Aichacher Nachrichten

Neben Kabelrolle­n darf der Igel wohnen

Der Energiever­sorger LEW sorgt für mehr Artenvielf­alt. Grüne Inseln am großen Betriebsge­lände in Augsburg-Oberhausen geben Wildtieren Lebensraum. Auch eine Initiative von Siedlern soll mehr Blühwiesen bringen

- VON EVA MARIA KNAB

Igel wohnen neben großen Kabeltromm­eln, Bienen tanken Blütennekt­ar neben einer Ladestatio­n für E-Autos. Auch viele andere Wildtiere dürfen sich nun auf einem großen Firmengelä­nde im Augsburger Stadtteil Oberhausen einnisten und ausbreiten. Der Energiever­sorger Lechwerke (LEW) hat auf seinem Betriebsst­andort an der Stuttgarte­r Straße neue Lebensräum­e für bedrohte Arten angelegt. Dafür hat man sich einen bekannten Experten aus Augsburg ins Haus geholt. Man hat Mitarbeite­r zum Mitmachen motiviert. „Wir wollen zeigen, was man im gewerblich­en Umfeld für die heimische Flora und Fauna tun kann“, sagt Pressespre­cher Ingo Butters.

Gleich am Eingang zum LEWGelände steht jetzt ein Insektenho­tel mit einem großen Wurzelstoc­k davor und darunter verschiede­nen Böden. Die Rote Mauerbiene hat sich einquartie­rt. Sie hat Pollen und Eier abgelegt und danach die Löcher mit Lehm verschloss­en. „Mit dem Insektenho­tel ahmen wir die Spechtlöch­er in Bäumen nach, die Wildbienen zum Nisten brauchen“, sagt Benjamin Vogt. Der Chef der Augsburger CityFarm ist ein Spezialist für solche Projekte. Auf seinem gemeinscha­ftlich bewirtscha­fteten ökologisch­en Minibauern­hof in Oberhausen kümmert er sich um vom Aussterben bedrohte heimische Tier- und Pflanzenar­ten. Seit Neuestem ist Vogt auch LEWMitarbe­iter und dort für Umweltschu­tz und Arbeitssic­herheit zuständig.

Unter seiner Regie wird seit diesem Jahr der Betriebsst­andort an der Stuttgarte­r Straße an jeder Ecke, wo es irgendwie machbar ist, ökologisch aufgewerte­t. Geschehen ist einiges: Auf dem Dach der begrünten Heizzentra­le stehen Bienenstöc­ke. Viele Bienen summen ein Stück weiter neben einer Ladesäule für E-Autos herum. Dort haben Insekten eine Nektar-Tankstelle in Form einer Blühfläche bekommen. 32 verschiede­ne Pflanzenar­ten sollen garantiere­n, dass die Nahrung nie ausgeht. „Darunter sind Pflanzen, die extreme Wettererei­gnisse wie Hitze oder Kälte überstehen“, erklärt Vogt.

Neben dem großen geteerten Lagerplatz für Kabelrolle­n gibt es nun eine grüne Ecke, die verwildern darf. Büsche, Bäume, Totholz, Sand und Steine sorgen dafür, dass sich dort Käfer und kleine Reptilien wohlfühlen. Zauneidech­sen haben Löcher in den Sand gegraben, um ihre Eier abzulegen. Nebenan gibt es ein Wohnhaus für Igel. Nistkästen für verschiede­ne Vogelarten sollen noch hinzukomme­n. Auch Menschen profitiere­n von dieser Mini-Wildnis. LKW-Fahrer der Lechwerke haben dort in Pausen ihren Lieblingsr­astplatz.

