Wie laut darf das StrandkorbOpenAir sein?
Anwohner rufen wegen des Festivals in Augsburg regelmäßig die Polizei – wegen Ruhestörung. Der Konzertveranstalter dagegen fürchtet um sein Geschäft und die Jobs von 80 Menschen
Misstöne beim Strandkorb-OpenAir auf dem Messegelände: Während die Gäste von Künstlerinnen und Künstlern wie Doro Pesch, Revolverheld, Fritz Kalkbrenner oder Jan Delay begeistert sind, reagieren Anwohner in den umliegenden Vierteln zunehmend genervt auf die abendliche Beschallung. Die Polizei muss regelmäßig Beschwerden wegen Ruhestörung nachgehen. Die Veranstalter haben jetzt reagiert und in Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt der Stadt die Lautstärke der Konzerte nach unten geregelt. Und sie bitten die Nachbarn um Verständnis für die Künstler und die Crew, die nach eineinhalb Jahren faktischem Bühnenverbot wieder ihrer Profession nachgehen wollen.
„Ich war wirklich geschockt, als ich von den ersten Beschwerden gehört habe“, sagt der Veranstalter des Open Airs, Manfred Hertlein. Es sei normal, dass es bei jedem Konzert einzelne Nörgler gebe, aber die Heftigkeit der Beschwerden in Augsburg habe ihn getroffen. Eineinhalb Jahre lang hätten nicht nur die Künstler auf ihre Auftritte verzichten müssen. „Hinter jeder Show steckt ein großes Team, das die Auftritte erst möglich macht“, weiß der Veranstalter. Menschen, die als Selbstständige oder Angestellte bis zuletzt ihrem Beruf nicht mehr nachgehen konnten.
„Wir wollten mit dem Strandkorb-Open-Air so etwas wie einen Neustart für die Kultur und die Kulturschaffenden hinlegen“, betont er. Dass jetzt regelmäßig die Polizei auf dem Platz steht und mit dem Abbruch der Konzerte drohe, mache ihm schwer zu schaffen. „Ich hoffe einfach auf etwas Verständnis – von der Stadt, aber auch von den Nachbarn“, sagt der Veranstalter.
Rund 80 Menschen arbeiten an einem Konzertabend auf dem Platz, die meisten von ihnen im Hintergrund, sagt der Produktionsleiter des Open Airs, Marc Lemgen. Am Donnerstagnachmittag versammeln sie sich alle, als eine Art Mahnung, auf der Festivalbühne. Neben den Künstlern gibt es unter anderem Ton- und Lichttechniker, Bühnenbauer und Sicherheitsleute, um nur einige wenige Menschen zu nennen, die mit Konzerten ihren Lebensunterhalt verdienen. „Dazu kommen beispielsweise die Mitarbeiter im Backstage-Catering und der Besuchergastronomie“, führt er weiter aus. Einer von ihnen ist Fadi Abdelghani. Der Veranstaltungstechniker verkabelt die Instrumente der Techniker und ist für Arbeiten im Hintergrund zuständig. „Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich ich bin, wieder arbeiten zu dürfen“, sagt der Techniker. Im Lockdown sei er zur völligen Untätigkeit gezwungen gewesen. „Der Beruf ist mein Leben – 24 Stunden daheim zu sitzen und nichts Vernünftiges zu tun zu haben, war furchtbar“, erzählt er.
Nach den Beschwerden habe man zusammen mit der Ordnungsbehörde noch mal am Schallschutz-Konzept gearbeitet, sagt Marc Lemgen. „Wir werden bei den kommenden Konzerten den Ton leiser drehen“, verspricht er den Anwohnern. Doch auch er wirbt um Verständnis. „Ohne Konzertveranstaltungen stirbt die Kultur aus“, ist er überzeugt. Schon jetzt sei ein großer Teil professionellen Bühnenhelfer in andere Jobs abgewandert.
Anwohnerinnen und Anwohner im Univiertel und in der näheren Umgebung der Messe sind dagegen von der lauten Musik genervt. Günther Schulz versteht nicht, wie die Stadt eine derartige Musikveranstaltung in der Nähe von Wohnbebauung genehmigen konnte. „Wenn man Musik hören will, mag das in Ordnung sein, aber wir sind gezwungen, Musik zu hören“, sagt er. Der Schall breite sich im gesamten Wohngebiet bis zur BürgermeisterUlrich-Straße und zur Volkssiedlung aus. „Die Lautsprecher sind genau in Richtung dieser Wohngebiete gerichtet und die Reflexionen der Häuserwände verstärken die ohnehin schon sehr laute Musik noch mehr“, findet er. „Ich kann ja nachvollziehen, dass die jungen Leute laute Musik hören möchten – wir haben früher die Beatles oder die Rolling Stones ja auch laut gehört“, sagt der Anwohner.
Aber die Anwohner könnten ihre Terrassen und Balkone während der
Konzerte nicht ohne Störung und Lärmbelästigung nutzen und müssten die Fenster schließen, wenn sie beispielsweise klassische Musik hören möchten. „Und das geht ja schon nachmittags mit dem Soundcheck los“, gibt Schulz zu bedenken.
Die Polizei ist regelmäßig mit dem Strandkorb-Open-Air befasst. Seit Beginn des Festivals Anfang Juli wurden die Beamtinnen und Beamten an drei Tagen von Anwohnern, die teilweise mehrere Kilometer weg wohnten, verständigt, teilt die Pressestelle auf Anfrage mit. An zwei Abenden seien jeweils mehrere Mitteilungen eingegangen. Man habe dann die Einhaltung der Auflagen vor Ort geprüft und keine Verstöße festgestellt, so die Polizei. Dazu schauten sich die Polizisten die Messprotokolle des Veranstalters, die eine Auflage der Stadt sind, an. „Bei der letzten Überprüfung hat der Veranstalter die auftretenden Künstler, trotz Einhaltung der Auflagen, dazu angehalten, die Lautstärke zu reduzieren und insbesonder dere den Bass herunterzudrehen“, so die Polizei. Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) sagt, man sei Anwohnerbeschwerden unmittelbar nachgegangen. „Die Veranstaltung wurde – wie üblich – unter Auflagen genehmigt und ein wichtiger Punkt dieser Auflagen sind die gesetzlich vorgegebenen Immissionsschutzwerte“, so Pintsch. Lärmschutz für die Bevölkerung sei ein elementares Anliegen und müsse beachtet werden. Man gehe den Beschwerden gewissenhaft nach und habe die Messprotokolle bezüglich der Lautstärke angefordert. „Unabhängig davon hat die Ordnungsbehörde zusammen mit der Immissionsschutzabteilung des Umweltamtes Messungen vor Ort zusammen mit dem Veranstalter durchgeführt und die Lautstärke reduzieren lassen“, so der Ordnungsreferent. Es sei jedoch möglich, dass die Musik auch bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben auch in weiterer Entfernung zu hören ist. Unter anderem die Windrichtung spiele dabei eine Rolle, so Pintsch.