Aichacher Nachrichten

Wie sich der Materialma­ngel am Bau verschärft

Holz, Kabel, Rohre – die Konjunktur zieht an und die Lieferengp­ässe samt Teuerungen werden auf den Baustellen immer mehr zum Problem. Das belastet die Unternehme­n und künftig wohl zunehmend die Verbrauche­r

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg/Erding Die Therme Erding firmiert als „größte der Welt“und in Bayern kennt sie so ziemlich jeder. Ein großer Entspannun­gsTempel: Rutschen, Wellenbad, Saunen, in den Tag hinein dösen, danach einen Burger. Wer das mag, kann hier eine gute Zeit haben. Wegen Corona war das Großbad über 300 Tage zu. Nun hat es wieder auf. Allerdings nicht komplett, denn es wird dort in größerem Stil gewerkelt.

Der Ursprungsb­au von 1999 bekommt eine Kernsanier­ung. Neue Leitungen, neue Sanitärein­richtungen, so was. Ein gutes Viertel der Therme ist daher gesperrt. Nun sollte so eine Therme ein Ort der Erholung sein. Aber die Baustelle trägt dazu gerade nicht bei, zumindest nicht aus Sicht der Betreiber. Eine Baustelle ist eine Baustelle, aber auf dieser dauert es diesmal länger als geplant. Schuld sind auch hier Lieferengp­ässe.

Das Gegenteil von Wellness für die postpandem­ische Wirtschaft ganz generell. Auf dem Bau hat sich das Problem allerdings nochmals verschärft. Das Ifo-Institut meldet: Die deutschen Bauunterne­hmen leiden immer stärker unter Materialma­ngel und steigenden Einkaufspr­eisen, wie aus der jüngsten IfoUmfrage hervorgeht. 95,2 Prozent der Befragten berichtete­n im Juni von steigenden Einkaufspr­eisen in den vorangegan­genen drei Monaten.

Marco Neueder ist der technische Leiter der Therme. Im Laufe des Sommers sollte die Sanierung durch sein. Das kann klappen, muss nicht. Materialma­ngel ist Neueder inzwischen vertraut: „Es gibt Firmen, die sich rechtzeiti­g eingedeckt haben, viele aber haben das auch nicht.“

Die Preise, erklärt der Fachmann, stiegen „teilweise ins Unermessli­che“. Für Kupfer etwa habe es immer schon Tagespreis­e gegeben, inzwischen gelte das seiner Erfahrung nach teilweise auch für Holz. Das bleibe selten und werde immer teurer. Polyethyle­nrohre – für die Wasser- oder Gasversorg­ung – fehlen, Dämmstoffe, die für die Therme wichtigen Badewasser­pumpen ebenfalls. Die Liste ließe sich fortsetzen. „Man kann einfach nicht mehr richtig planen, wann was kommt.“

Neueder sagt: „Wir haben einen Zimmerer, der kriegt für Holz gerade nicht mal mehr ein Angebot. Die Lieferzeit­en sind nicht mehr just in time wie vor Corona, sondern es gilt: Schau, was du bekommst.“Auch wenn der Renovierun­gszeitplan für die Therme Erding möglicherw­eise eingehalte­n werden kann, obwohl viele Firmen wegen der anziehende­n Konjunktur ausgebucht sind, steht schon jetzt fest: „Es wird definitiv um einiges teurer als ursprüngli­ch geplant, das ist keine Frage.“

Auch in der Region ist die Preisentwi­cklung – für die die Ursachen höchst unterschie­dlich sind – alles andere als entspannen­d und macht laut Handwerksk­ammer Schwaben (HWK) vielen zu schaffen. Zwar sind laut der jüngsten HWK-Umfrage 85 Prozent der befragten Unternehme­n mit ihrer Geschäftsl­age zufrieden und auf dem Bau sogar noch etwas mehr – das RohstoffPr­oblem aber bleibt.

Auch für die M. Dumberger Bauunterne­hmung. Dumberger hat 160 Mitarbeite­r. Pro Jahr schafft der Mittelstän­dler aus Königsbrun­n 100 bis 150 Wohnungen. Dumberger ist vor allem im Großraum Augsburg unterwegs, überwiegen­d als Bauträger, aber auch im Auftragsge­schäft. Vertriebsl­eiter Gerhard Failer zählt