Etliche LEW-Mitarbeite­r sind inzwischen selbst zu Artenschüt­zern geworden. Azubis in der Stuttgarte­r Straße haben mitgeholfe­n, neben dem Schulungsg­ebäude einen Blühstreif­en für Schmetterl­inge anzulegen. Köche, Küchenmita­rbeiter und -mitarbeite­rinnen betreuen die neue Neben üblichen Küchenkräu­tern wie Petersilie wächst dort auch weniger Bekanntes wie Anis-Ysop oder Colakraut. „Es ist ein Glücksfall, dass wir Benjamin Vogt haben, er bringt noch mal einen Push“, sagt Karin Frank von LEW. Sie koordinier­t im Unternehme­n den Artenschut­z mit zahlreiche­n Projekten im gesamten Versorgung­sbereich, der von Schwaben bis ins angrenzend­e Oberbayern reicht.

Insgesamt hat die LEW-Gruppe mehr als 800 Hektar bebaute und unbebaute Flächen. Zusammenge­nommen sind sie etwa so groß wie eine dörfliche Gemeinde. Auf den Grundstück­en stehen nicht nur Büros und Betriebsst­ätten, sondern auch Umspannwer­ke, Solarparks oder Wasserkraf­twerke. Überall dort sollen zusammen mit Partnern aus Naturschut­z und Landschaft­spflege passende Artenschut­zkonzepte forciert werden. Einiges ist bereits umgesetzt, etwa eine 5000 Quadratmet­er große Blühwiese zwischen Augsburg und Gersthofen. Anderes wird gerade ausprobier­t. Am Umspannwer­k in Neu-Ulm darf eine häufig gemähte Wiese jetzt wachsen.

Nicht nur bei den Lechwerken in Oberhausen, auch in anderen Bereichen Augsburgs gibt es neue Projekte, die dem großen Insektenst­erben etwas entgegense­tzen sollen. Ein spannendes Vorhaben zeichnet sich in der Schafweids­iedlung ab. Nicolas Liebig vom Landschaft­spflegever­band sagt, dass mindestens 20 Hausbesitz­er und Hausbesitz­erinnen dort ihren Garten insektenfr­eundlich gestalten wollen. Das Bayerische Artenschut­zzentrum habe signalisie­rt, die Gemeinscha­ftsaktion wissenscha­ftlich zu begleiten. „Wenn das Pilotproje­kt funktionie­rt, wäre das ein tolles Vorbild für andere Siedlergem­einschafte­n“, meint Liebig. In dieser Form könne man große Teile der Stadtgesel­lschaft für den Insektenun­d Artenschut­z sensibilis­ieren.

Seit 2019 hat die städtische Landschaft­spflege zusammen mit öffentliKr­äuterspira­le. chen und privaten Partnern rund 27 Hektar Blühwiesen in Augsburg angelegt. Das ist eine Fläche, die rund ein Drittel größer ist als der Kuhsee. Liebig klagt jedoch, die staatliche Projektför­derung sei zu früh ausgelaufe­n. Mit mehr personelle­n Kapazitäte­n und der Möglichkei­t, noch mindestens drei Jahre weiterzuar­beiten, könnte man aus seiner Sicht in Augsburg noch mehr für den Insektensc­hutz bewegen: „Wir spüren eine große Bereitscha­ft mitzumache­n und sich zu engagieren, sowohl in der Bevölkerun­g als auch bei Betrieben, in Sportverei­nen oder in Siedlergem­einschafte­n.“Über einen Sponsor kann derzeit noch Insekten-Rangerin Tine Klink finanziert werden. Sie wird häufig von Privatpers­onen, Kindergärt­en, Schulen und Firmen zur Beratung angefragt. „Wir hoffen sehr, dass wir Frau Klink über einen deutlich längeren Zeitraum als Mai 2022 beschäftig­en können, denn zu tun gäbe es genug“, sagt Liebig.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Neben einem Lagerplatz für Kabelrolle­n der Lechwerke in Augsburg‰Oberhausen darf sich Natur frei entwickeln. Karin Frank von LEW und Benjamin Vogt von der CityFarm wissen, welche Tiere dort leben.
Foto: Michael Hochgemuth Neben einem Lagerplatz für Kabelrolle­n der Lechwerke in Augsburg‰Oberhausen darf sich Natur frei entwickeln. Karin Frank von LEW und Benjamin Vogt von der CityFarm wissen, welche Tiere dort leben.

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