottenhersteller würde sich seine Flottengrenzwerte zerschießen, wenn er da eine Serie auflegen würde.
Das Wasserstoffauto wird also ein Exot bleiben? Fichtner: Im Pkw-Bereich hat der Wasserstoff wenig Chancen. Honda hat jetzt seine Wasserstofffahrzeuge vom Markt genommen, jetzt gibt es nur noch zwei Hersteller, Toyota und Hyundai. Wenn sie einen Hyundai Nexo kaufen, kostet der 70000 Euro. Hyundai selber kostet er in der Produktion 110000 Euro. Das ist alles viel zu teuer. Zudem müssten sie in der ganzen Erzeugungs-, Verteilungsund Verwertungskette des Wasserstoffs überall um den Faktor drei runter mit den Kosten. Ich habe früher selbst zwölf Jahre in der Entwicklung von Wasserstoffantrieben gearbeitet. Ich habe gesehen, was sich in den letzten zehn Jahren getan hat, es ist nicht viel.
Die Batterietechnik ist ja auch lange nicht richtig in Schwung gekommen …
Fichtner: Es gibt auch eine Menge praktische Dinge, die gar nicht diskutiert werden. Die Verteilung von Wasserstoff etwa. Ein Liefer-Lkw, der Wasserstoff an die Tankstellen bringt, liefert H2 für etwa 60 bis 65 Pkw-Tankladungen an. Das heißt, für eine mittlere Tankstelle mit 300 Tankvorgängen pro Tag bräuchten sie täglich fünf solcher Liefertrucks. Oder, wenn Sie zum Beispiel so einen Hyundai Nexo haben, müssen Sie alle 10 000 Kilometer in die Werkstatt zum Sicherheitscheck, weil Wasserstoff nun einmal explosiv ist. Wenn Sie das kleinste Leck irgendwo haben, kann der sich ansammeln und dann bekommen Sie eine Knallgasexplosion. Da können wir beliebig weitermachen. Der Teufel steckt eben nicht nur in der großen Thermodynamik, sondern auch im Detail. Und man muss einfach sehen, wir haben 50 Jahre lang die Wasserstofftechnik entwickelt. Jetzt herzugehen und zu sagen, wir entwickeln einfach was Neues, halte ich für vermessen.
Haben wir überhaupt genug Strom, wenn in absehbarer Zeit Millionen Autos elektrisch fahren? Fichtner: Das kann man ausrechnen. Der Strommarkt derzeit beträgt insgesamt 600 Terrawattstunden pro Jahr. Wenn ich einen mittleren Flottenverbrauch von E-Autos nehme und annehme, wir betreiben jetzt alle 47 Millionen Pkws, die wir in Deutschland haben, mit elektrischem Strom, brauchen Sie zusätzliche 130 bis 150 Terrawattstunden – etwa ein Viertel mehr. Wenn wir sagen, unser Ausbauziel ist es, das in den nächsten 25 bis 30 Jahren zu machen, dann muss man jedes Jahr ein Prozent zubauen. Wenn ich das gleiche Szenario mit Wasserstoff mache, brauche ich 1000 Terrawattstunden mehr. Wie soll das gehen? Wenn ich auf E-Fuels gehe, brauche ich 1500 Terrawattstunden mehr. Und ja: Natürlich wird es weiterhin Verbrenner geben, es gibt ja auch heute noch Pferdekutschen. Aber die Bedeutung wird sich wandeln.
Prof. Maximilian Fichtner ist stellvertretender Direktor am HelmholtzInstitut Ulm und Sprecher des gemeinsamen Batterieclusters POLiS des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Ulm. Er beschäftigt sich mit den neuesten Batterie systemen jenseits der LithiumIonenBatterie.