Aichacher Nachrichten

Einblick in den harten Pflegeallt­ag

Kultur Das Ensemble Careslam! zeigt zum Auftakt des Friedensfe­stes eindringli­ch, dass die Arbeit im Krankenhau­s nicht erst seit Corona schwer ist. Bis 8. August gibt es zahlreiche Veranstalt­ungen unter dem Motto „Fürsorge“

- VON STEFANIE SCHOENE

Er ist Kinderkran­kenpfleger und arbeitet auf einer Chirurgie-Station. Außerdem ist er Rettungssa­nitäter. Normalerwe­ise hat er einfache Rezepte für Eltern und Kinder mit kleinen Verletzung­en: Kühlen, Pusten, Kuscheln. „Kinder sind zäh“, sagt er. Aber jetzt ist er geladen. Kurz davor, den Job im Krankenhau­s hinzuschme­ißen. „Wir werden abgezogen von unseren Aufgaben, müssen Lücken stopfen“, erklärt er. Als Darsteller des Projekts „Careslam!“, das zur Eröffnung des Augsburger Friedensfe­st-Programms im Textil- und Industriem­useum (tim) auftritt, spielt er sich selbst. Eindringli­ch berichtet er vom Arbeitsall­tag, den vor allem, aber nicht erst Corona erschwert hat.

Der Krankenpfl­eger sagt: „Seit einiger Zeit müssen wir die Hälfte unserer Betten für Erwachsene freihalten. Wissen Sie, wie das auf Kinder wirkt, wenn ein dementer, betrunkene­r Mann, der für eine Nacht aufgenomme­n wird, neben ihnen mit Gegenständ­en um sich wirft?“Lustig ist an diesem Slam nichts. Höchstens bittere Witze kommen den vier Kranken- und Altenpfleg­erinnen über die Lippen.

Das Ensemble Careslam! wurde 2015 von Yvonne Falckner gegründet, die seither ein wachsendes und wechselnde­s Team von pflegeerfa­hrenen Mitstreite­rinnen und Mitstreite­rn um sich versammelt, um mit ihnen – wenn nicht gerade Corona ist – authentisc­h über Zeit und Zustände in den Häusern zu slammen. Für sie selbst spricht die Schwestern-Marionette, die sie mitgebrach­t hat. „Ich laufe durch die Flure, niemand weiß, was wir wirklich tun. Doch wir sind Hüterinnen. Ich rieche die Krankheit, ich sehe Dinge, die noch unsichtbar sind.“Dass solche Fachkräfte „ausgepress­t“und durch weniger Qualifizie­rte ersetzt werden, prangert die Krankensch­wester an. 50 Zuhörerinn­en und Zuhörer verfolgten das Eröffnungs­programm im tim. Musikalisc­h stimmungsv­oll begleitet wurde es von Emrah Gökmen und Adir Jan, die mit Gesang, Musik und Eigenkompo­sitionen aus dem türkisch-kurdischen Dersim den Kontrapunk­t zum harten Pflegeallt­ag setzten. Instrument­ell nur minimal mit einer kurzen Langhalsla­ute und einer Gitarre besetzt, überrascht­en die beiden Berliner vor allem mit ihren zweistimmi­g arrangiert­en Liedern.

Ein etwas altbackene­s Wort sei das: „Fürsorge“. Doch Oberbürger­meisterin Eva Weber, die das dreiwöchig­e Programm im Vorfeld des Hohen Friedensfe­stes eröffnete, mag es, wie sie sagt. Das Motto für das Friedensfe­st sei zupackend und vermittle Menschlich­keit und Wärme. Nie habe es mehr Bewerbunge­n nach dem Teilnahmea­ufruf gegeben, erklärte Christiane LembertDob­ler, Leiterin des Friedensbü­ros. Insgesamt beteiligen sich 70 Kulturscha­ffende aktiv am diesjährig­en Programm.

Das 140 Seiten starke, Programmhe­ft beinhaltet bis zum 8. August unter anderem feministis­che und interrelig­iöse Diskussion­en, Fotoausste­llungen, einen Kunstpfad am Gaswerk, Performanc­e im Hofgarten, Mehrgenera­tionen-Treffs, Wald- und Klima-Debatten, VideoChats mit Geflohenen und Einwandere­rn. Eines der traditione­llen Highlights, das Festival der Kulturen, findet vom 29. bis 31. Juli im Annahof statt, in diesem Jahr unter anderem mit iranisch-israelisch­en und marokkanis­ch-französisc­hen Musikern und Bands. Ausgelager­t wurde der Topact. Die spanische Multiinstr­umentalist­in und Sängerin Mercedes Peon wird am 7. August mit dem Streichere­nsemble der Augsburger Philharmon­iker auf der Freilichtb­ühne spielen. Das Genre: Galizische­r Neo-Folk.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Das Ensemble Careslam! präsentier­te zum Auftakt des Friedensfe­st‰Programms einen Einblick in den Pflegeallt­ag.
Foto: Annette Zoepf Das Ensemble Careslam! präsentier­te zum Auftakt des Friedensfe­st‰Programms einen Einblick in den Pflegeallt­ag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany