Rembrandt und seine Weggefährten
Ausstellung Das Schaezlerpalais zeigt den niederländischen Meister, dazu seinen Lehrer und seine Malkollegen, seine Schüler und Nachfolger. Eine souveräne Schau, weil sie gelegentlich auch auf Schwächen hinweist
„Lehrer Rembrandt – Der große Maler im Spiegel seiner Schüler“– so lautet der Titel der jüngsten Ausstellung im zweiten Obergeschoss des Schaezlerpalais.
Man darf, man sollte das aus dreierlei Gründen nicht wörtlich nehmen. Erstens impliziert das Wort „Schüler“eine geradezu körpernahe Zusammenarbeit – zu sehen sind aber auch Arbeiten, die zwar der Kunst Rembrandts nahestehen und ihr nachfolgen, bei denen aber durchaus nicht gesichert ist, dass ihr Schöpfer in der Leidener oder Amsterdamer Werkstatt Rembrandts lernte. Zweitens präsentiert diese Schau beispielhaft auch den, der Rembrandt vorausging, nämlich seinen Lehrer Pieter Lastmann, sowie seinen befreundeten, nahezu gleichaltrigen Kollegen Jan Lievens, mit dem sich Rembrandt etliche Jahre ein Atelier teilte – auch er ein Schüler Lastmanns.
Und drittens, alles andere als nebensächlich, sind ja nun auch eigenhändige Arbeiten des niederländischen Barock-Meisters zu sehen: Zeichnung, Radierung – und als Mittel- und Höhepunkt der Ausstellung das Gemälde von Rembrandts zweiter Lebenspartnerin Hendrickje Stoffels als Göttin Pallas Athene. Kunstsammlungsdirektor Christof Trepesch spricht sogar vom allerersten Rembrandt-Gemälde, das im Schaezlerpalais überhaupt zu sehen ist (Abbildung rechts). Und das bleibt insbesondere auch deswegen von Bedeutung, weil es zwar gute Argumente für die Echtheit des Gemäldes um 1654 gibt (Katalog!), aber demnächst auch Vertreter des „Rembrandt Research Project“aus Amsterdam anreisen, um das Porträt genau unter die Lupe zu nehmen und ein in gewisser Weise „höchstinstanzliches“Urteil zu finden. Das Rembrandt Research Projekt ist seit 1968 tätig.
Spannende Vorgänge also werden sich bald im Schaezlerpalais abspielen um dieses Bild aus einer ungenannt bleiben wollenden süddeutschen Privatsammlung, die nun zusammen mit Werken aus den Augsburger Kunstsammlungen diese Rembrandt-Schau bildet. Jedenfalls ist festzuhalten, dass durch die Teilnahme von Rembrandts Lehrer Lastmann, von Rembrandts Studienkollegen und Mitstreiter Lievens, dazu auch von künstlerischen Nachfolgern, die teils sogar erst nach Rembrandts Tod geboren wurden, diese Schau mehr darstellt als nur ein „Spiegel seiner Schüler“. Gezeigt wird vielmehr ein ganzer Komplex Rembrandt – wenn man denn von den großen Worten Universum und Kosmos verständlicherweise Abstand nehmen will.
Dass es diesen umfangreichen Komplex in der Folge Rembrandts gibt, ist übergeordnet seiner exzeptionellen künstlerischen Strahlkraft zuzurechnen – und untergeordnet seinen vielen tatsächlichen Schülern, namentlich um die 50 an der Zahl, wie Ausstellungskuratorin Julia Quandt darlegt. Deren Biografien und Werke füllen weitere Tausende Seiten in Dokumentationen. Mancher hat es unbestritten – bei zu zahlendem hohen Lehrgeld – ebenfalls zum Meister und zur festen Position in der Kunstgeschichte gebracht – wie etwa Gerrit Dou, von dem ein idealtypisch verschattetes Stillleben zu sehen ist, wie Carel Fabritius (Federzeichnung eines schlafenden Mädchens), wie Ferdinand Bol (Federzeichnung einer Frau auf dem Totenbett), der sich bei Rembrandt den letzten Schliff erst holte.
Mancher aber hat es – trotz der namhaften Rembrandt-Schule nicht bis zum letzten Schliff gebracht, und es ehrt diese Exposition und macht sie souverän, dass sie gelegentlich auch auf handwerkliche Schwächen in manchen gezeigten Arbeiten hinweist. Dass der Monogrammist IS Schwierigkeiten mit der Darstellung von Augen und Körperproportionen hatte, bleibt offen ersichtlich, dass es an anderer Stelle Probleme mit der Darstellung von Händen gab – was man in der Gesamtkomposition schnell übersieht –, darauf wird dankenswerter Weise hingewiesen. Und so ist diese Schau auch eine wunderbare Schule des Sehens. Der (beiläufige) Hinweis für das Erkennen von Schwächen erhöht die Wertschätzung von Stärken immens.
Was noch lohnenswert ist: die neuerliche Betrachtung der Kunstsammlungsarbeiten von Isaac de Jouderville und Christian Wilhelm Ernst Dietrich in diesem Umfeld, also dieser sympathisch offene Blick einer jungen Frau und dieses dramatische „Ecce homo“-Motiv des wertgeschätzten Dresdner Nachfolgers. Und lohnenswert ist auch die Vertiefung in den Augsburger Rembrandt-Schüler Johann Ulrich Mayr, der in Selbst- und Elternporträt selbstredend dem Chiaroscuro und den Erdtönungen des Lehrmeisters folgt, aber auch ganz anders kann: Hinreißend licht und fein sind seine beiden Kreidezeichnungen auf blauem Tonpapier, darstellend die Porträts zweier junger Damen, nachdenklich, versunken, innig. Ein Einfühlsamer malte Einfühlsame.
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Lehrer Rembrandt – Der gro ße Maler im Spiegel seiner Schü ler: Laufzeit bis 16. Januar 2022, Öff nungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 20 Uhr. Ein Katalog der bereits in Teilen im Kunstverein Aalen gezeig ten Ausstellung kostet 24,95 Euro; die Broschüre für die Augsburger Version der Schau wird bei Erscheinen neun Euro kosten.