Das Leben kehrt in die Straße zurück
Die Einsatzkräfte arbeiteten die ganze Nacht im Brandhaus in der Karolinenstraße, um die letzten Glutnester zu löschen. Nun gibt es gute Nachrichten
Tagelang war die Karolinenstraße nach dem Großbrand gesperrt, am Mittwochnachmittag wurde für Passanten zunächst der Gehsteig gegenüber wieder freigegeben. Auch für die Geschäftsleute vor Ort ist das eine gute Nachricht. Bis die Straßenbahnen allerdings fahren können, wird es noch dauern. In der Nacht zuvor war es erneut zu einem Großeinsatz am Brandhaus gekommen. Er war nicht einfach, aber offenbar dringend nötig.
Am Dienstagnachmittag wurden die Augsburgerinnen und Augsburger in der Innenstadt über die Katastrophenwarn-App Nina aufgefordert, die Fenster zu schließen. So wie schon am Freitagabend, als das Feuer in dem Haus ausgebrochen war. Es brannte erneut in der Ruine, wieder mit einer kräftigen Rauchentwicklung. Immer wieder hatte die Feuerwehr in den vergangenen Tagen zu Löscharbeiten in die Karolinenstraße ausrücken müssen. Selbst Feuerwehrsprecher Friedhelm Bechtel sagte, er habe das in seiner jahrelangen Berufserfahrung noch nicht erlebt. „Normalerweise ist eine Glut nach 24 Stunden erloschen.“
Der Rathausplatz wurde deshalb in der Nacht auf Mittwoch einmal mehr Anlaufstelle für Berufsfeuerwehr, Freiwillige Feuerwehren, Technisches Hilfswerk (THW), Werkfeuerwehr von Premium Aerotec, Rettungsdienste und Polizei. Lkw und ein großer Spezialbagger rückten an. Mit einem langen Gelenkarm grub die mächtige Baumaschine über Stunden hinweg Trümmer und Schutt aus der Brandruine, in denen sich die Glutnester verbargen. Die Einsatzkräfte brachen außerdem einen unzugänglichen Raum auf und löschten ihn. Wie Ordnungsreferent Frank Pintsch später berichtete, hat dort ein Stahlteil weitergeglüht - so hoch war die Hitze immer noch.
Die Laster transportieren 100 Kubikmeter Material aus der Karolinenstraße ab und brachten es in die Schönbachstraße nach Oberhausen. Dort hat das Tiefbauamt einen Lagerplatz. Wie brandgefährlich die Überreste waren, zeigte sich schließlich auch dort. „Selbst da musste immer wieder abgelöscht werden“, erzählt Bechtel. Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr hätten dort in der Nacht über den Schutt gewacht. „Bei solchen Großeinsätzen sind wir auf die Freiwilligen Feuerwehren in Augsburg angewiesen“, betont der Sprecher der Berufsfeuerwehr. Ohne sie würde es nicht gehen.
Bei den Arbeiten musste mit großer Vorsicht vorgegangen werden. Das Problem ist die restliche Fassade des ausgebrannten Gebäudes. Sie darf nicht weiter beschädigt werden, um die Stabilität eines der direkt angrenzenden Nachbarhäuser nicht zu gefährden. Statikspezialisten des THW Memmingen waren deshalb in der Nacht ebenfalls vor Ort. Laut Pintsch hatten sie bestätigt, dass die übrige Fassade für die Statik des linken Nachbarhauses mit der Nummer 13 essenziell sei.
Das Leben soll nun aber in die Karolinenstraße zurückkehren. Am Donnerstag, so der Ordnungsreferent, würden auch der westliche Bürgersteig
wieder begehbar und die Geschäfte erreichbar sein. Das Brandhaus selbst und das linke Nachbarhaus würden erst mal eingerüstet.
Für die ansässigen Geschäfte ist das eine gute Nachricht. „Der Druck wieder zu öffnen ist für uns groß“, meint Marcus Vorwohlt, Chef des Modehauses Rübsamen. Er dürfte den anderen Einzelhändlern aus der Seele sprechen. Bei Rübsamen hatte man quasi schon am Mittwochvormittag geöffnet. „Wir mussten lüften.“Nun wolle man sich in den Alltag zurückkämpfen.
Auch bei Bücher Pustet standen am Mittwochnachmittag die Ladentüren bereits offen, das Restaurant John Benton, das in der ersten Brandnacht die Einsatzkräfte verpflegt hatte, war auch wieder geöffnet. Marcus Vorwohlt lobt die Informationspolitik der Stadt. „Die Kommunikation war immer nach vorne gerichtet.“
Das Großfeuer wirkt sich allerdings weiter auf den öffentlichen Nahverkehr aus. Jürgen Fergg, Sprecher der Stadtwerke, rechnet damit, dass die Trams der Linie 1 und 2 nicht vor Anfang nächster Woche fahren könnten. Das habe mehrere Gründe. Die Oberleitungen, die wegen der Einsätze abgebaut wurden, müssen wieder errichtet werden. Eine Verankerung einer Leitung habe sich an einer Wand zwischen Brand- und Nachbarhaus befunden. „Dort müssen wir nun einen Masten installieren, den die technische Aufsichtsbehörde genehmigen muss“, erklärt Fergg, warum manche Abläufe Zeit brauchen. Gleisuntersuchungen und Probefahrten seien ebenfalls nötig. Man will mögliche Schäden durch die schweren Einsatzfahrzeuge ausschließen. Um die Gleise während der Einsätze zu schützen, war extra Kies in der Karolinenstraße aufgeschüttet worden.
Das Brandunglück hatte schon in den vergangenen Tagen viele Interessierte an die Absperrungen gelockt. Als die Sperrung am Mittwochnachmittag aufgehoben wurde, nutzten Passanten die Gelegenheit, sich die Brandruine aus nächster Nähe anzusehen. Das einst so ansehnliche historische Haus gibt jetzt ein trostloses Bild ab. Die Menschen sind betroffen. „Wahnsinn, das Haus hat den Krieg überlebt und jetzt soll es wegen eines E-Rollers nicht mehr da sein“, sagt ein Mann. Feuerwehrsprecher Friedhelm Bechtel hofft, dass nun alle Glutnester ausgeräumt seien. Laut Ordnungsreferent Frank Pintsch spreche vieles dafür. „Das Haus ist endlich seit mehreren Stunden rauchfrei“, meinte er am Mittwochnachmittag. Trotzdem gehe man auf Nummer sicher. „Die Feuerwehr wird erst mal weiterhin nachts regelmäßig vorbeischauen.“