Aichacher Nachrichten

Es ist ein Fest, wieder feiern zu dürfen

Feste waren im Sparkassen-Altenheim selbstvers­tändlich, bis Corona das soziale Leben auf Eis legte. Die älteren Menschen erzählen von Entbehrung­en und davon, wie sich der Neuanfang anfühlt

- VPN MICHAEL EICHHAMMER

Das Wort, das Stefan Link, Leiter des Sparkassen-Altenheims, an diesem Nachmittag am meisten gehört hatte, war: „Endlich.“Ausgesproc­hen wurde es von Bewohnerin­nen und Bewohnern in der Baumgartne­rstraße, die nach eineinhalb Jahren Stillstand des sozialen Lebens ahnten: Dieses Sommerfest wird sich intensiver anfühlen als alle anderen zuvor. „Das Fest war schon den ganzen Tag das Gesprächst­hema Nummer Eins“, berichtet Link. Weil hohe Pflegebedü­rftigkeit hier selten ist, ist das Haus eigentlich ausgericht­et auf gemeinsame Aktivitäte­n und Veranstalt­ungen. „Das hat uns jetzt viel zu lange gefehlt“, findet der Leiter des Heims unter Regie der städtische­n Altenhilfe. Insgesamt hatten sich in der CoronaZeit 50 ältere Menschen und 30 Beschäftig­te mit Covid-19 infiziert. Die Rückkehr zur Normalität vollzog sich in kleinen Schritten: Das übliche Wochenprog­ramm mit Bingo, Malgruppe, Gedächtnis­training, Bewegungsü­bungen und Co fand lange nur in kleinen Gruppen statt.

„Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, erinnert sich Liselotte Rölle (76) an ihre Reaktion auf die Nachricht, dass das Sommerfest wieder stattfinde­n werde. Eineinhalb Jahre hatten die Bewohner darauf warten müssen, dass das Leben, wie sie es kannten und schätzten, wieder weitergeht. Das musste gefeiert werden! Unter anderem mit Livemusik der Band „Die Ricardos“. Wie gut die Hauskapell­e ankam, wurde spätestens deutlich, als ein Bewohner und eine Pflegerin spontan zu den Klängen von „Marina“tanzten. Etwa hundert Bewohner des Heims genossen Musik, Geselligke­it, Speis und Trank und die Sonne, die es gut mit ihnen meinte. „Es ist höchste Zeit, dass endlich wieder etwas los ist“, sagte auch Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg zum Auftakt des Events.

„Wir hatten zuvor immer gern ´Mensch, ärgere dich nicht´ gespielt, das ging plötzlich nicht mehr“, erinnert sich Margret Baur (82) an den Lockdown. „Das Schlimmste war das Alleinsein“, ergänzt Michael Lurz. Im Januar hat der 94-Jährige seine Frau verloren, sie starb in Verbindung mit dem Corona-Virus. Lurz selbst war zwei Mal infiziert. Bis zu ihrem Tod lebten beide in einem Doppelzimm­er. „Ohne Ansprache im Zimmer zu sitzen war furchtbar“, stimmt Maria Götz zu. Ihre Kinder, 68 und 70 Jahre alt, durften die 91-Jährige lange Zeit nicht besuchen, ebenso wenig die drei Enkel und sieben Großenkel. Auch für die Seniorin ist das Fest ein Symbol der Befreiung. „Wir freuen uns riesig, dass so etwas wieder stattfinde­t“, sagt sie lächelnd. „Es ist schön, dass wir alle wieder zusammen sein können“, findet auch Ralf Obermüller, der mit 65 Jahren zu den Jüngsten im Sparkassen-Altenheim gehört.

An diesem Tag gibt es allerdings noch jüngere Besucher: Sportakrob­aten und -akrobatinn­en des TSV Friedberg im Alter von sechs bis elf Jahren zeigen ihr Können. Spartenlei­ter Felix Hohmann macht darauf aufmerksam, dass es nicht nur für die Älteren endlich wieder weiter geht, sondern auch für die Kinder: „Auch die Kleinen hatten eineinhalb Jahre Pause“, so der Sporttrain­er. „Dass jemand anderes als Mama und Papa zuschauen und dass es Applaus gibt, das ist für die Kinder ein Riesenerle­bnis.“

„Man musste sich in der Zeit selbst beschäftig­en“, erinnert sich Inge Baudi an die Zeit des Lockdowns und Besuchsver­bots. Neben Büchern und Fernsehen halfen der 78-Jährigen Spaziergän­ge im Siebentisc­hwald gegen den Lagerkolle­r. „Der Siebentisc­hwald liegt für uns sehr günstig, das war immer ein Erlebnis und Erholung“, stimmt Manfred Köhler (82) zu. „Wir hoffen alle, dass die Zeit der Entbehrung­en nie mehr wiederkomm­t.“Ruth Wörner berichtet: „Alles was das Haus ausmachte, war plötzlich weg.“Unter anderem die von ihr geliebte Malgruppe. Das Unangenehm­ste für sie war, Ostern und Weihnachte­n zum ersten Mal ohne ihre Tochter erleben zu müssen. „Wir haben telefonier­t, aber das ist etwas ganz anderes“, sagt die 75-Jährige. Das Sommerfest markiert wohl für alle Beteiligte­n viel mehr als nur ein Outdoor-Event im Garten des Altenheims.

Es ist ein symbolisch­er Befreiungs­schlag aus den Klauen der Pandemie. Nur eines erinnert daran, dass die Pandemie noch nicht ganz vorbei ist: „Der kleine Wermutstro­pfen ist, dass diesmal keine externen Gäste mitfeiern dürfen“, erklärt Heimleiter Stefan Link. Von den Angehörige­n erlebt er für diese Vorsichtsm­aßnahme nur verständni­svolle Reaktionen. Die Freude überwiegt: „Das heute ist ein echter Neuanfang.“

 ?? Fotos: Michael Eichhammer ?? Inge Baudi, Manfred Köhler, Ruth Wörner, Ursula Weidinger und Liselotte Rölle (von links) sind glücklich, dass wieder gefeiert werden darf.
Fotos: Michael Eichhammer Inge Baudi, Manfred Köhler, Ruth Wörner, Ursula Weidinger und Liselotte Rölle (von links) sind glücklich, dass wieder gefeiert werden darf.
 ??  ?? Auch ein Tänzchen in Ehren war beim Sommerfest im Sparkassen‰Altenheim in Augs‰ burg erlaubt.
Auch ein Tänzchen in Ehren war beim Sommerfest im Sparkassen‰Altenheim in Augs‰ burg erlaubt.
 ??  ?? Die jungen Sportakrob­atinnen und ‰akrobaten des TSV Friedberg boten im Garten des Sparkassen‰Altenheims eine tolle Show.
Die jungen Sportakrob­atinnen und ‰akrobaten des TSV Friedberg boten im Garten des Sparkassen‰Altenheims eine tolle Show.

Newspapers in German

Newspapers from Germany