Sind Kinder die besseren Reporter?
Gleich mehrere Politiker kommen in Interviews mit Kindern ins Straucheln. Doch dabei werden nicht nur Schwächen der Kandidaten offenkundig, sondern auch die Schwäche dieses Interview-Konzeptes
Kinder gehören seit jeher zu den unverzichtbaren Akteuren in Wahlkämpfen. Während es allerdings früher gereicht hat, wenn sich Politikerinnen und Politiker in Wahlspots oder auf Plakaten mit sorgsam ausgesuchten Mädchen und Jungen zeigten, bringen die lieben Kleinen heute manchen Wahlkämpfer ganz schön ins Schwitzen. Es gibt gleich mehrere Formate, in denen Kinder die Kandidatinnen und Kandidaten interviewen. Damit wollen zum Beispiel das ZDF oder ProSieben Menschen erreichen, die vom allgemeinen TalkshowGrundrauschen längst ermattet sind. Und tatsächlich wirken diese Gespräche oft sehr erfrischend. Sind Kinder am Ende sogar die besseren Reporter? Zur Wahrheit gehört jeauch: Ganz fair ist die Gesprächssituation nicht.
Der 13-jährige Reporter Alexander arbeitet für die ZDF-Kindernachrichten „Logo“– und brachte kürzlich Tino Chrupalla vor laufenden Kameras in Erklärungsnot. Der AfD-Chef hatte gerade gefordert, in den Schulen solle wieder „mehr deutsches Kulturgut“gelehrt werden. Gedichte, Volkslieder und so. Mit der Nachfrage des jungen Interviewers hat er offenbar nicht gerechnet. „Was ist denn Ihr Lieblingsgedicht eigentlich? – Deutsches Lieblingsgedicht?“, wollte Alexander wissen. Doch dem Anhänger deutscher Dichter und Denker fiel partout keines ein. Nennt man dann wohl Eigentor.
Auch Armin Laschet musste feststellen, dass solche Gespräche kein Kindergeburtstag sind. Auf ProSieben interviewten zwei Elfjährige den Kanzlerkandidaten der Union und seinen SPD-Kontrahenten Olaf Scholz. Das Ambiente – ein Zelt mit Teddybären – schien Laschet in Sicherheit zu wiegen. Jedenfalls konnte er seine Irritation schlecht verbergen, als Pauline und Romeo ihn nicht nur fragten, wie viele Purzelbäume er schafft, sondern auch nach Masken-Affäre oder CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen. In erstaunlich pampidenfalls gem Ton versuchte er offenzulegen, dass diese Fragen ja wohl nicht auf dem Mist der Kinder gewachsen sein können. „Du kennst den doch gar nicht“, sagte er genervt auf die Fragen zu Maaßen. Er schien Pauline und Romeo als kleine Hochstapler entlarven zu wollen – und plötzlich wirkte der onkelhafte Herr Laschet wie ein Oberlehrer.
Hier wurde aber nicht nur eine Schwäche des Kandidaten deutlich, sondern auch eine Schwäche des Formats. Man kam nicht um den Eindruck herum, dass da jemand in eine Falle gelockt werden sollte. Harmlose Kinder stellen ganz und gar nicht harmlose Erwachsenenfragen. Doch die Politikerinnen und Politiker dürfen keine Erwachsenenantworten geben. Und erst recht nicht aus der Haut fahren – schließlich sind das doch arglose Kinder. Es ging den Machern der Sendung offensichtlich darum, Laschet vorzuführen, und er hat sich vorführen lassen. Das wirft die Frage auf, wie gut er auf dieses Gespräch vorbereitet war. Doch auch eine andere Frage muss erlaubt sein: Was soll das? Es ist nichts dagegen zu sagen, Kandidatinnen und Kandidaten hart anzugehen, um zu sehen, wie sie unter Druck reagieren. Dafür Kinder einzusetzen, die dann gar nicht fragen dürfen, was sie selbst am meisten interessiert, sondern ihnen einzuflüstern, was sie sagen sollen, ist sowohl den Kindern als auch den Politikern gegenüber nicht ganz redlich.
Das ändert trotzdem nichts daran, dass man aus einer solchen Situation auch ohne Grantelei herauskommen sollte, wenn man Bundeskanzler werden will. Es warten da draußen definitiv noch härtere Gesprächspartner.