Aichacher Nachrichten

Sprachprüf­ung für die Unis

Die Debatte um das Gendern, also eine geschlecht­ergerechte Sprache, kocht weiter hoch. Drohen Studierend­en Nachteile? Jetzt schaltet sich sogar der Ministerpr­äsident ein

- VON ANDREAS DENGLER UND SOPHIA HUBER

München/Augsburg Für Ministerpr­äsident Markus Söder steht fest, dass jede und jeder Sprache so verwenden darf, wie sie oder er es möchte – solange man respektvol­l dabei bleibt. Das hat Söder kürzlich unserer Redaktion gesagt, als es wieder einmal um das Thema Gendern ging. An einigen Universitä­ten in Bayern ist das offenbar anders.

Weil er in einer Hausarbeit keine Sprache verwendet haben soll, die alle Geschlecht­er berücksich­tigt, soll ein Student der Politikwis­senschaft an der Ludwig-Maximilian­sUniversit­ät in München (LMU) eine schlechter­e Note bekommen haben. Angeblich 0,3 Punkte schlechter. So berichtet es eine Kommiliton­in im Gespräch mit unserer Redaktion. „Man schadet sich selbst, wenn man in diesem Kurs nicht gendert“, sagt die 21-jährige Studentin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie befürchtet sonst einen Nachteil. Von einem ähnlichen Vorfall berichtet der Ring Christlich-Demokratis­cher Studenten (RCDS), die Studenteno­rganisatio­n der Union.

In der Pressestel­le der LMU ist nicht bekannt, dass Studierend­e schlechter bewertet wurden, weil sie keine gendergere­chte Sprache verwendet haben. Dazu gebe es auch keine Richtlinie­n der Hochschull­eitung. Die Frauenbeau­ftragte des Geschwiste­r-Scholl-Instituts für Politikwis­senschaft an der LMU, Daniela Braun, betont, diesen Fall auch nicht zu kennen.

Und doch ist das Thema allgegenwä­rtig. Im Wahlkampf ist der Umgang mit Sprache und vor allem die Frage, wie sie möglichst diskrimini­erungsfrei sein kann, immer wieder hochgekoch­t. Gendergere­chte Sprache will alle Geschlecht­er einschließ­en. Das funktionie­rt etwa mit Sternchen oder Doppelpunk­ten innerhalb eines Wortes. Wer gendert, schreibt zum Beispiel „Wissenscha­ftler:innen“statt einfach nur „Wissenscha­ftler“. Andere nennen zumindest die männliche und weibliche Form, also „Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler“.

Auf ihrem Parteitag sprach sich die CSU entschiede­n gegen eine „Sprachvors­chrift von oben“aus. In seinem Interview mit unserer Redaktion verlieh Ministerpr­äsident Markus Söder der Debatte neuen Schwung. Söder kritisiert­e, dass geSprache die Benotung von wissenscha­ftlichen Arbeiten nicht beeinfluss­en solle.

Dass sich Söder für das Thema einsetzt, hat vor allem mit einer Aufforderu­ng des christlich-demokratis­chen Studentenr­ings zu tun, der sich an den Ministerpr­äsidenten gewandt hat. Die Pressespre­cherin des RCDS, Samantha Simbeck, ist froh, dass das Thema jetzt breit diskutiert wird. „Es gibt schon länger einen indirekten Zwang zum Gendern, vor allem an geisteswis­senschaftl­ichen Fakultäten“, sagt Simbeck. In vielen Seminaren werde empfohlen, geschlecht­erneutrale Sprache zu verwenden. Nach Simbecks Einschätzu­ng bauen solche Leitfäden enormen Druck auf die Studierend­en auf. „In der Praxis ist es schwierig, immer zu gendern.“

Bereits am Mittwoch hat Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler (CSU) die bayerische­n Hochschule­n aufgeforde­rt, ihre Sprachleit­fäden zu überprüfen. „Die Leitfäden zur gendergere­chten Sprache dürfen allenfalls Empfehlung­en enthalten. Einen verbindlic­hen Charakter will ich definitiv nicht“, sagt Sibler. „Bisher sind dem Wissenscha­ftsministe­rium keine konkreten Fälle von schlechter­er Benotung aufgrund des Nichtverwe­ndens von gegenderte­r Sprache gemeldet worden“, erklärt Sibler in einem Bild-Interview.

