Aichacher Nachrichten

Landwirte wehren sich gegen Vorwürfe

Nach dem Hochwasser im Landkreis Aichach-Friedberg haben einige Betroffene den Landwirten eine Mitschuld gegeben. Diese sehen sich als Sündenböck­e für alles

- VON EVELIN GRAUER

Nach dem Hochwasser im Landkreis gaben einige den Landwirten eine Mitschuld daran. Diese wehren sich vehement.

Aichach‰Friedberg Mit der Flutkatast­rophe in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und im Berchtesga­dener Land sind die Überschwem­mungen im Landkreis Aichach-Friedberg nicht zu vergleiche­n. Dennoch haben die Starkregen-Ereignisse ab Anfang Juni vor allem die Betroffene­n im Wittelsbac­her Land aufgewühlt. Deshalb ging unsere Redaktion kürzlich dem Vorwurf nach, Landwirte könnten eine Mitschuld am Hochwasser haben und ließ die Beschuldig­ten zu Wort kommen. Die Überschrif­t unseres Artikels „Sind die Landwirte schuld am Hochwasser?“hat jedoch für viele negative Reaktionen gesorgt. Deshalb greift unsere Redaktion das Thema jetzt noch einmal auf.

Sabine Asum aus dem Dasinger Ortsteil Laimering ist Kreisbäuer­in. Auch sie hat sich über unsere Überschrif­t sehr geärgert, obwohl der Inhalt des Artikels klarstellt, dass es sich bei den Überschwem­mungen um „höhere Gewalt“gehandelt hat und den Landwirten kein Versagen vorgeworfe­n werden kann. Dennoch hat Asum den Eindruck, dass die Landwirte und Landwirtin­nen viel zu oft als Sündenböck­e herhalten müssten. „Klimawande­l, Umweltschu­tz, Insektenst­erben: Wir werden ständig an den Pranger gestellt“, so Asum. Vor allem deshalb sei die Stimmung in der Landwirtsc­haft sehr schlecht. „Ich habe vor allem große Sorge, dass kleinere Betriebe aufgeben, weil diese Landwirte einfach keine Lust mehr haben“, sagt Asum.

Sie wünscht sich wieder mehr Wertschätz­ung für diesen Beruf. Schließlic­h seien die Landwirte auch die ersten, die bei Katastroph­en mit ihren Maschinen anrückten, um zu helfen. Auch bei der Feuerwehr engagierte­n sich viele Landwirte. Asum verweist auch darauf, dass auf den Feldern bereits viel Erosionssc­hutz betrieben werde, um den Abtrag des Bodens zu verhindern. Aber wenn zu viel Wasser auf einmal komme, bahne sich das Wasser einfach seinen Weg.

Reinhard Herb aus Sielenbach ist Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­andes (BBV) in AichachFri­edberg. Er findet es allein schon „unangemess­en“, die Frage zu stel

ob Landwirte schuld am Hochwasser sein könnten. Laut Herb haben die Landwirte in Deutschlan­d nur einen Anteil von knapp drei Prozent an der Bevölkerun­g. Herb sagt: „Drei Prozent der Bevölkerun­g können nicht für das geradesteh­en, was wir alle zusammen verursache­n.“Der 68-Jährige spricht den Klimawande­l an und fordert: „Alle in der Bevölkerun­g müssen mehr tun, um den Klimawande­l zu bremsen.“Als Beispiele nennt er weniger Autofahren und Heizen.

Ein weiteres wichtiges Ziel sei, weniger Flächen für Straßen, Baugebiete und Gewerbegeb­iete zu versiegeln. Auf all diesen Flächen könne das Grundwasse­r nicht mehr versickern. Künftig müsse beispielsw­eise noch viel stärker überlegt werden, wo neue Radwege wirklich nötig seien und welcher Weg wirklich zubetonier­t werden müsse. „Allein ein Radweg von sieben Kilometern Länge erzeugt mehr als 600

Lkw-Ladungen Wasser im Jahr, die schlagarti­g anfallen können“, rechnet Herb vor.

Der BBV-Kreisobman­n wehrt sich auch gegen den immer wiederkehr­enden Vorschlag, es sollten mehr Wiesen angesät werden, um den Boden besser zu verankern. Dieses Grünland dient laut Herb nur den Rindern als Nahrung, aber nicht den Menschen. Die Menschen in Deutschlan­d müssten ihre Nahrung dann im Ausland kaufen, wenn die heimischen Bauern nur Gras ansäen. Mehr Rinder zu halten sei aber auch nicht die Lösung, weil der Methanauss­toß wieder das Klima belaste.

Stefan Meitinger aus Aichach arbeitet beim Bayerische­n Bauernverb­and als Referent für Agrarpolit­ik. Er hat uns einen Leserbrief zu diesem Thema geschriebe­n. Darin verdeutlic­ht er unter anderem, dass das Wasser auch von den Wiesen abfließt, wenn der Boden bereits gesättigt ist. Das war bei den Starkrelen, gen in Aindling und Pöttmes ebenfalls der Fall. Egal welche Kulturen angebaut würden, bei derart großen Wassermeng­en könne der Boden irgendwann nichts mehr aufnehmen. „Kein Landwirt will Boden verlieren“, betont Meitinger, der auch Ortsvorsit­zender der Jungen Union (JU) in Aichach ist.

Der 28-Jährige wünscht sich, dass es statt zu Schuldzuwe­isungen zu einem konstrukti­ven Austausch mit den Landwirtin­nen und Landwirten kommt. Gerade in den Kommunen könnten vielleicht auch kleine Lösungen gefunden werden, von denen beide Seiten etwas haben. Neben noch mehr Bodenbedec­kung könnte sich Meitinger eventuell Hecken an den Feldern vorstellen. Diese müssten finanziell aber von der gesamten Gesellscha­ft getragen werden. Wie alle Befragten plädiert auch er generell für eine Verringeru­ng des Flächenver­brauchs.

Peter Erhard aus dem Aindlinger

Ortsteil Arnhofen ist Landwirt und Vorsitzend­er der Waldbesitz­ervereinig­ung Aichach. Er berichtet, dem Wald – wie auch der Natur an sich – hat der viele Regen sehr gutgetan. Das Problem sei gewesen, dass zu viel Wasser auf einmal gekommen sei. Wegen der Kälte im Frühjahr sei die Vegetation heuer etwas später dran und daher sei Mitte Juni gerade der Mais noch nicht stark verwurzelt gewesen. Trotz der Schäden sei der Landkreis im Vergleich zu den Ausmaßen der Flutkatast­rophe im Westen Deutschlan­ds mit über 150 Toten aber glimpflich davongekom­men. „Bei uns wurde meines Wissens niemand verletzt und es gab nur Sachschäde­n.“Erhard hat zudem die Hilfsberei­tschaft der vielen Feuerwehre­n und anderer Freiwillig­er imponiert, die nächtelang im Einsatz waren.

„Bei solchen Naturereig­nissen sollte es keine Schuldzuwe­isungen geben“, sagt er.

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Foto: Ehleider Im Landkreis wie hier in Aindling gingen in den vergangene­n Wochen Unwetter nieder. Über die Gamlinger Straße etwa flossen Wasser und Schlamm herunter und nach Aind‰ ling hinein. Mit Sandsäcken wurde versucht, noch größeren Schaden zu verhindern.

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