Es ist ein Fest, wieder feiern zu dürfen
Feste waren im Sparkassen-Altenheim selbstverständlich, bis Corona das soziale Leben auf Eis legte. Die älteren Menschen erzählen von Entbehrungen und davon, wie sich der Neuanfang anfühlt
Das Wort, das Stefan Link, Leiter des Sparkassen-Altenheims, an diesem Nachmittag am meisten gehört hatte, war: „Endlich.“Ausgesprochen wurde es von Bewohnerinnen und Bewohnern in der Baumgartnerstraße, die nach eineinhalb Jahren Stillstand des sozialen Lebens ahnten: Dieses Sommerfest wird sich intensiver anfühlen als alle anderen zuvor. „Das Fest war schon den ganzen Tag das Gesprächsthema Nummer Eins“, berichtet Link. Weil hohe Pflegebedürftigkeit hier selten ist, ist das Haus eigentlich ausgerichtet auf gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen. „Das hat uns jetzt viel zu lange gefehlt“, findet der Leiter des Heims unter Regie der städtischen Altenhilfe. Insgesamt hatten sich in der CoronaZeit 50 ältere Menschen und 30 Beschäftigte mit Covid-19 infiziert. Die Rückkehr zur Normalität vollzog sich in kleinen Schritten: Das übliche Wochenprogramm mit Bingo, Malgruppe, Gedächtnistraining, Bewegungsübungen und Co fand lange nur in kleinen Gruppen statt.
„Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, erinnert sich Liselotte Rölle (76) an ihre Reaktion auf die Nachricht, dass das Sommerfest wieder stattfinden werde. Eineinhalb Jahre hatten die Bewohner darauf warten müssen, dass das Leben, wie sie es kannten und schätzten, wieder weitergeht. Das musste gefeiert werden! Unter anderem mit Livemusik der Band „Die Ricardos“. Wie gut die Hauskapelle ankam, wurde spätestens deutlich, als ein Bewohner und eine Pflegerin spontan zu den Klängen von „Marina“tanzten. Etwa hundert Bewohner des Heims genossen Musik, Geselligkeit, Speis und Trank und die Sonne, die es gut mit ihnen meinte. „Es ist höchste Zeit, dass endlich wieder etwas los ist“, sagte auch Sozialreferent Martin Schenkelberg zum Auftakt des Events.
„Wir hatten zuvor immer gern ´Mensch, ärgere dich nicht´ gespielt, das ging plötzlich nicht mehr“, erinnert sich Margret Baur (82) an den Lockdown. „Das Schlimmste war das Alleinsein“, ergänzt Michael Lurz. Im Januar hat der 94-Jährige seine Frau verloren, sie starb in Verbindung mit dem Corona-Virus. Lurz selbst war zwei Mal infiziert. Bis zu ihrem Tod lebten beide in einem Doppelzimmer. „Ohne Ansprache im Zimmer zu sitzen war furchtbar“, stimmt Maria Götz zu. Ihre Kinder, 68 und 70 Jahre alt, durften die 91-Jährige lange Zeit nicht besuchen, ebenso wenig die drei Enkel und sieben Großenkel. Auch für die Seniorin ist das Fest ein Symbol der Befreiung. „Wir freuen uns riesig, dass so etwas wieder stattfindet“, sagt sie lächelnd. „Es ist schön, dass wir alle wieder zusammen sein können“, findet auch Ralf Obermüller, der mit 65 Jahren zu den Jüngsten im Sparkassen-Altenheim gehört.
An diesem Tag gibt es allerdings noch jüngere Besucher: Sportakrobaten und -akrobatinnen des TSV Friedberg im Alter von sechs bis elf Jahren zeigen ihr Können. Spartenleiter Felix Hohmann macht darauf aufmerksam, dass es nicht nur für die Älteren endlich wieder weiter geht, sondern auch für die Kinder: „Auch die Kleinen hatten eineinhalb Jahre Pause“, so der Sporttrainer. „Dass jemand anderes als Mama und Papa zuschauen und dass es Applaus gibt, das ist für die Kinder ein Riesenerlebnis.“
„Man musste sich in der Zeit selbst beschäftigen“, erinnert sich Inge Baudi an die Zeit des Lockdowns und Besuchsverbots. Neben Büchern und Fernsehen halfen der 78-Jährigen Spaziergänge im Siebentischwald gegen den Lagerkoller. „Der Siebentischwald liegt für uns sehr günstig, das war immer ein Erlebnis und Erholung“, stimmt Manfred Köhler (82) zu. „Wir hoffen alle, dass die Zeit der Entbehrungen nie mehr wiederkommt.“Ruth Wörner berichtet: „Alles was das Haus ausmachte, war plötzlich weg.“Unter anderem die von ihr geliebte Malgruppe. Das Unangenehmste für sie war, Ostern und Weihnachten zum ersten Mal ohne ihre Tochter erleben zu müssen. „Wir haben telefoniert, aber das ist etwas ganz anderes“, sagt die 75-Jährige. Das Sommerfest markiert wohl für alle Beteiligten viel mehr als nur ein Outdoor-Event im Garten des Altenheims.
Es ist ein symbolischer Befreiungsschlag aus den Klauen der Pandemie. Nur eines erinnert daran, dass die Pandemie noch nicht ganz vorbei ist: „Der kleine Wermutstropfen ist, dass diesmal keine externen Gäste mitfeiern dürfen“, erklärt Heimleiter Stefan Link. Von den Angehörigen erlebt er für diese Vorsichtsmaßnahme nur verständnisvolle Reaktionen. Die Freude überwiegt: „Das heute ist ein echter Neuanfang.“