Sibylla kommt unter die Haube
Die Schau „Stiften gehen!“zeigt Jakob Fuggers Hochzeitsbildnis von Hans Burgkmair dem Älteren. Die eheliche Verbindung war eine Win-win-Entscheidung für beide. Die Frage bleibt: Wie viel Liebe war im Spiel?
Die jüngste Ausstellung „Stiften gehen!“im Maximilianmuseum zu besuchen, lohnt aus vier übergeordneten Gründen: Sie beleuchtet Lokalgeschichte ebenso wie städtische Sozialpolitik; und dazu bietet sie noch kulturhistorische Einordnung, nämlich anhand bedeutender kunstgeschichtlicher Beispiele.
In vorderster Front diesbezüglich steht – neben Martin Schongauers Federzeichnung einer jungen Orientalin sowie Bildhauerarbeiten Hans Dauchers und Gregor Erharts – das „Hochzeitsbildnis des Jakob Fugger und der Sibylla Artzt“von Hans Burgkmair dem Älteren aus dem Jahr 1498.
Ein Tag nur vor Ausstellungseröffnung war es angereist gekommen aus Südengland, wo es zur privaten Schroder Collection gehört, die im Übrigen Signale setzt, dass die Lindenholz-Tafel im Originalrahmen wohl zum allerletzten Mal ausgeliehen wurde. Künftig dürfte ins Holburne Museum von Bath reisen müssen, wer das Doppelporträt sehen will.
Das Hochzeitsbildnis war auch schon einmal in Augsburg zu sehen, aber das ist lange her: 1965 im Rathaus anlässlich der Schau „Hans Holbein der Ältere und die Kunst der Spätgotik“, zu der zweifellos ja auch Hans Burgkmair der Ältere zählt. Und danach wurde es noch einmal in München gezeigt, 2011 in der Hypo-Kunsthalle im Rahmen der hochkarätigen Schau „Dürer – Cranach – Holbein: Die Entdeckung des Menschen – das deutsche Porträt um 1500“.
So viel zum kunsthistorischen Umfeld dieses Doppelporträts, das auf dem Rahmen vermerkt: „Am. neinten. Tag. ianvari. im. 1498. iar. in. der. gestalt. kame. wir. zv.same.“(Am neunten Tag des Januars im Jahr 1498 kamen wir in dieser Gestalt zusammen.)
Dass 1498 eine güterreiche Verbindung eingegangen wurde zwischen dem damals 38-jährigen Jakob Fugger und der 18-jährigen Sibylla Artzt, ist bei diesem Hochzeitsbildnis auf den ersten Blick zu erkennen: Beide tragen am Leib Goldbrokat, und auch die Kopfhauben beider enthalten das Edelmetall. Dazu kommen teurer Pelz bei ihm und edelsteinbesetzter Schmuck bei ihr. Wirklich vertraut scheinen Braut und Bräutigam jedoch noch nicht zu sein, beide blicken nachdenklich in eine imaginäre Ferne – und das Einhaken Jakob Fuggers bei Sibylla Artzt geschieht mit gehörigem körperlichem Abstand.
Die Hochzeit war eine Win-winSituation: Sibylla aus der wohlhabenden Familie Artzt heiratete den bereits steinreichen „Konzernchef“Jakob; dieser wiederum erhielt erst durch diese Verbindung Eintritt in die Augsburger Herrenstube bzw. in die höchsten gesellschaftlichen Kreise der Stadt. Im Katalog zur Ausstellung wird hinsichtlich des Doppelporträts sogar von der malerischen Dokumentation eines essenziellen strategischen Schritts von Jakob Fugger geschrieben. Bleibt heute noch zu hoffen, dass neben der Attraktivität der Brautleute auch ein wenig Liebe, wenigstens Zuneigung, mit im Spiel war.
Aber die Ehe blieb kinderlos, und keine zwei Monate nach Jakob Fuggers Tod 1525 heiratete seine Witwe den ebenfalls verwitweten Kaufmann Konrad Rehlinger. In einem Erbschaftsstreit zwischen Sibylla Fugger und Raymund Fugger, dem Neffen Jakobs, beschuldigte Raymund die Witwe, schon vor Jakobs Tod sexuelle Beziehungen zu Konrad Rehlinger gepflegt zu haben. Sibylla Artzt ist wie Jakob Fugger in St. Anna beigesetzt.
Nicht immer in seiner Geschichte wurde das Hochzeitsbildnis dem Maler Hans Burgkmair sowie Sibylla und Jakob Fugger zugeordnet. Wie es einst von Augsburg in das niederösterreichische Stift Herzogenburg gelangte, ist unbekannt. Aber dort wollte man im 17. und 18. Jahrhundert in den Dargestellten fälschlicherweise die Klostergründer des Stiftes Seitenstetten erkennen. Und bis weit in das 20. Jahrhundert hinein galt nicht Hans Burgkmair d. Ä. als Maler des Doppelporträts, sondern dessen Vater Thoman Burgkmair.
Eine Erläuterung dazu gibt der schwere und gehaltvolle Augsburger Katalog zu „Stiften gehen!“: Annette Kranz schreibt darin, dass Hans Burgkmair der Ältere erst im Juli 1498 durch den Erwerb der Meistergerechtigkeit in vollem Umfang als Auftragnehmer fungieren durfte. Deshalb sei anzunehmen, dass formell noch der Vater Thoman Burgkmair die Bestellung des Doppelporträts aufgenommen hatte.
ⓘ
Ausstellung „Stiften gehen! – Wie man aus Not eine Tugend macht“läuft im Augsburger Maximilianmuseum bis zum 28. November. Geöffnet ist die Schau Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17, am Donnerstag bis 20 Uhr. Der ka talog (416 S.) ist im Verlag Schnell + Stei ner erschienen und kostet 35 Euro.