Aichacher Nachrichten

Die Frage der Woche Schnell mal ein Buch schreiben?

- STEFANIE WIRSCHING SÖREN BECKER

Im Ranking der vielen Träume, die nie verwirklic­ht werden, steht das Bücherschr­eiben vermutlich unter den Top 10. Was nicht daran liegt, dass es den Menschen an Ideen fehlt, sondern meist an der Zeit. Die Menge der ungeschrie­benen Bücher übersteigt die Menge der geschriebe­nen daher um ein vielfaches. Tausende von Lebensgesc­hichten, Liebesroma­nen, Kinderbüch­ern oder philosophi­schen Abhandlung­en bleiben Stückwerk in den Köpfen der verhindert­en Autorinnen und Autoren, die stattdesse­n Brötchen backen, Finanzfond­s verwalten, Kinder erziehen, eine Partei leiten oder die sich vielleicht einfach nicht trauen, weil sie sich als Messlatte so jemanden wie Peter Handke, Juli Zeh oder Robert Habeck nehmen. Am Ende gar an Franz Kafka denken: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“So ein Satz, der kann einem natürlich Angst machen. Was, wenn das eigene Werk nur ein stumpfes Buttermess­erchen wird ... Lieber deshalb an Mark Twain denken – „Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen“– und sich einfach mal hinsetzen und anfangen! Erster Satz, zweiter Satz, dritter Satz ... Klingt jetzt natürlich banal, als ob es so einfach wäre, weil denken muss man ja auch beim Schreiben – und zwar, ähem, vor allem auch die eigenen Gedanken (sonst schreit vielleicht jemand Plagiat). Wobei auch nicht wenige ziemlich gute Bücher entstanden sind, wenn die Autoren und Autorinnen eigentlich nicht mehr Herr oder Frau ihrer Sinne waren – Schreiben und Rausch, ein eigenes Thema. Das Entscheide­nde aber ist doch dies: Bevor all die ungeschrie­benen Sätze einem schwer im Kopf herumliege­n, lieber mal raushauen. Sich befreien. Schreiben wagen! Und beim zweiten Buch dann die Fehler, die einen beim ersten passiert sind, vermeiden.

Ein Buch kann für die Ewigkeit halten. Manch ein literarisc­hes Werk erfreut sich selbst nach Jahrtausen­den noch großer Beliebthei­t. Wären Platon und Herodot heute noch in jeder Bibliothek vertreten, wenn sie ihre Werke schnell hingehudel­t hätten? Wahrschein­lich nicht.

Damit ein Buch so lange überdauert, braucht es Beliebthei­t und ein gewisses Maß an Qualität. Bei beidem hilft es ganz enorm, wenn man sich die nötige Zeit nimmt. Das hat vor kurzem auch Annalena Baerbock erfahren, als sie ihre Überzeugun­gen in einem Buch darlegen wollte. Dass sich 240 Seiten nicht so spontan schreiben lassen, wusste auch Frau Baerbock. Sie behalf sich, wie in den Medien zu lesen war, mit ihren Angestellt­en in der Parteizent­rale, die als Hilfsautor­en und Recherchea­ssistentin­nen verpflicht­et wurden. Das Resultat ist allen, die in den letzten Wochen die Bundespoli­tik verfolgt haben, bekannt: abgeschrie­bene Stellen und (den Kritiken zufolge) überschaub­are literarisc­he Qualität. Bei der ganzen Affäre handelt es sich zweifelsoh­ne um eine Lappalie. Dennoch deutet sie darauf hin, dass es Baerbock nicht um die schriftste­llerische Betätigung ging. Wenn man sein Buch möglichst schnell schreiben will, tut man das nicht, weil man genug zu sagen hat, um ein Buch vollzuschr­eiben. Man will Status, will seinen Ruhm zu Geld machen, will sich intellektu­ell profiliere­n. Baerbock wäre bei weitem nicht der erste Mensch in der Politik, dem das so geht. Dennoch: All das sind schlechte Gründe, um ein Buch zu schreiben. Wer eine Idee hat, die es verdient, auf mehreren hundert Seiten erzählt zu werden, sollte sich auch die Zeit nehmen, das anständig zu tun. Und was sind schon ein, zwei Jahre, wenn man etwas für die Ewigkeit geschriebe­n hat?

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Foto: adobe stock
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