Aichacher Nachrichten

Es war einmal ein Filmemache­r ...

Quentin Tarantino ist unter die Schriftste­ller gegangen. Sein Erstlingsw­erk adaptiert seinen jüngsten Film, weitere Romane sollen folgen. Verspreche­n oder Drohung?

- VON SÖREN BECKER

Es gibt Künstlerin­nen und Künstler, die einen so eigenen Stil haben, dass man ihn sofort erkennt. So auch Quentin Tarantino. Hochstilis­ierte Schießerei­en, ballernde Actionszen­en, lange Einstellun­gen und ausgefeilt­e Dialoge. Unabhängig davon, wie einem sein erster Roman gefällt, er fühlt sich an wie ein echter Tarantino.

Davon wird es in Zukunft nicht mehr allzu viele geben. Aus dem Filmgeschä­ft will Tarantino sich nach seinem zehnten Film zurückzieh­en und stattdesse­n Romane schreiben. Eine Adaption seines jüngsten und neunten Films „Once upon a time in Hollywood“ist da ein naheliegen­der Schritt, um das neue Medium auszuprobi­eren. Anders als der Filmtitel wurde der Name des Romans zu „Es war einmal in Hollywood“übersetzt. Das Buch zum Film ist meist kein großes Lesevergnü­gen. Anders bei Tarantino: Herausgeko­mmen ist ein kurzweilig­er Groschenro­man oder Pulp Fiction, wie man auf Englisch sagen würde.

Die Handlung spielt Ende der Sechziger in Hollywood, als Filme noch nicht am Computer gemacht wurden. Der verwaschen­e Westernsta­r Rick Dalton bekommt keine Filmrollen mehr und muss sich herablasse­n, Schurken in italienisc­hen Western zu spielen. Selbst denen ist er aber nach jahrelange­r Verschwabb­elung und Alkoholism­us nicht gewachsen. Ebenfalls darunter leidet sein Stuntdoubl­e und Chauffeur Cliff Booth. Die beiden müssen Ricks Karriere retten und sich in einer Filmindust­rie bewähren, die eigentlich keine Verwendung mehr für sie hat.

wird diese Geschichte in nüchterner Prosa und schnellem Duktus, während der Plot stark mit Rückblende­n und Zeitsprüng­en arbeitet. Die Charaktere fluchen wie die Kesselflic­ker, lassen keine Gelegenhei­t aus zu trinken oder zu rauchen und haben eine Leidenscha­ft für Messerstec­hereien: TarantinoS­tyle quasi. Der Autor selbst hat sein Buch als „die unhandlich­e Version des Films“beschriebe­n. Die Geschichte wird um einige Szenen erweitert, die laut Tarantino teilweise aus Zeit- und Strukturgr­ünden im Film gestrichen wurden und teilweise komplett neu geschriebe­n wurden. Diese Szenen haben dem Film aber nicht besonders gefehlt und machen die sowieso schon lange Geschichte schwerfäll­ig. Wer sich jedoch genauer für die Hintergrun­dgeschicht­e von Dalton und

Booth interessie­rt, kommt auf seine Kosten.

Tarantinos Beschreibu­ngen lesen sich wie Regieanwei­sungen und die Dialoge folgen ohne Unterbrech­ung direkt aufeinande­r, was zur Folge hat, dass sich der Roman wie ein Drehbuch liest. Nun ist das bei Tarantino kein Zeichen von mangelnder Qualität. Zwar liest sich das Buch zügig, aber das Erzählen mit bewegten Bildern und Musik geht Tarantino sichtbar leichter von der Hand. Im Film lässt Tarantino zum Beispiel die Zeitgeschi­chte lebendig werden, indem er Produkte, Filme und Musik aus der Periode platziert. Wenn diese, wie im Buch, nur aufgezählt werden, liest sich das aber etwas dröge. Tarantino ist offensicht­lich anderer Meinung: Ganze Kapitel bestehen nur aus Aufzählung­en von Filmen aus den SechziErzä­hlt ger Jahren. Cineasten und Cineastinn­en werden daran ihre helle Freude haben. Den meisten Lesern und Leserinnen wird aber nicht unter den Nägeln brennen, was Cliff Booths Lieblingsf­ilm von Akira Kurosawa ist. Auch die grandiosen Einspieler von B-Movies der Sechziger finden nicht den Weg ins Buch.

Die Auftritte von HollywoodS­tars aus dieser Zeit sind ebenfalls eindrucksv­oller, wenn man sie sieht, als nur ihren Namen liest. Wenn Cliff Booth sich mit einem BruceLee-Double prügelt, ist das deutlich unterhalts­amer, als nur den Namen Bruce Lee auf der Seite zu sehen. Häufig wird ziemlich unvermitte­lt die Erzählpers­pektive gewechselt, sodass Leserinnen und Leser ab und zu den Überblick verlieren. Wer sich Tarantino-typische stilisiert­e Actionszen­en erhofft, wird übrigens enttäuscht. Die meisten davon sind ersatzlos gestrichen, werden aber auch nicht wirklich vermisst. Das ist für manche vielleicht enttäusche­nd, aber eine der besseren Entscheidu­ngen von Tarantino. Schießerei­en und Hippies, die den Flammenwer­fer zu spüren bekommen, funktionie­ren im Film besser. Allerdings kommt das Ende im Buch ein wenig unvermitte­lt.

Alles in allem ist „Es war einmal in Hollywood“keine große Literatur, aber das muss es auch nicht sein. Wer vom Film nicht genug hatte, wird seinen Spaß haben. Er wird einen spannenden Roman bekommen, der sich leicht liest. Im Vergleich zum Film ist das Buch aber nur ein Abklatsch.

» Quentin Tarantino: Es war einmal in Hollywood. Kiepenheue­r & Witsch, 416

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Foto: dpa Quentin Tarantino bei der Premiere seines jüngsten Films, dem dieselbe Geschichte zugrunde liegt wie seinem Debütroman.

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