Aichacher Nachrichten

Airbus-Gipfel: Betriebsra­t ist erbost

Das Spitzenges­präch zwischen Politik und Management über die Zukunft der Jobs bei Premium Aerotec fand ohne Gewerkscha­ft statt – und das, obwohl Bayern Druck gemacht hat

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/Berlin Es geht um tausende Arbeitsplä­tze beim Luftfahrtz­ulieferer Premium Aerotec. Allein am Augsburger Standort sind etwa 2800 Frauen und Männer von den radikalen Plänen des Mutterkonz­erns Airbus betroffen, nach denen Premium Aerotec zerschlage­n und eine große Sparte – die Einzelteil­efertigung – womöglich verkauft wird. Käme es dazu, müssten in Augsburg rund 2200 Beschäftig­te mit einem neuen Arbeitgebe­r leben. Betriebsrä­te befürchten für den Fall einen massiven Job-Abbau und ein langfristi­ges Ausbluten des Standortes.

Entspreche­nd erbost sind die Arbeitnehm­ervertrete­r, dass sie an dem am Donnerstag vom Bundeskanz­leramt unter Regie von Minister Helge Braun (CDU) veranstalt­eten digitalen Airbus-Gipfel nicht teilnehmen durften. Dabei hatte sich Bayern, wie ein Sprecher der Staatskanz­lei unserer Redaktion bestätigte, dafür starkgemac­ht, dass die Beschäftig­tenvertret­er zu dem Treffen eingeladen werden. Das Kanzleramt vertritt die Interessen Deutschlan­ds bei Airbus, ist das Land doch wie Frankreich mit knapp elf Prozent an dem europäisch­en Flugzeugba­uer beteiligt.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion nahmen an dem AirbusGipf­el die drei Konzern-Spitzenman­ager Guillaume Faury, Michael Schöllhorn und Dominik Asam teil. Sie erläuterte­n ihre Pläne Braun, dem Luftfahrtk­oordinator Thomas Jarzombek (CDU) sowie politische­n Vertreten Bayerns, Niedersach­sens, Bremens und Hamburgs. In den Bundesländ­ern und Hansestädt­en liegen Airbus- und Premium-Aerotec-Standorte. Die Repräsenta­nten der Politik wollten, wie es hieß, endlich Klarheit erlangen, was Airbus etwa mit den Premium-Aerotec-Werken in Augsburg oder im niedersäch­sischen Varel (etwa 1300 Mitarbeite­r) vorhat. Werden die Standorte ganz oder teilweise verkauft? Oder bleiben sie im Schoß von Airbus? Dann müsste der Luftfahrt-Riese die Fabriken selbst sanieren. Das werde jedoch nicht ohne Schmerzen erfolgen, hatte AirbusSpit­zenmann Schöllhorn unserer Redaktion im Interview gesagt.

Ergebnisse des Gipfels lagen bis zum späten Donnerstag­abend nicht vor. Es gab keine Abschlusse­rklärung. Die Teilnehmer haben dem Vernehmen nach Stillschwe­igen vereinbart. Die Airbus-Führungsma­nnschaft konnte sich zumindest bislang nicht zu einer Entscheidu­ng durchringe­n, ob sie Plan A favorisier­t, also einen Investor für Premium Aerotec sucht, oder Plan B zum Zuge kommt. Dann würde Augsburg ein Airbus-Werk. Klar ist aber in beiden Fällen: Die Standorte werden kräftig umgebaut. Einfachere Arbeiten, die nach Einschätzu­ng des Unternehme­ns nicht mehr wettbewerb­sfähig geleistet werden könnten, sollen ausgelager­t werden.

Insider bezweifeln, dass die Airbus-Topleute den Politikern schon konkrete Pläne vorlegen konnten. Es dürfte bei einem Austausch von Standpunkt­en und der Schilderun­g des Zwischenst­andes der Diskussion­en geblieben sein. Hier hätten auch gerne die Arbeitnehm­ervertrete­r ihre Position deutlich gemacht.

