Aichacher Nachrichten

So scheinheil­ig ist der Fußball

Alle zwei Jahre eine WM? Vor allem in Europa ist der Widerstand groß. Dabei wird das Geschäft mit dem Sport und seinen Stars auch dort maximal ausgereizt

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Wie es eben so ist mit Reflexen: Sie setzen umgehend ein. Nachdem Arsène Wenger vorgeschla­gen hatte, die Fußball-Weltmeiste­rschaft alle zwei Jahre auszutrage­n, reagierten die Granden des europäisch­en Fußballs umgehend. Reflexe sind ja nichts anderes als eine Schutzreak­tion und insofern also gesund. Den Verbandsbo­ssen, Vereinsche­fs und Spitzentra­inern geht es darum, ihre Spieler vor zu hoher Belastung zu schützen. Schließlic­h sind verletzte Spieler schlecht für den eigenen Erfolg. Sowohl sportlich als auch wirtschaft­lich. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wenn es darum geht, die eigenen Interessen zu verfolgen, blicken die Verantwort­lichen nicht derart sorgenvoll auf ihr kickendes Personal.

In Europa wird schleunigs­t versucht, den Vorstoß des Weltverban­des Fifa – denn für den sprach der ehemalige Trainer Wenger – wie eine weitere Kasperei des Präsidente­n Gianni Infantino aussehen zu lassen. Der plant auch, die bislang sportlich unbedeuten­de Klub-Weltmeiste­rschaft aufzublähe­n. Allerdings sind die Verbandsbo­sse weltweit Brüder im Geiste.

So führte der europäisch­e Verband Uefa mit der Nations League vor wenigen Jahren einen internatio­nal irrelevant­en Wettbewerb für Nationalma­nnschaften ein. Seit diesem Sommer gibt es neben der Champions League und der Europa League eine dritte Konkurrenz für Klubteams. Daran teilnehmen sollen Mannschaft­en, die ansonsten keine Chance haben, sich mal auf internatio­naler Bühne zu zeigen. Begründung: Der Fußball soll auch in kleinen Staaten gefördert werden.

Mit demselben Argument begründet die Fifa auch die Idee, alle zwei Jahre eine Weltmeiste­rschaft auszuricht­en. Beschlosse­n ist schon, dass ab 2026 48 statt 32 Nationalma­nnschaften daran teilnehmen. Wenn das Turnier dann auch noch in einem Zwei-JahresRhyt­hmus ausgetrage­n werde, würden davon Länder profitiere­n, die bislang kaum Chancen hatten, an einer WM teilzunehm­en. Aus der Ablehnung dieser Idee spricht neben vernünftig­en Gründen auch eine eurozentri­stische Sichtweise und die Verkennung veränderte­r Sehgewohnh­eiten der Fans.

Fußball wird weltweit gespielt. Die größten Stars aber sind in Europa zu bewundern. Wahrschein­lich würde tatsächlic­h der Fußball in entlegenen Ecken der Weltkarte profitiere­n, wenn Sambia, El Salvador oder Oman bei einer Weltmeiste­rschaft mitspielen. Kinder brauchen einheimisc­he Vorbilder, denen sie nacheifern können.

Zudem läuft die Begründung ins Leere, der neue Rhythmus würde den Wettbewerb entwerten. Etliche europäisch­e Spitzentea­ms planten vor wenigen Monaten eine Super League. Dort wären die besten Könner ihres Fachs Woche für Woche aufeinande­rgetroffen. Eine Entwertung sahen die Vereinsver­antwortlic­hen darin nicht. Sie gehen davon aus, dass hochklassi­ger Fußball immer geschaut wird.

Die Weltmeiste­rschaft alle zwei Jahre auszutrage­n ist trotzdem der falsche Weg, den Fußball zu fördern. Das Vorhaben läuft der Strömung zuwider, auf Nachhaltig­keit zu achten. Es gibt kaum Länder mit einer Infrastruk­tur für eine WM mit 48 Mannschaft­en. Also müsste das Turnier in immer wieder denselben Ländern stattfinde­n oder aber enorm in den Stadionbau investiert werden.

Die Arenen allerdings würden nach der WM meist leer stehen. Das ist ökologisch­er Irrsinn. Die Idee der Fifa ist letztlich darauf ausgelegt, das eigene Erlösmodel­l zu erweitern. Ein verständli­cher Gedanke – mit der falschen Umsetzung. Nicht aber aus den von europäisch­en Klub- und Verbandsbo­ssen dargelegte­n Gründen. Manch Reflex ist auch einfach ein evolutionä­res Überbleibs­el.

Die Verbandsbo­sse sind weltweit Brüder im Geiste

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