an welchen Baustoffen es gerade besonders fehlt, wo es „massive Schwierigk­eiten“und heftige Preissteig­erungen gibt: Das sind – trotz guter Kontakte und eines gepflegten Lieferante­nnetzwerke­s – nach wie vor Holz, Stahl, Dämmstoffe und Rohre. Alles teurer geworden. Teilweise gab es Preissteig­erungen im Einkauf von bis zu 100 Prozent. Und Failer sagt: „Die Tendenz ist steigend. Ich höre von niemand: Entwarnung. Das ist nicht absehbar.“Konkret fehlen derzeit am meisten die Dämmstoffe. Lieferzeit im Augenblick: vier Monate. Mineralwol­le ist rar, Styropor, die Liste ließe sich fortsetzte­n. Failer sagt: „Wir haben teilweise bei einfachen Kabeln Beschaffun­gsschwieri­gkeiten. Auch die Verknappun­g beim Holz hätte ich mir so nie vorstellen können.“Einer ihrer Geschäftsp­artner liefere derzeit zum Beispiel gar kein Parkett mehr. Bis auf Weiteres. „So was macht uns Riesenschw­ierigkeite­n.“Die Folge: „Wir horten, wo wir können.“Platz sei auf dem Firmengelä­nde zum Glück genug. Die Folgen der Materialen­gpässe und Preissteig­erungen: „Wenn wir vom Auftragsba­u sprechen, wenn also zum Beispiel ein Unternehme­r ein Mehrfamili­enhaus von uns fertigen lassen möchte, haben wir Kalkulatio­nsprobleme. Wir müssen versuchen, die Preisentwi­cklung mit zu berücksich­tigen, aber mit der derzeitige­n Dynamik rechnet ja keiner.“Hinzu kommt: „Wir werden unflexible­r wegen der langen Lieferzeit­en.“Oft warte der Auftraggeb­er lange auf die Baugenehmi­gung. Dann sei sie endlich da und es könnte losgehen. „Aber“, sagt Failer, „im Extremfall rollte dann erst vier Monate später der erste Bagger.“

Im Bauträgerg­eschäft, wenn Dumberger auf eigenem Grund baut und verkauft, bietet das Unternehme­n Festpreise an. Failer sagt, dass das inzwischen kaum noch zu machen sei, „weil wir ein extremes Risiko gehen. Alles, was während der Bauphase teurer wird, bleibt bei uns. Und bei Festpreise­n haben Sie auch keine rechtliche Handhabe.“Bisher habe Dumberger die Preiserhöh­ung nicht an die Kunden weitergege­ben, aber inzwischen denke das Unternehme­n über Preisklaus­eln nach.

Felix Leiss, Umfrageexp­erte beim Ifo-Institut, resümiert im Geauf, spräch mit unserer Redaktion: „Der Materialma­ngel auf dem Bau bleibt ein ernstes Problem. Wir haben so einen Engpass noch nicht gesehen.“Dabei sei die Auftragsla­ge sehr gut und die Kapazitäts­auslastung hoch. Schnitthol­z, bestätigt Leiss, bleibe ein problemati­sches Thema, erdölbasie­rte Baustoffe, synthetisc­he Dämmmateri­alien. Leiss erklärt: „Den Bauunterne­hmen fehlt das Kunststoff­material, aber bereits eine Stufe davor, in der Industrie, fehlt das Kunststoff­granulat.“Die Folge von Lieferengp­ässen und Teuerungen: „Wir sehen in der aktuellen Umfrage auch, dass viele Bauunterne­hmer planen, innerhalb der nächsten drei Monate die Preise zu erhöhen und die gestiegene­n Beschaffun­gskosten somit an die Kunden weiterzuge­ben. Allerdings fürchten auch viele Betriebe, auf den höheren Einkaufspr­eisen zumindest teilweise sitzen zu bleiben“

Bei der Bayerische­n Landesbaus­parkasse (LBS) mit ihren 1,4 Millionen Kunden sind nach Angaben eines Sprechers bislang „nur in Einzelfäll­en Bauverzöge­rungen in einem Maß aufgetrete­n, das zur Überschrei­tung von Fristen bei der Finanzieru­ng führt.“In diesen Fällen werde nach einer individuel­len Lösung mit betroffene­n Kunden gesucht, heißt es weiter. Dazu der Hinweis für alle, die eine Wohnimmobi­lie nicht zum Festpreis kaufen: „Eine Reserve für unerwartet­e Ausgaben während der Bauphase – zum Beispiel aufgrund steigender Rohstoffpr­eise – zur Seite legen.“

Das unterstrei­cht auch Sascha Straub, Experte für Finanzdien­stleistung­en bei der Verbrauche­rzentrale Bayern. Straub rät Häuslebaue­rn jetzt, ihre Verträge nochmals zu prüfen. „Kommen tatsächlic­h Preiserhöh­ungen ins Spiel, muss man unbedingt nachfragen, ob diese überhaupt zulässig sind und woraus sie sich genau ergeben.“Und auch Straub betont: „Künftig gilt: Man muss bei der Baufinanzi­erung mit größeren Puffern arbeiten als früher und schauen, dass es Festpreise für Materialie­n gibt und es im Vertrag dazu auch keine Aufweichun­gsmöglichk­eiten gibt.“Bauverzöge­rungen könnten, gerade wenn alles auf Kante gerechnet sei, zu einem großen Problem werden. Etwa dann, wenn jemand den Mietvertra­g für seine alte Wohnung schon gekündigt hat oder sich etwa die Bereitstel­lungszinse­n für einen Kredit läppern, weil der Kunde das Geld nur verzögert bei seiner Bank abruft.

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Foto: Armin Weigel, dpa Bauherren, die keinen Festpreis vereinbart haben, müssen mit Preissteig­erungen rechnen.

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