Sprachprüfung für die Unis
Die Debatte um das Gendern, also eine geschlechtergerechte Sprache, kocht weiter hoch. Drohen Studierenden Nachteile? Jetzt schaltet sich sogar der Ministerpräsident ein
München/Augsburg Für Ministerpräsident Markus Söder steht fest, dass jede und jeder Sprache so verwenden darf, wie sie oder er es möchte – solange man respektvoll dabei bleibt. Das hat Söder kürzlich unserer Redaktion gesagt, als es wieder einmal um das Thema Gendern ging. An einigen Universitäten in Bayern ist das offenbar anders.
Weil er in einer Hausarbeit keine Sprache verwendet haben soll, die alle Geschlechter berücksichtigt, soll ein Student der Politikwissenschaft an der Ludwig-MaximiliansUniversität in München (LMU) eine schlechtere Note bekommen haben. Angeblich 0,3 Punkte schlechter. So berichtet es eine Kommilitonin im Gespräch mit unserer Redaktion. „Man schadet sich selbst, wenn man in diesem Kurs nicht gendert“, sagt die 21-jährige Studentin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie befürchtet sonst einen Nachteil. Von einem ähnlichen Vorfall berichtet der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), die Studentenorganisation der Union.
In der Pressestelle der LMU ist nicht bekannt, dass Studierende schlechter bewertet wurden, weil sie keine gendergerechte Sprache verwendet haben. Dazu gebe es auch keine Richtlinien der Hochschulleitung. Die Frauenbeauftragte des Geschwister-Scholl-Instituts für Politikwissenschaft an der LMU, Daniela Braun, betont, diesen Fall auch nicht zu kennen.
Und doch ist das Thema allgegenwärtig. Im Wahlkampf ist der Umgang mit Sprache und vor allem die Frage, wie sie möglichst diskriminierungsfrei sein kann, immer wieder hochgekocht. Gendergerechte Sprache will alle Geschlechter einschließen. Das funktioniert etwa mit Sternchen oder Doppelpunkten innerhalb eines Wortes. Wer gendert, schreibt zum Beispiel „Wissenschaftler:innen“statt einfach nur „Wissenschaftler“. Andere nennen zumindest die männliche und weibliche Form, also „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“.
Auf ihrem Parteitag sprach sich die CSU entschieden gegen eine „Sprachvorschrift von oben“aus. In seinem Interview mit unserer Redaktion verlieh Ministerpräsident Markus Söder der Debatte neuen Schwung. Söder kritisierte, dass geSprache die Benotung von wissenschaftlichen Arbeiten nicht beeinflussen solle.
Dass sich Söder für das Thema einsetzt, hat vor allem mit einer Aufforderung des christlich-demokratischen Studentenrings zu tun, der sich an den Ministerpräsidenten gewandt hat. Die Pressesprecherin des RCDS, Samantha Simbeck, ist froh, dass das Thema jetzt breit diskutiert wird. „Es gibt schon länger einen indirekten Zwang zum Gendern, vor allem an geisteswissenschaftlichen Fakultäten“, sagt Simbeck. In vielen Seminaren werde empfohlen, geschlechterneutrale Sprache zu verwenden. Nach Simbecks Einschätzung bauen solche Leitfäden enormen Druck auf die Studierenden auf. „In der Praxis ist es schwierig, immer zu gendern.“
Bereits am Mittwoch hat Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) die bayerischen Hochschulen aufgefordert, ihre Sprachleitfäden zu überprüfen. „Die Leitfäden zur gendergerechten Sprache dürfen allenfalls Empfehlungen enthalten. Einen verbindlichen Charakter will ich definitiv nicht“, sagt Sibler. „Bisher sind dem Wissenschaftsministerium keine konkreten Fälle von schlechterer Benotung aufgrund des Nichtverwendens von gegenderter Sprache gemeldet worden“, erklärt Sibler in einem Bild-Interview.
Der Verband der bayerischen Hochschulen verweist in der Debatte auf seine Eigenständigkeit. Ob die Autonomie der Hochschulen durch die Überprüfungen eingeschränkt werden könnte, sei noch nicht absehbar. Auch die Lehrenden an den Universitäten haben eine Meinung dazu. Renata Szczepaniak ist Inhaschlechtsneutrale berin des Lehrstuhls für Deutsche Sprachwissenschaft der Uni Bamberg. „Wir haben in der Germanistik keinerlei Richtlinien, die vorschreiben, geschlechtsspezifische Sprache in Arbeiten zu verwenden. Auch die Benotung ist davon nicht abhängig“, sagt die Professorin.
Auf Gerechtigkeit in der Sprache hinzuweisen, ist ihr trotzdem ein Anliegen. „Wir kümmern uns darum, dass die Studierenden einen differenzierten Blick auf die verschiedenen Möglichkeiten in der Sprache bekommen.“Ihre eigenen Studentinnen und Studenten benotet sie nicht schlechter, wenn sie nicht gendern. Der Großteil würde von sich aus darauf achten. „Aus eigenen Umfragen wissen wir: Das Bewusstsein und die Sensibilität ist bei allen an der Uni da.“
In ihrem eigenen Leitfaden für wissenschaftliche Arbeiten gibt sie folgende Empfehlung ab: „Von der Verwendung des sogenannten generischen Maskulinums raten wir ab:
Mehrere Möglichkeiten zu gendern
Lehrstühle haben eigene Leitfäden
Die Forschung zeigt eindeutig, dass die Leserin oder der Leser bei diesen Formen immer nur an männliche Referenten denkt.“Die Professorin schlägt vor, zwischen männlichen und weiblichen Formen zu variieren. Von der bayerischen Politik fordert Szczepaniak auch etwas: „Sie sollte sich mehr dem Bedürfnis der Menschen widmen, die geschlechtergerecht formulieren möchten, aber denen schlicht gute Anleitungen dazu fehlen.“
An der Uni Augsburg sind laut Sprecherin Manuela Rutsatz keine Vorfälle bekannt, in denen Studierende schlechter benotet wurden, wenn sie nur die männliche Form eines Wortes verwenden. „Wir als Universität machen da auch keine Vorgaben.“Einzelne Fachbereiche, etwa der Lehrstuhl für Europäische Ethnologie, weisen in einem Leitfaden darauf hin: „Bitte verwenden Sie, wenn in einer Bezeichnung beide Geschlechter angesprochen werden, eine geschlechtergerechte Form.“Hierfür gibt der Lehrstuhl Möglichkeiten an die Hand.
„Niemand kriegt eine schlechtere Note, wenn er nicht gendert“, sagt auch die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Kathrin Schlemmer von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die Pressestelle der Uni bestätigt dies und verweist auf den Leitfaden für gendergerechte Sprache, der bereits im März 2020 veröffentlicht wurde. Verbindlich sei der aber nicht.