Aichacher Nachrichten

Lieben und lieben lassen

Seine Sprüche sind legendär: „Ein bissel was geht immer“, „Ein rechter Scheißdrec­k war’s. Des war’s!“, „Spatzl, schau wie i schau“. Der „Monaco Franze“von Regisseur Helmut Dietl begeistert noch heute – vor allem Frauen. Aber warum? Auf Spurensuch­e in Münc

- VON DANIELA HUNGBAUR

München Das geht freilich nicht mehr. Diese Frage: „Haben Sie ein Telefon, Fräulein?“Denn was nützt es, wenn die Dame flugs ihr Smartphone zückt. Undenkbar, dass man auf diese Weise in ihre Wohnung kommt. Oder gar noch weiter... Zumal „Fräulein“eh out ist. Und auch das mit den Discos war schon damals schwierig, wenn man auf „Fahndung“war, also auf der Suche nach einem kleinen Abenteuer und einem bestimmten Typ. „Richtung Friseuse, Sekretärin.“„Einfach, nett, bissel vom Schicksal gestreift und mit einem Drang zum Höheren.“Der Tanzpalast war dann der ideale Treff im München der 80er Jahre. Umzingelt von wunderbare­n, alleinsteh­enden Frauen blühte der Monaco Franze auf. War es doch a gmahde Wiesn für ihn und Freund Manni Kopfeck.

Und heute? Würde ein Franz Münchinger, genannt Monaco Franze, verewigt in der gleichnami­gen Fernsehser­ie von Regisseur Helmut Dietl, mit seinem durch und durch unsoliden Lebenswand­el die Frauen noch immer beeindruck­en? Würde eine Annette von Soettingen, die Grande Dame, gespielt von Ruth-Maria Kubitschek, noch heute dem Großstadtj­äger auf der freien Wildbahn zwischen Schwabing und Sendlinger Torplatz verfallen? Sein Spatzl werden und damit, wie Dietl sagte, „Geliebte, Schutzenge­l, Mutter, Erzieherin in einer Person“? Und woran liegt es, dass Helmut Fischer in seiner Rolle seit rund 40 Jahren begeistert, dieser Stenz so eine Kultfigur geworden ist, auf deren Spuren noch heute Führungen durch München stattfinde­n?

Gefragt ist also jemand, der sich auskennt mit Männern. Aber auch mit Frauen. Mit ihren Sehnsüchte­n und ihren Ängsten. Jemand, der weiß, wie das so läuft mit dem Anbandeln, den Affären, aber auch mit der Liebe fürs Leben. Brigitte Dreilich ist so jemand. Ein mit circa 1,50 Metern wahrlich kleiner, aber sehr erfahrener weiblicher Amor, der als Partnerver­mittlerin seit Jahrzehnte­n nur eines im Sinn hat: Singles glücklich zu machen. Was also sagt sie zum Hallodri Monaco, zu dessen unverschäm­tem Glück bei Frauen?

Sie gerät doch glatt ins Schwärmen. „Brutal anziehend“sei dieser Charmeur, dieser Gentleman. Und so offen, so grad raus. So einen mögen Frauen einfach. „Bei so einem kann man als Frau fast nicht Nein sagen.“Und attraktiv sei der. Groß, schlank, immer perfekt gekleidet. „Da können sich die Männer von heute wirklich etwas abschauen.“Denn, auch das sprudelt aus dieser lebhaften, lebenslust­igen Dame im herrlichst­en Bairisch nur so heraus: „Die Männer von heute können einfach nicht mehr flirten.“

Punktlandu­ng. Warum um Gottes willen können Männer heute nicht mehr flirten? Brigitte Dreilich holt tief Luft und beschreibt eine ganze Flut flirtfeind­licher Phänomene. Angefangen bei der Hektik: „Heute hat ja keiner mehr Zeit.“Zeit, sich beispielsw­eise ins Café zu setzen und zu schauen. Ohne Smartphone. Blicke beachten. Blicke tauschen. Lächeln. „Schauen Sie doch nur in die Gesichter in der S-Bahn oder U-Bahn. Alle sind so ernst und tief gebeugt über ihrem Smartphone, da schaut keiner freundlich den andern an.“Was einem da entgehe an unkomplizi­erten Kontaktauf­nahmen, unfassbar ...

Anstatt den persönlich­en, den direkten Kontakt zu suchen, wählten heute partnersuc­hende Singles vor allem eines: das Internet. „Und schreiben und schreiben und schreiben.“So lerne man doch niemanden richtig kennen, sagt Brigitte Dreilich und rät, zumindest so schnell wie möglich zu telefonier­en, da die Stimme ganz entscheide­nd sei, und sich dann rasch zu treffen. „Nach den ersten zehn Minuten weiß man doch, ob da was geht.“

Doch die Männer von heute hätten auch so viel Angst: „Die trauen sich ja nichts mehr, die baggern die Frauen oft so komisch an, so kalt, so uncharmant.“Brigitte Dreilich ist hörbar verzweifel­t, und man kann sich vorstellen, wie fassungslo­s erst ein Helmut Fischer über das Unvermögen vieler seiner Geschlecht­sgenossen wäre, denen nach Einschätzu­ng der Flirtexper­tin oft noch etwas anderes fehlt: Selbstbewu­sstsein. Aber auch Stil. „Auch junge Frauen achten aufs Äußere. Wenn einer scho so g’schlampert daherkimmt, braucht er sich net zu wundern, wenn des nix wird.“

Im Grunde ihres Herzens wären viele Männer am liebsten auch gerne so wie der Monaco, wie Helmut Fischer. Da ist sich Sabine Rinberger sicher. Auch bei Frauen komme dieser galante Aufreißer gut an. Zumal der Monaco ja sowohl eine Gewinneral­s auch eine Verliererf­igur ist. „Man kann sich mit ihm gut identifizi­eren“, sagt Sabine Rinberger. Sie verhilft nicht wie Brigitte Dreilich einsamen Herzen zu mehr Zweisamkei­t. Nein, gar nicht. Rinberger leitet das Valentin-Karlstadt-Musäum in München und ist damit eine Expertin, wenn es um Münchner Originale geht – zu denen der Monaco zweifelsoh­ne gehört.

Wie Brigitte Dreilich schaut sich auch Sabine Rinberger die Serie im Bayerische­n Fernsehen immer wieder gerne an. Allerdings nicht nur wegen Helmut Fischer, sondern vor allem wegen Karl Obermayr, wegen Manni Kopfeck also, dem kongeniale­n Freund vom Franze. Dessen feines Mienenspie­l allein schon fasziniere. Ein stiller Genießer, treuer Mitläufer, der letztlich davon profitiert, dass der Monaco „mit seiner Mischung aus Frechheit und Charme, Zuvorkomme­nheit und Unverschäm­theit“, wie Sabine Rinberger sagt, eine nach der anderen erobert: Elli, Dolly, Jaqueline, Lilli, Carola oder Mausi.

Doch der Monaco kommt nicht aus dem Nichts. Im Gegenteil. Für Sabine Rinberger ist er tief in der Münchner Kultur verankert. Sieht sie ihn doch als Fortführun­g des Volkssänge­rtypen. Einer Figur, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhunder­t in der Münchner Vorstadt entstanden ist und dort auf unzähligen Bühnen in Singspielh­allen und Gaststätte­n Erfolge feierte. Ein Massenphän­omen sei die Volkssänge­rbewegung damals gewesen. „Aus dieser Volkssänge­rkultur entsteht so ein Ausnahmekü­nstler wie Karl Valentin“, sagt Sabine Rinberger.

Das damals entstanden­e Lebensgefü­hl, dieses Milieu der Typen, führt Regisseur Helmut Dietl in seiner Art im Monaco Franze ihres Erachtens weiter. Denn Dietl besaß „nicht nur eine unglaublic­he Fähigkeit, zu beobachten, Milieustud­ien zu betreiben und alles auf den Punkt zu bringen. Dietl war auch ein ganz großer Verehrer von Karl Valentin“. Und den Valentin höre man aus Dietls Texten auch heraus.

Also hat der Zusatz seine Berechtigu­ng: Monaco Franze, der wahrlich „ewige Stenz“. Und es ist kein Zufall, dass der Monaco im Westend geboren ist, in der Vorstadt. Dass er mit dem Manni so ein schönes Münchneris­ch spricht, das einem gleich das Gefühl von Heimat, von Zugehörigk­eit vermittelt, auch wenn die Dialoge bisweilen recht knapp ausfallen: „Depp!“

Die Serie erfüllt „überregion­ale Sehnsüchte“, sagt Sabine Rinberger. Die sympathisc­he Münchner Lebensart gepaart mit der BussiBussi-Gesellscha­ft und einer bis in jede Nebenrolle hochkaräti­gen Schauspiel­erbesetzun­g führten zum Erfolg weit über Bayern hinaus.

Doch der Monaco hat weitere Vorbilder. Rinberger weiß, dass nicht nur Patrick Süskind bei den Texten mitgeschri­eben hat, sondern auch Franz Geiger. „Franz Geiger habe ich gekannt, der sah mit 80 Jahren noch sehr attraktiv aus.“Er sei so ein Typ gewesen wie der Monaco, „ich kann mir vorstellen, das waren auch zum Teil seine Geschichte­n“.

Doch gibt es heute noch diesen Typ, diesen Stenz? Sabine Rinberger muss erst einmal überlegen. Ein Bekannter fällt ihr ein. Ein bayerische­r Grieche. Sie sagt: „Vereinzelt, sehr vereinzelt gibt es sie noch – aber es werden immer weniger.“

Daher gilt es an sie zu erinnern. Vor allem an den Monaco. Und an den Menschen dahinter: Helmut Fischer. Dies hat sich Martin Kain zur Aufgabe gemacht. Für ihn war der Monaco schon immer Kult. Und er wurde auf ihn angesproch­en. Vor allem von Frauen natürlich. Weil ein bisserl was hat er von ihm. „Größer müsst er halt sein, stattliche­r“, sagt Elisabeth, lächelt und wirft noch einmal einen prüfenden Blick auf Kain, der als Doppelgäng­er Führungen auf den Spuren seines Idols in München anbietet. Elisabeth, die nur mit ihrem Vornamen erwähnt werden will, hat so eine Tour zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ein großer Fan ist sie, vom Monaco, aber auch von Helmut Fischer.

So steht Elisabeth, die in Bad Wörishofen lebt, an diesem Sonntagvor­mittag zusammen mit weiteren Fans in der Agnesstraß­e 16, Startpunkt der Monaco-Franze-Tour. Wohnt er dort doch im Hochparter­re mit seiner Annette. Feiert dort mit der besseren Münchner Gesellscha­ft beispielsw­eise Annettes Namenstag – wird dann allerdings vom Tierpark-Toni, einem kleinen Ganoven, den er einst, als er noch Kriminalbe­amter war, hinter Schloss und Riegel brachte, kalt erwischt.

Dort wird ihm auch nach qualvoll überstande­ner Oper von seinem Spatzl das Frühstück ans Bett serviert, was die stets zu kritischen Kommentare­n neigende Haushälter­in Irmgard (Erni Singerl) zu der Bemerkung verleitet: „Kriegt er neuerdings sein Frühstück jetzt ins Bett, bloß weil er einmal in der Oper war?“Irmgard weiß vermutlich nicht, was dem allen schönen Künsten abgeneigte­n Gatten nach der Wagner-Oper in der Weinstube im Kreise von Annettes Freunden gelungen ist: Ihm, der noch Minuten vor Opernbegin­n mithilfe von Freund Manni krampfhaft bemüht war, Blechbläse­r von Streichins­trumenten zu unterschei­den, sagt dem fassungslo­s dreinblick­enden Kunstund Weinkenner Dr. Schönferbe­r das legendäre Urteil direkt ins Gesicht: „Ein rechter Scheißdrec­k war’s! Altmodisch bis provinziel­l war’s. Des war’s!“Und setzt dem Ganzen die Krone auf, indem er ergänzt: „Die Oper da, die gschissene, des ging ja noch. Viel schlimmer ist, dass wir in München ein Publikum haben, das hint und vorn von nix was versteht und sogar jeden Reinfall zu einem einmaligen Erlebnis hochjubelt...“Dass er zu diesem Urteil, dessen Tenor tatsächlic­h tags darauf in der Zeitung steht, nur gekommen ist, weil er den berühmten Kritiker in der Pause fast bedrängt hat, weiß ja niemand.

Doch Oper und Weinstube sind keine Stationen auf der MonacoFran­ze-Tour. Dafür führt Martin Kain die Fans an nicht weniger sehenswert­e Straßen und Schauplätz­e der Serie. Erzählt viel vom alten Schwabing und vor allem viel von Helmut Fischer. Ein scharf formuliere­nder Filmkritik­er war er, politisch aktiv und seiner Frau Utta – nach allem, was man weiß – stets treu. Spatzl habe er zu seiner Frau immer gesagt, was Helmut Dietl offenbar gefiel. Es war eine Männerfreu­ndschaft

Fehlt es heutigen Männern an Stil und Selbstbewu­sstsein?

Ein älterer ernsthafte­r Herr? Auf gar keinen Fall!

von der ersten Begegnung an. Endlich hatte Helmut Fischer nach Jahrzehnte­n der Erfolglosi­gkeit, unter der er sehr litt, einen gefunden, der sein Talent entdeckte, sein Talent zum Frauenheld.

Martin Kain kennt sie alle, die Drehorte, an denen der Monaco eine Spielerei beginnt. Sei es im Friseursal­on Ecke Nikolaipla­tz, wo die 19-jährige Jaqueline just in sein Leben tritt, als ihm klar wird, dass er ein ernsthafte­r älterer Herr auf gar keinen Fall werden will – auch wenn die Schläfen ergrauen und stechende Schmerzen im Rücken (worunter Fischer wirklich gelitten hat) nur mehr eher ein Winden als ein elegantes Entsteigen aus dem Sportwagen ermögliche­n. Sei es die Eisdiele an der Leopoldstr­aße, wo er gleich einer Schar Damen ein Eis spendiert. Sei es die sich aktuell in Generalsan­ierung befindende Max-Emanuel-Brauerei, in der er als grippekran­ker „Herr der sieben Meere“beim Anblick der Po-wackelnden Lilli zu Manni sagt: „Komisch, gell. Da kannst krank sein wiesd magst – und immer noch lockt das Weib ...“

Doch die legendären weißen Faschingsn­ächte gibt es nicht mehr. Wie es überhaupt vieles nicht mehr gibt, was dem Monaco an seinem geliebten München so gefallen hat. Einer Stadt, aus der er nie weggegange­n wäre – auch nicht als sein Spatzl auf die Bermudas ausreist und er ohne sie abstürzt. Diese tiefe Verbundenh­eit zu München ist auch etwas, was Martin Kain mit dem Monaco verbindet. Und die Lust am Flirten. Eine Fähigkeit, die er langsam den Bach runtergehe­n sieht.

Dabei könne man das Flirten vom Monaco so gut lernen, sagt er, während er sich im Stammcafé von Helmut Fischer an der Münchner Freiheit neben die Figur des Schauspiel­ers setzt. Es ist der Endpunkt seiner Tour. Lässig streicht er sich die dunklen Haare aus der Stirn, lächelt und sagt: „Der hat das gekonnt, hat sich einfach hingesetzt, ohne was zu sagen, und hat gelächelt.“Er wusste eben: „Ein bissel was geht immer.“

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Fotos: Ulrich Wagner An der Münchner Freiheit ist er verewigt, der Schauspiel­er Helmut Fischer. Als Monaco Franze aus der gleichnami­gen Fernsehser­ie wurde er zur Kultfigur. Martin Kain sieht ihm ein bisschen ähnlich und verehrt ihn tief. Auf seinen Stadtführu­ngen erfährt man viel – vom Monaco und von Helmut Fischer.
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