Zwangspause für Impfzertifikate in Apotheken
Manipulation bei Verbandsportal bremst bundesweit digitale Impfnachweise aus
Berlin Es ist eine Hiobsbotschaft für hunderttausende Deutsche in der Haupturlaubssaison: Die Apotheken können bis auf Weiteres keine Impfzertifikate für Corona-Impfungen mehr ausstellen. Die Nachfrage ist riesig: Seit dem Start des Angebots und der sogenannten CovPass App haben mehr als zwölf Millionen geimpfte Bürgerinnen und Bürger in den 17 900 teilnehmenden Apotheken sich gegen Vorlage des gelben Papier-Impfausweises digitale Impfnachweise ausstellen lassen. Doch seit Mittwoch steht das nötige Computersystem für die Apotheken in ganz Deutschland still. „Aktuell können über den DAV-Server keine Impfzertifikate ausgestellt werden“, teilte der Deutsche Apothekerverband am Donnerstag mit.
Auslöser waren offenbar Recherchen des Handelsblatts, bei denen die Reporter Manipulationsmöglichkeiten des Systems für gefälschte Impfpässe nachweisen wollten. Der Apothekerverband stoppte nach dem erfolgreichen Manipulationsversuch in Absprache mit dem Gesundheitsministerium das Internetportal für die Ausstellung der Zertifikate. Ohne die in der sogenannten QR-Codes auf den Zertifikaten können Bürger ihren Status als „geimpft“nicht die CovPass App oder die CoronaWarn App übertragen. In diesem Fall bleibt nur der Nachweis über den alten gelben Impfpass.
Die FDP macht CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für das Chaos mitverantwortlich. „Bei rechtzeitigem Handeln durch die Umsetzung eines digitalen Impfpasses, wie es die FDP-Bundestagsfraktion bereits 2019 – lange vor der Pandemie – gefordert hat, wäre der ganze nachträgliche Aufwand nicht nötig gewesen“, sagte die Gesundheitsexpertin
der FDP-Bundestagsfraktion, Christine AschenbergDugnus, unserer Redaktion. „Wir wussten schließlich lange vor der ersten Impfung, dass es zugelassene Impfstoffe und Geimpfte geben wird“, betonte sie. „Wir hätten uns das heutige Chaos und jede Menge Geld sparen können, wenn die Bundesregierung rechtzeitig gehandelt hätte. Es wäre mit weniger Aufwand für den Bürger verbunden und auch sicherer gewesen, wenn schon seit Beginn der Impfkampagne der QR Code direkt hätte übertragen werden können.“
Die Apothekerverbände hatten auf ihrem Apothekenportal nach eigenen Angaben innerhalb kürzester Zeit die technische Infrastruktur aufbauen müssen, damit Apotheken gegen Vorlage des gelben Impfpasses über das Internetportal schnell digitale Impfzertifikate ausstellen können. Das Sicherheitsproblem liegt offenbar bei später erstellten Gastzugängen. Ursprünglich war das Portal nur für Apotheken vorgesehen, deren Inhaberinnen und Inhaber nachweislich Mitglieder in den Landesapothekerverbänden sind. Später habe man aus rechtlichen Gründen einen Gastzugang für Apotheken schaffen müssen, die nicht einem Verband angehören. Insgesamt gehe es um 470 Gastzugänge.
„Das Handelsblatt hat nun mithilfe von professionell gefälschten Dokumenten einen Gastzugang für einen nicht existierenden Apothekeninhaber erzeugt“, erklärte der Apothekerverband. „Dazu wurden eine gefälschte Betriebserlaubnis und ein gefälschter Bescheid des Nacht- und Notdienstfonds vorgelegt.“Unter der gefälschten Apotheken-Identität seien dann zwei Impfzertifikate ausgestellt worden.
Die Journalisten hätten den Verband daraufhin über den erschlichenen Zugang informiert. Der Apothekerverband stoppte daraufhin das Portal, um alle Gastzugänge einer Prüfung zu unterziehen. „Diese hat bis zum heutigen Donnerstagmittag keine Hinweise auf andere unberechtigte Zugänge ergeben, deren Erstellung in betrügerischer Absicht nur mit erheblichem Aufwand und krimineller Energie denkbar ist“, erklärte der Verband, der nun verschärfte Sicherheitsmaßnahmen prüft. „Wann die Ausstellung von Zertifikaten wieder aufgenommen wird, steht noch nicht fest.“
In zahlreichen bayerischen Impfzentren werden die digitalen Impfnachweise direkt nach der zweiten Impfung erzeugt. Beim Impfstoff von Johnson & Johnson reicht dafür eine Einfachimpfung. Arztpraxen stellen dagegen in der Regel nur Einträge in den gelben Impfausweis aus, die in den Apotheken übertragen werden.