Musik mit Leidenschaft
Mit überschäumendem Applaus danken knapp 200 Menschen für ein kleines, aber feines Konzert vor dem Aichacher Spital. Es sind auch Lokalmatadore vor romantischer Kulisse dabei
Aichach Einen Abend voller Leidenschaft und Musikbegeisterung genossen knapp 200 Besucher am Freitagabend auf dem Platz vor dem Aichacher Spitaleingang. Sie dankten den Künstlern mit überschäumendem Applaus.
Schon zu Beginn sorgten die Aichacher Jazz-Ikone Arnold Fritscher am Klavier und die energiegeladene Chansonette Julia Schwebke als Chanson bleu für Gute-LauneStimmung. Passenderweise mit „Heute hier, morgen dort“von Hannes Wader eröffnete die Wahlberlinerin mit Aichacher Wurzeln den kurzweiligen Abend. In der Folge wechselten sich „seltsame Liebeslieder“(Originalton Schwebke) und jazzige Interpretationen englischer Titel ab. Beispielhaft genannt seien die von Fritscher wundervoll arrangierten Varianten von „Fly Me to the Moon“und „Summertime“oder der Simon-&-Garfunkel-Hit „Bridge over Troubled Water“.
Die Chansons von Bert Brecht und Georg Kreisler scheinen Julia Schwebke auf den Leib geschneidert zu sein. Insbesondere Kreisler mit seinen tiefgründig-satirischen Texten voll schwarzem Humor und Sprachwitz hat es ihr angetan. Ganz egal, ob sie sein „Herrliches Weib“besingt, als Dame den „zweitältes
Frauenberuf der Welt“beschreibt oder diesen Ort „Irgendwo am Strand“, wo ein Intrigant das Wort „Vergessen“in den Sand geschrieben habe. Es ist, als würde sie in die Rollen schlüpfen, die sie besingt. Mit ihrem Lächeln, ihrer Mimik und Gestik verleiht sie den Liedern Lebendigkeit und Authentizität. Und sorgt bei ihren Fans für strahlende Gesichter und so manches Schmunzeln.
Mit Fritscher als perfekt harmonierenden Begleiter verbindet sie eine künstlerische Symbiose. Dabei besticht der Mann am Klavier durch seine Fähigkeit, die von Schwebke vorgetragenen Botschaften und Stimmungen – mal treibend, mal gezielt verlangsamend – noch zu verstärken. Beide Künstler lassen sich den Raum zum Improvisieren.
Selbst das laut einsetzende Gebetsläuten der Spitalkirche bringt sie nicht aus dem Konzept. Während Fritscher das Tempo beibehält, fügt Schwebke dem Liedtext „Heute fand ich alte Tränen“spontan hinzu: „Und die Glocken läuteten dazu.“Beide haben sichtlich Spaß – und der kommt auch beim Publikum an.
Passend zur locker-stimmungsvollen Atmosphäre geht’s nach kurzer Umbaupause mit Concerto Latino und instrumentalen lateinamerikanischem Wohlfühlsound weiter. Wie aus einem Guss überzeugt die fünfköpfige Formation mit Spielfreude und perfekter Instrumentenbeherrschung. In ihrer Musik wird die Lebenslust der Latinos spürbar. Und so manchen Besucher hält es bei den Samba-, Tango- und Bossaten nova-Rythmen nicht mehr auf den Bänken. Die fünf Protagonisten agieren sehr harmonisch. An vorderster Front lässt Sonja Lorenz ihre Querflöte ertönen, mal leise flüsternd, mal dominant, mal stotternd oder überschlagend. Bei „Tunisian Trail“nutzt sie es sogar als Percussion-Instrument ähnlich einer Beatbox. Bewegungsintensiv und ausdrucksstark, dabei sowohl sanft als auch leise dominierend, behandelt Christian Kempter mit seinen vier Schlägeln das Vibrafon. Seine Interpretation von „Over the Rainbow“animiert zum Szenenapplaus. Der Bandleader macht aber auch am Akkordeon eine gute Figur.
An der klassischen Gitarre überzeugt Agata Englert bei Stücken wie „A Felicidade“. Franz Heim beweist sich am gezupften Kontrabass nicht nur als perfekter Begleiter, sondern zeigt durchaus Solistenqualität. Beeindruckend auch Gerhard Kling an den verschiedensten Percussion-Instrumenten, insbesondere beim Einsatz seiner orientalisch klingenden Handpan zur Version von Abdullah Ibrahims „Mountain“.
Nach zusammen mehr als zwei Stunden Spielzeit geht ein kurzweiliger musikalischer Sommerabend zu Ende, dessen Qualität in keiner Weise an der Höhe des (nicht erhobenen) Eintrittspreises zu messen war.