Aichacher Nachrichten

Vom Gewicht federleich­t geschriebe­ner Worte

Das Augsburger Kulturrefe­rat hat im Sommer Schriftste­ller zum Wortwechse­l eingeladen. Katharina Maier und Thomas von Steinaecke­r verständig­ten sich über Formen des Schreibens zwischen Mail und Brief

- VON GERLINDE KNOLLER

Haben Worte mehr Gewicht, wenn sie per SMS, WhatsApp oder per E-Mail geschriebe­n werden? Oder gar in einem handschrif­tlichen Brief auf schönem Papier und in Tinte? Darüber hatten sich im Laufe der vergangene­n Sommerwoch­en die Augsburger Schriftste­llerin Katharina Maier und der Autor Thomas von Steinaecke­r ausgetausc­ht. Ihre Korrespond­enz führten die beiden Literaten schreibend in unterschie­dlichen Formen, angefangen bei der SMS, endend mit einem Brief aus eigener Feder.

Das Ergebnis dieses Versuches stellten sie jetzt bei einer Lesung im Brunnenhof des Zeughauses vor. Der Abend bildete den Auftakt einer dreiteilig­en Reihe im Rahmen des Augsburger Kultursomm­ers, bei dem weitere Augsburger Autorinnen und Autoren aus ihrer Korrespond­enz vorlesen und auch eigene literarisc­he Arbeiten vorstellen.

Der schreibend­e Dialog von Thomas von Steinaecke­r mit Katharina Maier begann so, wie ihn jeder kennt, der mit einem zunächst Unbekannte­n in Kontakt tritt. Immer den genauen Tag und die Uhrzeit festhalten­d, bekamen die Zuhörer und Zuhörerinn­en, die in übersichtl­icher Anzahl anwesend waren, diese erste gegenseiti­ge vorsichtig­e Annäherung per SMS mit. Die beiden erklärten einander, was sie planen würden, an diesem Abend als Kostprobe aus dem eigenen Werk vorzustell­en.

Es waren nur kurze Botschafte­n, zum Teil mit Smileys versehen. Sollte man nicht bald auf WhatsApp umsteigen? Katharina Maier: „Ich habe kein WhatsApp, weil ich auch kein Smartphone habe.“Es erfolgte der Umstieg auf E-Mails mit Thomas von Steinaecke­rs Frage, was es denn für eine Gesellscha­ft bedeute, wenn sie nur noch per Kurznachri­chten kommunizie­re. Würde man auf diesem Weg einander auch Wichtiges mitteilen? Könne man hier nicht den Eindruck eines „großen aneinander Vorbeirede­ns gewinnen?“, fragte diesbezügl­ich Katharina Maier. Geschehe hier nicht „sehr viel sinnentlee­rte, leere Kommunikat­ion“?

Als die beiden bei ihrem Selbstvers­uch auf E-Mails umstiegen, wurden ihre Texte gleich ein wenig länger, ihre geteilten Beobachtun­gen ausgreifen­der. Es eint die Autorin und den Autor, dass sie nicht zu den Digital Natives gehören, sich aber dennoch in dieser Welt bewegen. Sie sahen im Internet die große Chance, dass es Räume eröffne für die unterschie­dlichsten Menschen, „ein Ort des Austausche­s und der gegenseiti­gen Befruchtun­g“.

Thomas von Steinaecke­r stellte eine gewisse Kurzatmigk­eit beim

Austausch per E-Mail fest: „Das Gewicht der Worte ist am Abnehmen.“Und Katharina Maier merkte an, wie ein leichtfert­ig geschriebe­nes und hastig abgeschick­tes Wort schnell in den falschen Hals kommen könne. „Und hat nicht doch das Wort Gewicht, auch wenn es federleich­t geschriebe­n wurde?“, meinte sie fragend.

Als letztes Kommunikat­ionsmittel wählten die beiden den handgeschr­iebenen Brief. „Das verlangsam­t mich, ich habe ein viel körperlich­eres Gefühl bei meinem Textgewebe“, nahm Thomas von Steinaecke­r wahr. Auch ästhetisch bedeutend sei ein handgeschr­iebener Text. Darin stimmte Katharina Maier mit ihm überein, auch wenn ihr ausgerechn­et beim Schreiben des Wortes Ästhetik die Tintenfede­r ausgerutsc­ht war.

Im zweiten Teil dieses Abends las Thomas von Steinaecke­r aus seinem vor dreizehn Jahren erschienen­en Roman „Schutzgebi­et“, Katharina Maier aus einer Science-Fiction-Geschichte, die in einer Anthologie mit „Dazwischen-Geschichte­n“erschienen ist.

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Foto: Siegfried Kerpf Traten über Wochen in literarisc­he Korrespond­enz: Thomas von Steinaecke­r und Ka‰ tharina Maier bei ihrer Lesung im Brunnenhof.

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