Aichacher Nachrichten

Soul aus einer zerrüttete­n Seele

Vor zehn Jahren starb die unvergleic­hliche Sängerin Amy Winehouse. Nun erzählt ihr Freund und Kollege Tyler James aus einem Leben voller Abstürze

- VON JOSEF KARG

London Die Erkenntnis dieses Lebens hat einen bitteren Nachgeschm­ack:

„Es war offensicht­lich, dass auch fünf Grammys zu gewinnen sie nicht glücklich machen konnte, aber was konnte sie glücklich machen? Sie nannte eine Million Mal den Grund, warum sie Drogen nahm und trank: Ein Leben ohne Drogen und Alkohol war langweilig.“

Zehn Jahre nach ihrem Tod erzählt ihr Freund und Kollege Tyler James seine Sicht der Dinge über Amy Winehouse. Das Leben und auch der Tod der unvergleic­hlichen britischen Sängerin sind schon in verschiede­nen Dokumentat­ionen, Filmen und Abhandlung­en verarbeite­t worden. Nun ist ein Buch hinzugekom­men. Es erschien, nicht ganz zufällig, kurz vor ihrem zehnten Todestag an diesem Freitag und heißt: „Meine Amy“.

Es ist eine in Teilen relativ langatmig erzählte Geschichte, die in ihren Details eines Partyleben­s beim Lesen ermüdet. Sie bietet aber durchaus eine neue, nahe Perspektiv­e. Und sie erscheint authentisc­h. Denn James hat die wilden Jahren quasi an ihrer Seite miterlebt. Sein Resümee: „Abgefuckte, depressive Seelen“seien sie beide gewesen. Amy und er. Was immer er auch genau damit meint. Er lässt es offen.

Der heute 39-Jährige besuchte gemeinsam mit Winehouse eine Schauspiel­schule in London, lebte später bei ihr – nicht als Liebhaber, sondern als ihr bester SeelenFreu­nd, wie er es beschreibt. Auch James hatte erhebliche Probleme mit Drogen. Ungeschmin­kt berichtet er, warum das mit Amy, dem Alkohol und dem Heroin auf Dauer nicht gut gehen konnte. Warum sie sich nach der großen Liebe sehnte, aber bei einem Junkie landete, den sie heiratete und der sie mit den harten Drogen erst bekannt machte.

James und Winehouse konsumiert­en aber bereits in jungen Jahren Rauschmitt­el. Wenn es stimmt, was der Autor schreibt, dann sollen schon mit 15, 16 Jahren Schnaps und Marihuana Routine im Leben von Amy Winehouse gewesen sein. James hat das überlebt, sie nicht. Gründe dafür gibt es viele. Zuletzt war es wohl so, dass er den Absprung zurück in die Realität wollte, bei ihr hat man irgendwie das schale Gefühl, sie habe es regelrecht darauf angelegt, Mitglied im mysteriöse­n „Klub 27“zu werden.

Dazu zählt eine Reihe von legendären Musikern, die alle im Alter von 27 Jahren starben. Es begann mit dem Tod von Brian Jones von den Rolling Stones, der 1969 im Drogenraus­ch ertrank. Ihm folgten Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison oder Kurt Cobain. Letztendli­ch waren es Künstler, die in dem von Erfolgsdru­ck getriebene­n Musikgesch­äft in einen Sog aus Drogen und Partys kamen, der sie letztendli­ch erst wieder ausspuckte, als sie tot waren. Geblieben sind Legenden und Stimmen, die noch heute Millionen von Menschen elektrisie­ren. Genau wie die von Amy Winehouse. Sie habe aber im Grunde ihre Popularitä­t nicht genießen können, schreibt James. Bisschen Songs schreiben und feiern, das sei ihre Vorstellun­g von einem glückliche­n Leben gewesen.

Er führt dann auch aus, wie wenig Rücksicht das Management auf ihren labilen Gesundheit­szustand genommen habe. Die Sängerin habe zuletzt nicht mehr auftreten wollen, hatte offenbar regelrecht Panik vor der Bühne. Zur Beruhigung gab es vor den Auftritten Alkohol – ein Teufelskre­is. Den frühen Tod und die Exzesse lediglich dem Druck des Geschäfts zuzuschrei­ben, ist aber auch nur die halbe Wahrheit. Denn die Tragödie begann, wie gesagt, viel früher. Hätte sie überlebt, wenn der Ruhm nicht gewesen wäre? Schwer zu sagen. James meint: ja.

Schon mit 14 hatte Amy Winehouse erste Songs geschriebe­n. Sie rauchte Gras dazu, weil sie glaubte, das sei die natürlichs­te Sache der Welt. 2003 erschien ihr Debütalbum „Frank“. Einer, dem es auffiel, war der ebenso junge wie geniale Musikprodu­zent Mark Ronson. Er nahm mit ihr 2006 ein zweites Album auf: „Back to Black“war ihr Durchbruch. Es sollte beide berühmt machen. Kritiker schrieben Jubelarien. Amy Winehouse erinnerte an die besten Motown-Zeiten. Sie löste eine Welle des Soul aus, die bis heute nicht abgeebbt ist.

Das Produkt Amy Winehouse funktionie­rte. Die auffällige Nestfrisur, der fette Lidstrich, die Tattoos auf dünnen Armen und Beinen. Die Britin hatte schon rein optisch einen hohen Wiederkenn­ungswert. Und dann diese Stimme! „Sie war ein Echo aus windigem Abgrund. Wer sie hörte, wusste, wo Blues und Soul herkommen“, würdigte Die Zeit sie zu Recht.

Doch der Mega-Erfolg war der Anfang von ihrem Ende. Die Sängerin versank in den Strudeln ihrer Drogensuch­t. Ihre Mutter sagte einmal in einem Interview, sie fürchte, ihre Tochter werde innerhalb eines Jahres sterben. „Wir sehen zu, wie sie sich selbst umbringt, ganz langsam.“Öfter mal machte sie Entziehung­skuren. Kaum war sie aber draußen, folgte der nächste Rückfall. Kurz vor ihrem Tod, am 23. Juli 2011, so schreibt James überrasche­nd, sei Amy Winehouse von Heroin und Crack sogar für eine gewisse Zeit weggewesen. „Am Ende sah es sogar ganz gut aus.“

Mit sich und der Welt im Reinen war sie nicht. Bei ihrem Tod stellten die Ermittler einen Blutalkoho­lwert von 4,6 Promille fest.

Zuletzt hatte sie regelrecht Panik vor Konzerten

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Archivfoto: Frantzesco Kangaris, dpa „Es war offensicht­lich, dass auch fünf Grammys zu gewinnen sie nicht glücklich machen konnte, aber was konnte sie glücklich machen?“, schreibt Freund und Kollege Tyler James über die vor zehn Jahren gestorbene Ausnahmesä­ngerin Amy Winehouse.

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