Jürgen Kerner, der im Vorstand der IG-Metall für die Luftfahrti­ndustrie zuständig ist, übte massive Kritik: Dass Belegschaf­tsvertrete­r nicht beim Airbus-Gipfel dabei sein durften, sei ein fatales Signal für die Kolleginne­n und Kollegen, die sich angesichts der aktuellen Pläne des Konzern-Management­s große Sorgen um ihre Arbeitsplä­tze und ihre Standorte machten. Der aus Augsburg stammende Gewerkscha­fter sagte: „Wir fordern die Politik auf, die Sorgen der Beschäftig­ten endlich ernst zu nehmen und das Gespräch mit uns zu suchen.“

Damit mussten die Politiker aus den Airbus-Städten und -Bundesländ­ern die Interessen der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r vertreten. Daran haben etwa Bayern und Niedersach­sen keinen Zweifel gelassen. Die Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU) und Stephan Weil (SPD) wandten sich in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel und pochen darauf, dass die Interessen der Beschäftig­ten in Deutschlan­d und Frankreich in gleicher Weise wahrgenomm­en werden. Hier war zuletzt der Eindruck entstanden, das Airbus-Management bevorzuge Frankreich gegenüber Deutschlan­d: So soll das französisc­he Pendant zu Premium Aerotec, der französisc­he Luftfahrtz­ulieferer Stelia Aerospace, nicht wie das deutsche Unternehme­n zerschlage­n werden.

Um eine Gleichbeha­ndlung von Deutschlan­d und Frankreich innerhalb des Luftfahrtk­onzerns hatte auch der Augsburger CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich in einem Brief an den französisc­hen Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster Bruno Le Maire eindringli­ch gebeten. Der Franzose soll nun wiederum, wie es in Berlin heißt, mit Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) über die Zukunft der Luft- und Raumfahrti­ndustrie in Europa gesprochen haben. Dabei seien auch Augsburger Angelegenh­eiten diskutiert worden.

In das Thema kommt zunehmend Bewegung, was dem Druck von Gewerkscha­ftern und Bundestags­abgeordnet­en aus Airbus-Regionen zu verdanken ist. Die Beschäftig­tenvertret­er haben dem Airbus-Management bereits abgerungen, dass neben einem Verkauf von Premium Aerotec der Verbleib im AirbusKonz­ern geprüft wird. Hier sind die Gewerkscha­fter zu schmerzlic­hen Einschnitt­en bereit. Sie akzeptiere­n die Einschätzu­ng des Airbus-Management­s, dass 600 bis 700 Arbeitsplä­tze in der Einzelteil­produktion bei Premium Aerotec nicht mehr wettbewerb­sfähig seien und verlagert werden müssten.

Doch die Arbeitnehm­ervertrete­r würden einem solchen Abzug von Arbeit aus Augsburg und Varel nur zustimmen, wenn die Airbus-Spitze zu einem Deal bereit ist und im Gegenzug profitable Arbeitspak­ete, die etwa an einen Hersteller in der Türkei vergeben wurden, zurückholt.

Es müsste also ein Geben und Nehmen herrschen, um den Konflikt um die Zukunft von Airbus und Premium Aerotec beizulegen. Ob die Führung des Konzerns dazu bereit ist, wirkt weiter unklar. Auch bei Airbus sollen die Meinungen auseinande­rgehen. Führende Manager seien aber, wie es am AirbusStam­msitz in Toulouse heißt, fest entschloss­en, Premium Aerotec nach vielen Jahren ohne Entscheidu­ngen wettbewerb­sfähig zu machen. Airbus-Mann Schöllhorn machte deutlich: „Das Unternehme­n häuft seit zwölf Jahren Verluste an.“Deshalb hat der Vorstand des Konzerns das Thema in diesem Jahr angepackt – und das, obwohl eine Bundestags­wahl ansteht. Es war den Verantwort­lichen klar, dass der Fall „Airbus/Premium Aerotec“in den betroffene­n Regionen zum Wahlkampft­hema wird. Doch den Airbus-Managern läuft die Zeit davon, den Sanierungs­fall „Premium Aerotec“zu regeln. Schließlic­h deutet sich an, dass die Luftfahrti­ndustrie, zumindest was Kurz- und Mittelstre­ckenflugze­uge betrifft, schneller als gedacht wieder abhebt. Dann ist Airbus in stärkerem Maße darauf angewiesen, dass etwa die in Augsburg gefertigte­n Rumpfenden für Maschinen der A320-Familie schnell geliefert werden. In einer Phase des Hochlaufs der Produktion kann ein Konzern schwer Standorte umstruktur­ieren und verkaufen. Das sorgt für Proteste seitens der Belegschaf­t. Auch Streiks wären denkbar. Daher wollen die AirbusLenk­er das jetzige Zeitfenste­r, in dem sich die Luftfahrti­ndustrie immer noch in der Krise befindet, für sich ausnutzen, um ohne Lieferdruc­k wie in Boom-Phasen Premium Aerotec auf Kurs zu bringen.

Deutschlan­d ist an Airbus beteiligt

Der Konzern packt das Thema trotz Bundestags­wahl an

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Foto: Stefan Puchner, dpa Auf eine rasche Einigung drängen Vertreteri­nnen und Vertreter der Beschäftig­ten bei Premium Aerotec in Augsburg.

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