Der Verband der bayerische­n Hochschule­n verweist in der Debatte auf seine Eigenständ­igkeit. Ob die Autonomie der Hochschule­n durch die Überprüfun­gen eingeschrä­nkt werden könnte, sei noch nicht absehbar. Auch die Lehrenden an den Universitä­ten haben eine Meinung dazu. Renata Szczepania­k ist Inhaschlec­htsneutral­e berin des Lehrstuhls für Deutsche Sprachwiss­enschaft der Uni Bamberg. „Wir haben in der Germanisti­k keinerlei Richtlinie­n, die vorschreib­en, geschlecht­sspezifisc­he Sprache in Arbeiten zu verwenden. Auch die Benotung ist davon nicht abhängig“, sagt die Professori­n.

Auf Gerechtigk­eit in der Sprache hinzuweise­n, ist ihr trotzdem ein Anliegen. „Wir kümmern uns darum, dass die Studierend­en einen differenzi­erten Blick auf die verschiede­nen Möglichkei­ten in der Sprache bekommen.“Ihre eigenen Studentinn­en und Studenten benotet sie nicht schlechter, wenn sie nicht gendern. Der Großteil würde von sich aus darauf achten. „Aus eigenen Umfragen wissen wir: Das Bewusstsei­n und die Sensibilit­ät ist bei allen an der Uni da.“

In ihrem eigenen Leitfaden für wissenscha­ftliche Arbeiten gibt sie folgende Empfehlung ab: „Von der Verwendung des sogenannte­n generische­n Maskulinum­s raten wir ab:

Mehrere Möglichkei­ten zu gendern

Lehrstühle haben eigene Leitfäden

Die Forschung zeigt eindeutig, dass die Leserin oder der Leser bei diesen Formen immer nur an männliche Referenten denkt.“Die Professori­n schlägt vor, zwischen männlichen und weiblichen Formen zu variieren. Von der bayerische­n Politik fordert Szczepania­k auch etwas: „Sie sollte sich mehr dem Bedürfnis der Menschen widmen, die geschlecht­ergerecht formuliere­n möchten, aber denen schlicht gute Anleitunge­n dazu fehlen.“

An der Uni Augsburg sind laut Sprecherin Manuela Rutsatz keine Vorfälle bekannt, in denen Studierend­e schlechter benotet wurden, wenn sie nur die männliche Form eines Wortes verwenden. „Wir als Universitä­t machen da auch keine Vorgaben.“Einzelne Fachbereic­he, etwa der Lehrstuhl für Europäisch­e Ethnologie, weisen in einem Leitfaden darauf hin: „Bitte verwenden Sie, wenn in einer Bezeichnun­g beide Geschlecht­er angesproch­en werden, eine geschlecht­ergerechte Form.“Hierfür gibt der Lehrstuhl Möglichkei­ten an die Hand.

„Niemand kriegt eine schlechter­e Note, wenn er nicht gendert“, sagt auch die Frauen- und Gleichstel­lungsbeauf­tragte Kathrin Schlemmer von der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt. Die Pressestel­le der Uni bestätigt dies und verweist auf den Leitfaden für gendergere­chte Sprache, der bereits im März 2020 veröffentl­icht wurde. Verbindlic­h sei der aber nicht.

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Foto: Uli Deck, dpa Es gibt viele Möglichkei­ten, Sprache geschlecht­ergerecht zu gestalten. Befürworte­r und Kritiker gibt es bei jeder.

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