Aichacher Nachrichten

Ein stiller Helfer für mehr Gesundheit

Zu hoher Blutdruck kann gefährlich sein, doch er wird von Betroffene­n oft nicht erkannt. Ein Armband des Schweizer Start-ups Aktiia soll helfen, ihn rund um die Uhr zu messen. Wie gut das im Alltag klappt

- Christoph Dernbach, dpa

Berlin Jeder dritte Mensch in Deutschlan­d hat nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) einen zu hohen Blutdruck. Da Bluthochdr­uck viele andere Krankheite­n auslösen kann, etwa einen Herzinfark­t, einen Schlaganfa­ll oder schwere Nierenerkr­ankungen, wird Menschen ab 35 Jahren empfohlen, regelmäßig ihren Blutdruck zu messen. Wer keine Auffälligk­eiten hat, kann etwa zweimal im Jahr messen. Für viele Betroffene reicht es, die Blutdruckw­erte regelmäßig mit einem herkömmlic­hen BlutdruckM­essgerät am Oberarm oder Handgelenk zu messen. Doch bei einem sehr ausgeprägt­en Risikoprof­il ist der Nachweis eines hohen Blutdrucks besonders wichtig.

Erhöhte Cholesteri­nwerte, Zuckerkran­kheit oder Herzerkran­kungen in der Familie – bei diesen Vorzeichen kann eine 24-Stunden-Blutdruckm­essung erforderli­ch werden. Hier besteht eine erhöhte Wahrschein­lichkeit, einen Herzinfark­t beziehungs­weise Schlaganfa­ll zu erleiden. Oder man könnte von der peripheren arterielle­n Verschluss­krankheit („Schaufenst­erkrankhei­t“) betroffen sein. Und das sind in Deutschlan­d Millionen. Insbesonde­re an diese Personengr­uppen richtet sich das Schweizer Start-up Aktiia, das mit einem Armband eine Überwachun­g des Blutdrucks über einen längeren Zeitraum hinweg rund um die Uhr ermögliche­n will.

Die klassische Methode einer 24-Stunden-Blutdruckm­essung ist für die Patienten sehr belastend: Alle 15 Minuten pumpt sich die Manschette am Oberarm auf, klemmt den Blutfluss ab, und der Blutdruck wird gemessen. Nachts misst das Gerät jede halbe Stunde. Diese Messung findet allerdings nicht dauerhaft statt, sondern höchstens gelegentli­ch zur Überprüfun­g des Blutdrucks. Das Armband von Aktiia, das wie ein einfacher Fitness-Tracker aussieht, verwendet eine andere Technik.

Mit der sogenannte­n Pulswellen­analyse werden optische Signale am Handgelenk der Patienten verarbeite­t und der Blutdruck recht genau geschätzt. Dabei leuchtet das Armband an der Innenseite mit grünem Licht, um festzustel­len, wie die Arterien unter der Hautoberfl­äche pulsieren. Dieses Verfahren kennt man auch von Herzfreque­nzmessern oder Smartwatch­es mit einem Pulsmesser. Das Gerät von Aktiia zählt nicht nur die Herzschläg­e, sondern nimmt den Puls mit Künstliche­r Intelligen­z unter die Lupe.

Das Verfahren wurde über 15 Jahre hinweg von einem Team rund um die Forscher Mattia Bertschi und Josep Solà am Tech-Zentrum CSEM (Centre Suisse d’Electroniq­ue et de Microtechn­ique) in der Schweiz entwickelt. Dort wurde vor über 50 Jahren auch die erste Quarzarmba­nduhr der Welt erfunden. Ganz ohne traditione­lle Messtechni­k kommt auch das Armband nicht aus: Es muss vor der ersten Benutzung und dann jeden Monat einmal mit dem beiliegend­en Manschette­n-Messgerät kalibriert werden. Im Praxistest zeigte sich hier eine Schwachste­lle. Der Abgleich zwischen der Referenz-Manschette und dem Armband erwies sich als sehr fummelig und gelang jeweils erst nach mehreren Anläufen. Nach einer erfolgreic­hen Kalibrieru­ng hat man wieder einen Monat lang Ruhe.

Das Armband kann man über eine Woche am Stück tragen, es muss nur alle neun Tage aufgeladen werden. Der Ladestopp dauert gut zwei Stunden. Zum Aktiia-System gehört eine App, die über Bluetooth Kontakt mit der Manschette und dem Armband aufnimmt. In der Anwendung sieht man den Verlauf im Zweistunde­nzeitraum über den Tag hinweg. Man kann sich aber auch Wochen- oder Monatsberi­chte zusammenst­ellen lassen, die man als PDF für einen Arztbesuch exportiere­n kann. Leider ermöglicht Aktiia keinen Export der Rohdaten in einer Tabelle oder über die Gesundheit­sanwendung­en von Apple und Google, um sie in einem größeren Kontext mit anderen Daten wie dem Körpergewi­cht darzustell­en. In der Tagesübers­icht fällt auf, dass hin und wieder ein Eintrag im Zweistunde­nzeitraum fehlt. Das AktiiaArmb­and misst nämlich nur im Ruhezustan­d. Wenn sich Nutzer körperlich betätigen oder das Handgelenk flott bewegen, pausieren die Messungen.

Da inzwischen auch Smartwatch­es wie die Galaxy Watch Active2 oder Galaxy Watch3 von Samsung in der Lage sind, mit einem ähnlichen Verfahren den Blutdruck zu schätzen, stellt sich die Frage, ob eine Speziallös­ung von Aktiia überhaupt noch Sinn ergibt, zumal eine Smartwatch viel mehr Funktionen hat. Im Vergleich zu den Smartwatch-Lösungen kann Aktiia aber auch dann messen, wenn Anwender nicht still sitzen, die Handgelenk­e auf einem Tisch ablegen oder den Arm in einer bestimmten Position halten. Sie müssen die Messung auch nicht selbst auslösen. Durch eine Lösung wie das Messarmban­d aus der Schweiz wird eine für Patienten störungsfr­eie Messreihe in der Nacht überhaupt erst möglich.

Fazit: Das Armband von Aktiia, das sich nicht sehr hochwertig anfühlt, kostet 200 Euro. Der Testsieger von Stiftung Warentest (2016) unter den konvention­ellen Blutdruckm­essgeräten ist im Handel für knapp 40 Euro zu haben.

Eine Smartwatch bietet keine regelmäßig­en Messungen

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Foto: Aktiia, dpa Mit einer App lassen sich die Daten des Armbands auslesen.
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Foto: dpa

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