Hier werden Olympiasieger gemacht
Der Eiskanal gilt seit den Spielen von München 1972 als Kaderschmiede für deutsche Spitzenkanuten. Auch zwei Augsburger und eine Augsburgerin haben bereits die Goldmedaille gewonnen. Folgt in Tokio die nächste?
Wenn im Juli 2022 die Weltmeisterschaft auf der sanierten Kanuslalom-Anlage am Augsburger Eiskanal über die Bühne geht, werden sich viele Besucher und Besucherinnen an die Anfänge vor dann genau 50 Jahren erinnern: die Olympischen Spiele in München 1972, für die der Eiskanal zur Austragungsstätte der ersten olympischen Wettkämpfe im Kanuslalom in seiner heutigen Form gebaut wurde.
Seitdem gehört der künstliche Seitenarm des Lechs mit seinen tosenden Walzen, wilden Strömungen und tückischen Kehrwassern zu den anspruchsvollsten Kanuslalomstrecken der Welt. Er ist mit dem angeschlossenem Kanuleistungszentrum nicht nur Ausbildungsort und Trainingsstätte der deutschen Nationalteams, sondern auch geschätzte Wettkampfstrecke für die internationale Elite. Und schließlich geliebter Heimatkanal der Mitglieder aller drei ansässigen Vereine: Kanu Schwaben Augsburg, Augsburger Kajak-Verein und Integratives Kanuzentrum Augsburg.
Im Normalfall alle vier Jahre rückt der Eiskanal auch als Kaderschmiede für Olympiateilnehmende in den Blickpunkt, denn in den vergangenen 50 Jahren gab es viele Medaillengewinner und -gewinnerinnen, die sich die Basis für ihren Erfolg am Eiskanal antrainierten. „Nach den Spielen 1972 haben wir mit dem Kanal eine sensationelle Trainingsmöglichkeit bekommen. Dadurch ist der Kanusport in Augsburg erst so richtig in Schwung gekommen. Mit der Strecke ist bei beiden Vereinen – Kanu Schwaben und AKV– ein richtiger Boom ausgelöst worden. Das hat sich grandios entwickelt“, erinnert sich der zweimalige Kajak-Mannschaftsweltmeister Karl-Heinz Englet, der am 28. August 1972 das olympische Feuer am Eiskanal entzündet hatte.
Genau 20 Jahr später bekam die Stadt ihre erste Goldmedaillengewinnerin im Kanuslalom: 1992 holte die damals 26-jährige Augsburgerin Elisabeth Micheler in Barcelona Gold im Kajak Einer. Vier Jahre später gelang Oliver Fix bei den Olympischen Spielen in Atlanta der gleiche Erfolg, 2008 machte Alexander Grimm in Peking das Augsburger Gold-Trio komplett. Alle drei waren oder sind noch immer Mitglied bei Kanu Schwaben Augsburg.
Und mit Thomas Schmidt hat es einen weiteren Olympiasieger für immer nach Augsburg verschlagen. In Sydney 2000 ging er zwar für Bad Kreuznach an den Start, doch mit seiner Familie ist er schon lange in der Fuggerstadt heimisch. Er ist Mitglied bei Kanu Schwaben und Rennleiter bei internationalen Veranstaltungen wie Weltcups oder Weltmeisterschaften.
Mit Sideris Tasiadis gewann ein weiterer Kanu-Schwabe olympisches Edelmetall. 2012 in London gab es Silber für den Canadier-Spezialisten aus Augsburg, Hannes Aigner vom AKV holte im Kajak Einer ebenfalls in London Bronze. Beide Kanuten erleben nach London und Rio nun in Tokio ihre dritten Spiele. Für beide wäre ein Olympiasieg die Krönung ihrer Karriere.
„Aber es ist ein langer Weg bis hin zum Olympiasieg. Da bleiben viele auf der Strecke, bis einer so weit kommt,“berichtet Horst Woppowa, der 39 Jahre die Geschicke von Kanu Schwaben lenkte und alle Augsburger Medaillengewinner von Jugend auf kennt. „Unsere drei Olympiasieger sind als Schüler in unserem Verein aufgewachsen. Da steckt lange harte Arbeit dahinter.“
Über die Jahre hinweg hat sich Woppowa einen Blick dafür angeeignet, beim Nachwuchs zu erkennen, wohin die Karriere steuert: „Man kann durchaus beurteilen, wer international weit kommt. Wir legen keinen großen Wert darauf, ob ein Schüler mit zehn Jahren schon deutscher Meister wird. Kinder, die zu früh erfolgreich sind, hören meistens auf. Das Entscheidende ist der Sprung von der Juniorenin die Aktivenklasse. Da zeigt sich, ob derjenige bei zunehmender Konkurrenz bestehen kann.“So hätte Alexander Grimm bereits mit zwölf Jahren angekündigt, Olympiasieger werden zu wollen. „Darauf hat er hingearbeitet. Das war sein Ziel und daran hat er festgehalten. Er wurde Junioren-Weltmeister und hat dann den Anschluss an die Leistungsklasse geschafft“, beschreibt Woppowa, wie entschlossen und diszipliniert ein Kanute sein muss. Als ein Geheimrezept, erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler hervorzubringen, sieht Karl-Heinz Englet auch die Bemühungen, jedes Jahr große Wettkämpfe an den Eiskanal zu holen, wie etwa die Weltmeisterschaften 1985, 2003 und jetzt wieder 2022. „2003 haben wir mit der WM Maßstäbe gesetzt. In Tokio wird es nun erstmals auch so sein, dass jede der vier Disziplinen an einem eigenen Tag entschieden wird. So hat man an vier Tagen spannende Entscheidungen“, sagt Englet.
Seit 1972 haben die Augsburger Vereine zu allen Olympischen Spielen Aktive geschickt. Früher sei das leichter gewesen, betont Woppowa. Da seien drei Starterinnen und Starter pro Kategorie erlaubt gewesen. Heutzutage kann sich nur mehr ein deutscher Athlet oder eine Athletin pro Bootsklasse qualifizieren. „Da ist es nun ungleich schwieriger, jemanden reinzubringen“, so Woppowa. „Aber man kann sagen, es gibt nahezu keine erfolgreichen Kanuten, die nicht in Augsburg trainiert und auch gelebt haben. Der Erfolg im Kanuslalom geht über Augsburg“, ist Woppowa überzeugt.
Die olympischen Entscheidungen Mo. 26. Juli C1 Männer (mit Sideris Tasia dis, Kanu Schwaben Augsburg)
Di., 27. Juli K1 Frauen (mit Ricarda Funk, Bad Kreuznach)
Do., 29. Juli C1 Frauen (mit Andrea Her
Fr. 30. Juli