Preise für Strom, Sprit und Gas steigen weiter
Ein Ende ist nicht in Sicht. Das erhöht den Druck auf die Politik
Berlin Autofahren, Heizen und Elektrizität sind so teuer wie lange nicht mehr in Deutschland. Die Verbraucher müssen sich darauf einstellen, dass die Preise dafür in den nächsten Monaten weiter klettern. Beispiel Autofahren: Nach aktuellen Berechnungen des ADAC kostet der Liter Benzin E10 im bundesweiten Durchschnitt 1,57 Euro. Das sei der höchste Stand seit sieben Jahren. Bei Diesel kratzt der Preis an der Schwelle zu 1,40 Euro je Liter. Im Januar war der Liter im Mittel noch mehr als 15 Cent günstiger.
Beim Heizen das gleiche Bild. Die Kosten für Gas liegen mit durchschnittlich 6,22 Cent je Kilowattstunde auf einem Sechsjahreshoch. Stadtwerke und Versorger heben im ganzen Land die Preise an. Wie an der Tankstelle sind mehrere Faktoren für den Anstieg verantwortlich. Das ist zum einen die CO2-Abgabe von 25 Euro je Tonne Klimagas, die seit Jahresbeginn erhoben wird. Sie macht fossile Brenn- und Kraftstoffe teurer, damit sich Hausbesitzer eine neue Heizung einbauen lassen oder ein E-Auto anschaffen.
Stärker ins Gewicht fällt die Preisrallye bei den Rohstoffen. Kostete das Fass (159 Liter) der Rohölsorte Brent im Januar an der Börse noch etwas über 40 Euro, so sind es aktuell über 60 Euro. Bei Gas haben sich die Großhandelspreise im Jahresverlauf sogar verdoppelt. Hier macht sich eine Mischung aus gering gefüllten Gasspeichern und Lieferengpässen aus Russland bemerkbar.
Der rasante Anstieg ist für die wahlkämpfenden Parteien ein Problem. Ab Januar steigt die CO2-Abgabe um fünf Euro je Tonne. Die Grünen haben angekündigt, die Schraube deutlich anzuziehen, um die Klimaziele einhalten zu können. Doch wenn der Trend an der Börse für Öl und Gas anhält, wird es für Haushalte mit kleinerem Einkommen brenzlig. Deutschlands oberster Verbraucherschützer fordert daher, die Energiekosten sozial abzufedern. „Insbesondere Haushalte mit geringem, aber auch mit mittlerem Einkommen dürfen nicht überdurchschnittlich belastet werden“, sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, unserer Redaktion. So solle die Pendlerpauschale in ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld umgewandelt werden. Denn wer nur wenig Steuern zahlt, hat nicht viel von der Gutschrift in der Steuererklärung. Nach Berechnungen des Internetportals Verivo zahlt ein Durchschnittshaushalt 20 Prozent mehr für Strom, Heizung und Sprit als vergangenes Jahr. Auf Jahressicht könnte die Gesamtrechnung um 650 Euro auf 4000 steigen.
Einen gewichtigen Anteil daran haben die Ausgaben für Strom. Die Denkfabrik Agora rechnet trotz des durch die Decke gegangenen Gaspreises nur mit einem Anstieg des Haushaltspreises um 1,5 Cent je Kilowattstunde. Durch die Mechanik der Energiewende dämpfen höhere Erzeugungspreise die Ökostromumlage. „Der Gaspreisanstieg zeigt, wie abhängig eine fossile Energieerzeugung von Entwicklungen in Russland ist“, sagte Agora-Chef Patrick Graichen unserer Redaktion. Er forderte von der nächsten Regierung einen raschen Doppelschritt: den Strompreis senken durch Abschaffung der EEG-Umlage und die Ausbaumengen von Windkraft- und Photovoltaik verdreifachen.
Die erhöhte Inflation in diesem Jahr ist nach Ansicht des Ökonomen Marcel Fratzscher eine willkommene Normalisierung nach einer zu schwachen Inflation im vergangenen Jahr. „Der Anstieg im zweiten Halbjahr 2021 wird nicht von langer Dauer sein, sondern in den kommenden zwei Jahren wieder auf das gewünschte Niveau zurückgehen“, betonte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gegenüber unserer Redaktion. Die Panikmache um eine hohe Inflation sei fehlgeleitet.