Aichacher Nachrichten

Der Mann hinter Olaf Scholz

Wolfgang Schmidt ist Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium – und sehr kommunikat­iv. Ein Foto auf Twitter hat ihm nun Ärger mit der Justiz eingebrock­t. Das bringt auch den Kanzlerkan­didaten der SPD in Schwierigk­eiten

- VON STEFAN LANGE

Berlin Wenn Politikeri­nnen und Politiker auf Auslandsre­isen gehen und sie dabei von Medienleut­en begleitet werden, kommt es im Regierungs­flieger hoch über den Wolken oft zu spannenden Begegnunge­n. Die dreizehn Stunden Flugzeit von Peking nach Berlin etwa lassen sich gut nutzen, um über Dinge zu sprechen, für die sonst keine Zeit ist. Beide Seiten wissen, dass Politikeri­nnen und Politiker dabei Themen eine bestimmte Wendung geben wollen. Dann geht es darum, wer pfiffiger ist: Setzt die Politik ihren Spin – oder gehen ihnen die Journalist­innen und Journalist­en am Ende doch nicht auf den Leim? Wolfgang Schmidt, Staatssekr­etär im Bundesfina­nzminister­ium von Olaf Scholz und dessen treuer Gefolgsman­n, hat nicht nur einen Riesenspaß an diesem Spiel, er beherrscht es auch meisterhaf­t. Jetzt allerdings ist sein Spieltrieb zur Gefahr für den SPDKanzler­kandidaten geworden.

Schmidt hat getwittert. Das macht der gebürtige Hamburger ständig. Er hat knapp 15100 Follower in dem sozialen Netzwerk, das seinen Namen dem englischen Wort für Zwitschern verdankt. Das ist ordentlich. Schmidt hat seinen Account mit dem Hinweis „Staatsrat a.D.“versehen, ein solcher (ein Staatssekr­etär also) war er zwischen 2011 und 2018 tatsächlic­h. Sowie mit dem Vermerk, er sei „hier privat unterwegs“. Das ist er tatsächlic­h nicht, denn wenn Schmidt twittert, dann hat das oft mit seinem Job, meistens mit der SPD und fast immer mit Olaf Scholz zu tun. Vor Kurzem zwitschert­e er möglicherw­eise ein Mal zu viel.

Die Staatsanwa­ltschaft Osnabrück hat gegen Schmidt, der in wenigen Tagen seinen 51. Geburtstag feiert, ein Verfahren eingeleite­t. Der Staatssekr­etär soll Teile eines Durchsuchu­ngsbeschlu­sses bei Twitter veröffentl­icht haben. Es geht dabei um die Ermittlung­en bei der Financial Intelligen­ce United (FIU), einer Geldwäsche-Spezialein­heit des Zolls, die wiederum dem Bundesfina­nzminister­ium untersteht. Schmidt soll gegen Paragraf 353d des Strafgeset­zbuches verstoßen haben: „Verbotene Mitteilung­en über Gerichtsve­rhandlunge­n“werden mit Freiheitss­trafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft.

Pikant dabei ist, dass die Behörde in Osnabrück von Oberstaats­anwalt Bernard Südbeck geleitet wird, der auch als CDU-Politiker unterwegs ist. Mittlerwei­le hat die Berliner Staatsanwa­ltschaft den Fall übernommen. Schmidt schrieb, natürlich auf Twitter, er sei zuversicht­lich, dass die Vorwürfe schnell ausgeräumt werden könnten.

Brisant ist der Vorfall auch deshalb, weil Schmidt ein enger Vertrauter von Olaf Scholz ist. Der SPD-Spitzenkan­didat hat bekanntlic­h gerade einen Lauf und kann keine Stolperste­ine gebrauchen. Der Vorwurf gegen Schmidt, sollte er sich überhaupt bewahrheit­en, ist zwar nicht so heftig, dass er personelle Konsequenz­en erfordert. Weder die Ablösung des Staatssekr­etärs noch den Rücktritt von Scholz. Aber der SPD-Kandidat hat beim Thema Finanzen eine offene Flanke. Scholz sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, in die Hamburger Cum-ExAffäre verwickelt zu sein. Er soll als Regierungs­chef der Hansestadt Hamburg Einfluss darauf genommen haben, dass das Finanzamt eine Millionen-Rückforder­ung an die private Warburg-Bank nicht weiterverf­olgte. Jede noch so kleine Andeutung eines Skandals in seinem Ministeriu­m vergrößert diese Angriffsfl­äche und könnte am Ende ein paar Prozentpun­kte bei der Wahl kosten. Der politische Gegner jedenfalls bohrt schon kräftig in der Wunde. Vor allem für Union-Spitzenkan­didat Armin Laschet (CDU) ist die Sache eine willkommen­e Gelegenhei­t. Am Montag soll Scholz vor dem Finanzauss­chuss des Bundestage­s wegen der Durchsuchu­ng in seinem Ministeriu­m Rede und Antwort stehen.

Schmidt ist ein langjährig­er Wegbegleit­er von Scholz. Seit 2002 sind die beiden beruflich miteinande­r verbandelt. Damals war Schmidt zunächst persönlich­er Referent, dann Büroleiter des SPD-Generalsek­retärs Olaf Scholz. Als Scholz 2005 SPD-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer wurde, avancierte Schmidt zu seinem Büroleiter. 2007 wurde Scholz Bundesarbe­itsministe­r und machte Schmidt zum Leiter des Ministerbü­ros sowie des Leitungs- und Planungsst­abes.

Den womöglich rechtswidr­igen Tweet seines Staatssekr­etärs kommentier­te Scholz im ZDF mit den Worten: „Das wird jetzt in einem ordentlich­en Verfahren geklärt und muss auch geklärt werden.“Schmidt habe mit dem Tweet darauf hinweisen wollen, dass es bei einer Durchsuchu­ng im Finanzmini­sterium nicht um Beschuldig­te im Ministeriu­m selbst gegangen sei, sagte Scholz. Er selbst könne nicht beurteilen, ob Schmidts Verhalten rechtswidr­ig sei. „Der Staatssekr­etär twittert viel, das kann ich kaum noch nachvollzi­ehen, was er da im Einzelnen macht“, erklärte Scholz.

Über dieses Level hinaus sind von Scholz mit Rücksicht auf das laufende Verfahren keine Erklärunge­n zu erwarten. Schmidt äußerte sich ebenfalls nicht zur Sache, ließ sich aber auch nicht stummschal­ten. Seine Meinungen zur politische­n Lage tat er weiterhin kund. Auf Twitter.

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Foto: Imago Images Finanzmini­ster Olaf Scholz (rechts) und sein Staatssekr­etär Wolfgang Schmidt arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen. Jetzt ha‰ ben beide Ärger mit der Osnabrücke­r Staatsanwa­ltschaft.

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