Aichacher Nachrichten

Sammler schießen wie Pilze aus dem Boden

Das Pilzesuche­n erfreut sich wachsender Beliebthei­t. Doch Vorsicht: Nicht alle Bestimmung­sangebote sind gut

- VON SÖREN BECKER

Deuringen Selten ist der Waldparkpl­atz in Deuringen in der Nähe von Augsburg so voll wie an diesem Sonntag. Eine erstaunlic­h große Menschengr­uppe, ausgestatt­et mit Körben und bunten Jacken, hat sich hier versammelt. Anlass ist die Pilzwander­ung des Pilzverein­s Augsburg Königsbrun­n. Hier assistiere­n die erfahrenen Mitglieder des Vereins Neulingen sowie Lernwillig­en und bringen ihnen die Feinheiten des Pilzesamme­lns bei. Die Führer der Wanderung sind an ihren grauen T-Shirts zu erkennen. Immer wieder kommen Teilnehmer der Wanderung auf sie zu und fragen nach einzelnen Pilzen.

Die Nachfrage hat in den vergangene­n Jahren deutlich zugenommen. „Durch Corona haben viele Leute mehr Zeit gehabt und sich mehr in der Natur aufgehalte­n“, erklärt der erste Vorsitzend­e Günter Groß, während er mit zwei NordicWalk­ing-Stöcken durch den Wald stapft. Er unterbrich­t seine Ausführung­en jäh, als er eine Pilzkoloni­e auf einem Baumstumpf entdeckt. Um ihn bildet sich eine Menschentr­aube, die den braunen Hallimasch ebenfalls sehen will. Groß erklärt, dass das Pilzgeflec­ht des Hallimasch mehrere Quadratkil­ometer groß, und tausende Jahre alt werden kann. Dieses sogenannte Myzel ist der eigentlich­e Pilz. Die Hüte und Stiele über der Erde sind nur die sogenannte­n Fruchtkörp­er, die man häufig ernten kann, ohne den eigentlich­en Pilz zu beschädige­n. Um das Myzel nicht zu zerstören, empfiehlt es sich, den Stiel mit einem Messer zu durchtrenn­en, um das Geflecht unter der Erde nicht aus Versehen zu verletzen.

Ebenfalls bei der Wanderung dabei ist Raimund Jakob, der jede gefundene Pilzsorte auf einem Notizblock vermerkt, und Johann Dichtl, der die Suche gelegentli­ch für ein Pilzrefera­t unterbrich­t. Wenn es an der Zeit dafür ist, ruft Jakob die Pilzwander­er und Pilzwander­innen mit einem lauten Pfeifen zusammen. Dichtl erklärt dann die einzelnen Pilzsorten und ihre Wirkung beim Verzehr. Komplett ohne Notizen hält er Spontanref­erate über mehrere Dutzend Pilzsorten. Dabei geht es ihm auch um die Sicherheit: „Viele Pilze sind leicht zu verwechsel­n. Man sollte nur essen, wobei man sich absolut sicher ist“, betont er. Auch die einschlägi­gen Pilz-Apps sind seines Erachtens keine Hilfe: „Die sind häufig einfach schlecht und vermitteln nur falsche Sicherheit. Seit die auf dem Markt sind, gehen die Vergiftung­en durch die Decke.“

Um das zu verhindern bietet der Pilzverein Beratungen an, bei denen man gefundene Pilze von Experten bestimmen lassen kann. Zudem warnt das Bundesamt für Strahlensc­hutz vor radioaktiv belasteten Pilzen. Unter anderem bei Maronenröh­rlingen, gelbstieli­gen Trompetenp­fifferling­en und verschiede­nen Schnecklin­gsarten seien erhöhte Werte festgestel­lt worden.

Der feuchte Sommer hat dafür gesorgt, dass die Pilze prächtig sprießen, doch die besonders beliebten Speisepilz­e wie Steinpilze und Pfifferlin­ge seien noch selten. Dafür sei es noch etwas zu früh im Jahr. Werde das Wetter aber kühler, kann sich das ändern. Dennoch gibt es schon jetzt einige Erfolge: 40 Arten stehen auf Jakobs Block. Die Auswahl geht von einigen wenigen Steinpilze­n über außerirdis­ch aussehende unverdauli­che Korallenpi­lze bis hin zum Hexenröhrl­ing. Dieser Pilz macht einen extrem giftigen

Eindruck, weil er blau anläuft, wenn man ihn schneidet, doch „er schmeckt mindestens genauso gut wie ein Steinpilz“, findet Groß. So gut wie rund um Augsburg läuft es aber nicht überall.

Thomas Zick findet auf seinen Streifzüge­n durch den Wald in diesem Jahr nur wenige Pilze. Der Vizepräsid­ent der Bayerische­n Mykologisc­hen Gesellscha­ft sammelt im Allgäu bei Marktoberd­orf. Gerade die Gegend um Augsburg hat dieses Problem nicht: „Die Wälder hier sind wirklich exzellent zum Pilzesamme­ln“, sagt Groß. Nur der Stadtwald eigne sich nicht besonders, weil er zu offen sei. Optimal seien die Westlichen Wälder. Er empfiehlt, insbesonde­re in jüngeren Waldstücke­n zu suchen.

Allmählich führen die Pilzsammlu­ngen zu etwas zu viel Trubel für die Augsburger Pilzfreund­e: „Mit so vielen Leuten im Wald rumzulaufe­n ist nicht ideal“, sagt Groß. In Zukunft will der Pilzverein daher seine Exkursione­n öfter auf Vereinsmit­glieder beschränke­n. Siehe auch die Grafik auf der nächsten Seite.

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Foto: Sören Becker Rund um Augsburg lassen sich gut Pilze sammeln.

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