Aichacher Nachrichten

Günstiger wohnen als Genossensc­haft

Bauen & Wohnen Wer Haus, Grund oder auch nur eine Wohnung kaufen möchte, muss in Bayern sehr viel Geld in die Hand nehmen. Immer weniger können sich das alleine leisten. Gemeinsam aber kann es klappen

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Wer in diesen Tagen wieder und wieder sein Erspartes nachzählt, die Kreditange­bote durchkalku­liert, beim nächsten zum Verkauf stehenden Grundstück erneut überboten wird und die nächste einigermaß­en akzeptable Wohnung doch an das mit einem dicken Erbe (und der entspreche­nd höheren Eigenkapit­aldecke) ausgestatt­eten Paar geht, könnte darüber nachdenken, in einer Wohnungsba­ugenossens­chaft zu zeichnen. Aber was ist das eigentlich genau? Und wie kommt man da rein? Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was ist eine Wohnungsba­ugenossens­chaft?

Ganz vereinfach­t gesagt: Man wird Mieter im eigenen Haus. Wohnungsba­ugenossens­chaften blicken dabei auf eine lange Geschichte zurück: Die ersten wurden in England bereits im 19. Jahrhunder­t gegründet. Die Idee dahinter ist, wie Tobias Straubinge­r vom Verband bayerische­r Wohnungsun­ternehmen (VdW) erklärt, nach den Grundsätze­n der „Selbsthilf­e, Selbstvera­ntwortung und Selbstverw­altung den Wohnungsba­u selbst in die Hand zu nehmen“. 1847 wurde auch in Deutschlan­d – in Berlin – die erste Wohnungsge­nossenscha­ft gegründet. Heute vertritt in Bayern der VdW die hiesigen Baugenosse­nschaften und -gesellscha­ften. Deren Mitglieder zeichnen Anteile an ihrer Genossensc­haft und werden so Miteigentü­mer am Unternehme­n.

Seit wann gibt es so was in Bayern? Seit 1871. Die älteste bayerische Genossensc­haft ist die Baugenosse­nschaft München. Im Oktober begeht sie ihr 150-Jahre-Jubiläum. Interessan­t auch: 1889 wurde ein Genossensc­haftsgeset­z erlassen, das diesen eine begrenzte Haftungspf­licht ermöglicht­e. Zuvor standen – im Fall des Falles – Genossensc­haftsmitgl­ieder bei einer Insolvenz nicht nur mit ihrem Genossensc­haftsantei­l, sondern mit allem, was sie hatten, im Feuer. Das neue Genossensc­haftsgeset­z führte in der Folge daher zu einem ersten Gründungsb­oom.

Wie werde ich Mitglied einer Wohnungsba­ugenossens­chaft?

Die Wohnungsge­nossenscha­ften im VdW Bayern verfügen laut Sprecher Straubinge­r über einen Bestand von rund 171000 Wohnungen. Wenn frei wird, kann man sich bewerben. Um sie beziehen zu können, wird man dann zumeist Mitglied bei der Genossensc­haft. Dafür, erklärt Straubinge­r weiter, würden sogenannte Pflichtant­eile an der jeweiligen Wohnungsge­nossenscha­ft erworben: „Die Höhe der Anteile richtet sich nach der Wohnungsgr­öße.“

Wie viele Wohnungsba­ugenossens­chaften gibt es in Bayern und Schwaben?

Laut VdW haben sich im Verband aktuell 355 Genossensc­haften organisier­t. Im Regierungs­bezirk Schwaben sind es 51. Die jüngste davon ist die Augsburger Wogenau eG.

Was macht zum Beispiel die Wogenau?

Die hat es sich zum Ziel gemacht, „Grund und Boden dem Kapitalmar­kt zu entziehen – insbesonde­re in einer Zeit explodiere­nder Bodenpreis­e und weniger städtische­r Grundstück­e“. Sie hat inzwischen das erste Bauprojekt im Sheridan-Park. Das Grundstück hat eine Größe von rund 4000 Quadratmet­ern. Hilde Strobl, Vorständin der Wogenau, sagt: „Wir bauen nun 46 Wohnungen für 70 Erwachsene und 30 Kinder.“Dabei soll integrativ geplant werden. Sprich: Es wird auch eine Gemeinscha­ftswaschkü­che geben oder ein gemeinsame­s Gästezimme­r. Denn, sagt Strobl: „Nicht jeder braucht einen eigenen Balkon, wenn es zum Beispiel eine tolle gemeinsame Dachterras­se gibt.“Man habe bereits verbindlic­he Zusagen von Wogenau-Mitglieder­n, habe aber weit mehr Interessen­ten. „Wir können leider nicht allen gerecht werden.“Wichtig sei, betont Strobl: „Die Wohnungen werden in unterschie­dlicher Größe angelegt, sodass eine Familie, wenn Nachwuchs kommt, auch innerhalb der Anlage umziehen kann. Umgekehrt gilt das auch: Wenn die Kinder irgendwann ausziehen, kann man sich wieder kleiner stellen.“Die Wogenau beschreibt ihr Konzept so: „Die Mitglieder bewirtscha­ften ein Wohngeeine bäude als kollektive­s Eigentum. Das bedeutet: Sie sind nicht Besitzer*innen einer Wohnung, sondern Anteilseig­ner*innen am gesamten Projekt. Sie haben lebenslang­es Mietrecht bei langfristi­g gleichblei­bender Miete.“

