Stadtrat stimmt Vertrag mit FahrradBündnis zu
Die Einigung zwischen der Stadt und dem Bürgerbegehren ist unter Dach und Fach. Nur fünf Ratsmitglieder waren dagegen. Doch alle rechtlichen Risiken sind damit noch nicht ausgeräumt
Augsburg muss nun deutlich mehr für den Radverkehr tun: Der Vertrag zwischen dem Aktionsbündnis „Fahrradstadt jetzt“und der Stadt ist am Donnerstag im Stadtrat unterzeichnet worden. Mit der Vereinbarung wird ein Bürgerentscheid hinfällig. In dem Papier verpflichtet sich die Stadt, Radwege auszubauen, Tempo 30 in einigen Straßen einzuführen und mehr Radstellplätze zu schaffen. Zudem sollen im erweiterten Innenstadtbereich mindestens 550 Autoparkplätze wegfallen. Der Stadtrat stimmte der Einigung zwar gegen Stimmen von AfD und Stadtrat Peter Grab (WSA) zu, allerdings gab es lange Diskussionen zur Frage, ob damit ein Bürgerentscheid endgültig vom Tisch ist. Es bestehe ein gewisses rechtliches Risiko, räumte Stadtdirektor Thomas Schmidt-Tancredi ein.
Denn von den drei Initiatoren des Radbegehrens hatte sich einer, Jens Wunderwald, kurz nach der Einigung überraschend gegen den Vertrag ausgesprochen. Er will das Begehren nicht zurückziehen, sondern würde die gesammelten Unterschriften lieber einreichen. Das wäre rechtlich wohl auch ohne die Mitstreiter möglich, allerdings müsste er die Unterschriftenlisten dafür haben. In einem ersten Schritt müsste Wunderwald bei seinen früheren Mitstreitern auf die Herausgabe der Listen klagen. Wunderwald, der die Sitzung als Zuschauer verfolgte, sagte, dass er sich diese Möglichkeit offen halte. Noch habe er darüber nicht entschieden. Sollte Wunderwald tatsächlich einreichen, könnte die Stadt sich die Inhalte des Begehrens zu eigen machen oder ein Ratsbegehren dagegensetzen, so Schmidt-Tancredi.
Aus der Opposition wurde Kritik an den Verhandlungen laut, die hinter verschlossenen Türen stattgefunden hatten und an denen CSU und Grüne beteiligt waren. Man habe andere Fraktionen außen vor gelassen, so Beate Schabert-Zeidler, Fraktionsvorsitzende der Bürgerlichen Mitte. „Wenn nicht nur die Grünen mit der CSU am Tisch gesessen wären, sondern auch andere mitreden hätten dürfen, wäre mehr drin gewesen“, so SozialfraktionsChef Florian Freund (SPD).
Er erinnerte auch daran, dass die CSU im Gegensatz zu anderen Parteien das Radbegehren während des Wahlkampfs nicht unterstützt hatte. Vieles in dem Vertrag sei ohnehin schon auf dem Weg gewesen. „Und bei den 550 Parkplätzen muss man dazu sagen, dass hier die Parkplätze, die im Zuge des Baus der Linie 5 wegfallen sollen, inbegriffen sind. Das wird noch Ärger mit den Betroffenen im Rosenau- und Thelottviertel geben, und Sie versuchen jetzt, das dem Begehren in die Schuhe zu schieben“, so Freund in RichStadtspitze. Bruno Marcon („Augsburg in Bürgerhand“) sagte, das Vorgehen entspreche „nicht den demokratischen Grundregeln“. Markus Striedl (AfD) merkte an, dass die Initiative Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt habe und nicht für Verhandlungen im Hinterzimmer.
Stadtspitze und Regierungskoalition konterten. Nicht jedes Begehren eigne sich dafür, über Verhandlungen aus der Welt geschafft zu werden, so Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU). Allerdings sei das Radbegehren aus rechtlichen Gründen ziemlich abstrakt formuliert gewesen. „Ich bin ein Fan davon, meine Energie lieber in Projekte als in Diskussionen zu stecken“, so Weber. Man habe die Forderungen des Begehrens nun mit konkreten Projekten verbunden. Auch Schwarz-Grün verteidigte das Vorgehen. CSU-Fraktionschef Leo Dietz sagte, die Gespräche von Schwarz-Grün mit den Fahrradaktivisten seien nötig gewesen, um abzuklopfen, ob der Vertragsentwurf eine Mehrheit im Stadtrat bekommen könne. Grünen-Fraktionschefin Verena von Mutius-Bartholy sagte, allen Parteien habe es freigestanden, ebenfalls mit den Initiatoren das Gespräch zu suchen.
Inhaltlich begrüßten Regierungsparteien und weite Teile der Opposition die Einigung. Allerdings wurde auch deutlich, dass die Koalitionspartner sich dem Thema aus untung terschiedlichen Richtungen annähern und dies – womöglich im Hinblick auf die eigene Wählerschaft – auch ansprechen. Früher sei das Fahrrad bei der Verkehrsplanung nebenher gelaufen, künftig stehe es im Zentrum bei Um- und Neuplanungen, so Grünen-Stadtrat Deniz Anan. „Bei meiner ersten Fahrraddemo 1991 wäre es nie möglich gewesen, dass 550 Parkplätze wegfallen.“Die Einigung trage die Handschrift der Grünen – und Umverteilung von Straßenraum bedeute, einem Verkehrsmittel mehr Platz zu geben, dem anderen weniger. Die CSU will die Einigung hingegen nicht als Anti-Auto-Vertrag verstanden wissen. „Wir nehmen dem Auto nichts weg und machen es nicht madig“, so Stadtrat Matthias Fink. Die Bürger sollten selbst entscheiden können, welches Verkehrsmittel sie wählen. „Es ist völlig falsch, hier von einem Kampf gegen das Auto zu reden. Unsere Ziele sind ambitioniert, aber nicht radikal.“
Grundsatzkritik kam von der AfD. „Das ist eine typische Augsburger Entscheidung: Die Zahl der Autos in der Stadt wächst, und wir nehmen Parkplätze weg“, so Markus Striedl. Das werde den Bedürfnissen der Bürger nicht gerecht. Abgesehen davon werde eine Förderung des Radverkehrs natürlich dazu führen, dass weniger Platz für Autos da sei. Von Gleichberechtigung könne keine Rede sein.