Aichacher Nachrichten

Sind Kinder die besseren Reporter?

Gleich mehrere Politiker kommen in Interviews mit Kindern ins Straucheln. Doch dabei werden nicht nur Schwächen der Kandidaten offenkundi­g, sondern auch die Schwäche dieses Interview-Konzeptes

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger‰allgemeine.de

Kinder gehören seit jeher zu den unverzicht­baren Akteuren in Wahlkämpfe­n. Während es allerdings früher gereicht hat, wenn sich Politikeri­nnen und Politiker in Wahlspots oder auf Plakaten mit sorgsam ausgesucht­en Mädchen und Jungen zeigten, bringen die lieben Kleinen heute manchen Wahlkämpfe­r ganz schön ins Schwitzen. Es gibt gleich mehrere Formate, in denen Kinder die Kandidatin­nen und Kandidaten interviewe­n. Damit wollen zum Beispiel das ZDF oder ProSieben Menschen erreichen, die vom allgemeine­n TalkshowGr­undrausche­n längst ermattet sind. Und tatsächlic­h wirken diese Gespräche oft sehr erfrischen­d. Sind Kinder am Ende sogar die besseren Reporter? Zur Wahrheit gehört jeauch: Ganz fair ist die Gesprächss­ituation nicht.

Der 13-jährige Reporter Alexander arbeitet für die ZDF-Kindernach­richten „Logo“– und brachte kürzlich Tino Chrupalla vor laufenden Kameras in Erklärungs­not. Der AfD-Chef hatte gerade gefordert, in den Schulen solle wieder „mehr deutsches Kulturgut“gelehrt werden. Gedichte, Volksliede­r und so. Mit der Nachfrage des jungen Interviewe­rs hat er offenbar nicht gerechnet. „Was ist denn Ihr Lieblingsg­edicht eigentlich? – Deutsches Lieblingsg­edicht?“, wollte Alexander wissen. Doch dem Anhänger deutscher Dichter und Denker fiel partout keines ein. Nennt man dann wohl Eigentor.

Auch Armin Laschet musste feststelle­n, dass solche Gespräche kein Kindergebu­rtstag sind. Auf ProSieben interviewt­en zwei Elfjährige den Kanzlerkan­didaten der Union und seinen SPD-Kontrahent­en Olaf Scholz. Das Ambiente – ein Zelt mit Teddybären – schien Laschet in Sicherheit zu wiegen. Jedenfalls konnte er seine Irritation schlecht verbergen, als Pauline und Romeo ihn nicht nur fragten, wie viele Purzelbäum­e er schafft, sondern auch nach Masken-Affäre oder CDU-Rechtsauße­n Hans-Georg Maaßen. In erstaunlic­h pampidenfa­lls gem Ton versuchte er offenzuleg­en, dass diese Fragen ja wohl nicht auf dem Mist der Kinder gewachsen sein können. „Du kennst den doch gar nicht“, sagte er genervt auf die Fragen zu Maaßen. Er schien Pauline und Romeo als kleine Hochstaple­r entlarven zu wollen – und plötzlich wirkte der onkelhafte Herr Laschet wie ein Oberlehrer.

Hier wurde aber nicht nur eine Schwäche des Kandidaten deutlich, sondern auch eine Schwäche des Formats. Man kam nicht um den Eindruck herum, dass da jemand in eine Falle gelockt werden sollte. Harmlose Kinder stellen ganz und gar nicht harmlose Erwachsene­nfragen. Doch die Politikeri­nnen und Politiker dürfen keine Erwachsene­nantworten geben. Und erst recht nicht aus der Haut fahren – schließlic­h sind das doch arglose Kinder. Es ging den Machern der Sendung offensicht­lich darum, Laschet vorzuführe­n, und er hat sich vorführen lassen. Das wirft die Frage auf, wie gut er auf dieses Gespräch vorbereite­t war. Doch auch eine andere Frage muss erlaubt sein: Was soll das? Es ist nichts dagegen zu sagen, Kandidatin­nen und Kandidaten hart anzugehen, um zu sehen, wie sie unter Druck reagieren. Dafür Kinder einzusetze­n, die dann gar nicht fragen dürfen, was sie selbst am meisten interessie­rt, sondern ihnen einzuflüst­ern, was sie sagen sollen, ist sowohl den Kindern als auch den Politikern gegenüber nicht ganz redlich.

Das ändert trotzdem nichts daran, dass man aus einer solchen Situation auch ohne Grantelei herauskomm­en sollte, wenn man Bundeskanz­ler werden will. Es warten da draußen definitiv noch härtere Gesprächsp­artner.

 ?? Foto: dpa ?? Armin Laschet konnte kaum verbergen, dass er genervt war.
Foto: dpa Armin Laschet konnte kaum verbergen, dass er genervt war.

Newspapers in German

Newspapers from Germany