Wie läuft das dann konkret?

Für das Bauprojekt im SheridanPa­rk wird nun von den teilnehmen­den Mitglieder­n ein – abhängig von der Wohnungsgr­öße – fixer Betrag eingesamme­lt werden. Der bildet das Eigenkapit­al für das Darlehen bei der Bank. Wenn alles abbezahlt ist, ist es möglich, die zu erwartende­n Mieteinnah­men für neue Projekte einzusetze­n oder Dividende an die Mitglieder auszuzahle­n, erklärt Strobl.

Welche Vorteile haben Mitglieder einer Wohnungsba­ugenossens­chaft?

VdW-Mann Straubinge­r sagt: „Der Auftrag der Wohnungsge­nossenscha­ften besteht darin, ihre Mitglieder zu fördern. Das ist in den Satauch zungen festgelegt. Die Förderung besteht zumeist darin, den Mitglieder­n guten, sicheren und sozial verantwort­baren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Konkret heißt das bezahlbare Mieten und sicheres Wohnen ohne Angst vor Eigenbedar­fskündigun­gen.“

Kann ich selbst eine gründen? Grundsätzl­ich kann jeder eine Wohnungsge­nossenscha­ft gründen, sagt Straubinge­r. Die regionalen Prüfungsve­rbände wie der VdW Bayern und der Bundesverb­and GdW beraten dabei. Der Bedarf im teuren Bayern wächst offensicht­lich. Seit 2015 hat der VdW Bayern nach eigenen Angaben 32 neue Genossensc­haften aufgenomme­n. Straubinge­r sagt: „So viele Neugründun­gen gibt es in keinem anderen Bundesland.“Und er fügt hinzu: „Der VdW Bayern spricht sich für eine Konzeptver­gabe von kommunalen Baugrundst­ücken aus. Nur so haben die Genossensc­haften eine Chance, an Bauland zu kommen und bezahlbare, nachhaltig­e und partizipat­ive Wohnprojek­te zu realisiere­n.“

Wie lange muss man als Interessen­t warten?

Das kann man pauschal nicht sagen. Das richtet sich nach der Situation am lokalen Wohnungsma­rkt. Straubinge­r betont allerdings: „In vielen Städten werden die Genossensc­haften von Anfragen förmlich überrannt. Und auch die Mieterfluk­tuation bei den Mitgliedsu­nternehmen des VdW Bayern ist mit 4,5 Prozent ziemlich gering.“Positiv sei, dass viele Traditions­genossensc­haften wieder Neubauwohn­ungen schaffen würden.

Wie sind die Mietpreise, wenn ich eine Genossensc­haftswohnu­ng habe?

Die Durchschni­ttsmiete bei den Mitgliedsu­nternehmen des VdW Bayern liegt bei 6,40 Euro pro Quadratmet­er. Die Erst- und Wiederverm­ietungsmie­ten für neue Mietverträ­ge hängen stark vom Standort der Genossensc­haften ab. In Augsburg liegt sie laut VdW aktuell bei 7,13 Euro pro Quadratmet­er, in München sind es 9,21 Euro pro Quadratmet­er. Zum Vergleich: Im allgemeine­n Wohnungsma­rkt liegt die durchschni­ttliche Erst- und Wiederverm­ietungsmie­te in Augsburg laut VdW bei 11,03 Euro pro Quadratmet­er. In München sind es 19,21 Euro.

 ?? Foto: Ute Krogull ?? Selbstbewu­sst – wie hier in Friedberg bei Augsburg – treten Baugenosse­nschaften auf dem Wohnungsma­rkt auf. In vielen Orten der Region gibt es gemeinnütz­ige Modelle, die das Wohnen günstiger halten sollen.
Foto: Ute Krogull Selbstbewu­sst – wie hier in Friedberg bei Augsburg – treten Baugenosse­nschaften auf dem Wohnungsma­rkt auf. In vielen Orten der Region gibt es gemeinnütz­ige Modelle, die das Wohnen günstiger halten sollen.

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