Respekt, Herr Polizist
Porträt Ali-Hussain Ali hat die irakische und deutsche Staatsbürgerschaft. Als Augsburger mit Migrationshintergrund ist ihm vor allem Respekt wichtig. Erst engagierte er sich in einem Aufklärungsprojekt, heute geht er auf Streife
Ali-Hussain Ali hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Wenn er sich unfair behandelt fühlt, sucht der 25-Jährige das Gespräch. Wie unlängst, als er einen Zettel an seinem Auto vorfand, in dem er beschimpft wurde. Dem Deutsch-Iraker ist gegenseitiger Respekt unter Menschen – egal welcher Nationalität – wichtig. Auch deshalb war er von dem Projekt „Heroes“des Augsburger Vereins Die Brücke angetan. Schon im Alter von 16 Jahren engagierte er sich dort in der Aufklärungsarbeit, die sich vor allem an junge Migranten richtet. Die Erfahrung kommt ihm jetzt zugute. Denn inzwischen arbeitet Ali-Hussain Ali bei der Polizei.
Der junge Mann mit dem gepflegten, schwarzen Vollbart erinnert sich noch genau an den Ethikunterricht an seiner Schule, als „Heroes“vorgestellt wurde. 16 Jahre war er damals alt und begeistert. Er entschied, sich dort ehrenamtlich zu beteiligen. Daraus sollten rund acht Jahre werden. Der Augsburger Verein Die Brücke bildet männliche Jugendliche, die aus sogenannten Ehrenkulturen stammen und etwas bewegen wollen, zu „Heroes“aus. Sie leiten in Schulen und Jugendeinrichtungen Workshops, in denen Gleichberechtigung, Konfliktbewältigung und Ehrverletzung thematisiert werden. Das Präventionsangebot ist für junge Männer mit Migrationshintergrund gedacht. Diesen hat auch Ali-Hussain Ali. Er kam in Bagdad auf die Welt. Als seine Eltern mit ihm in den 90er-Jahren aus dem Irak flohen, weil sie als Schiiten politisch verfolgt wurden, war er noch ein Baby.
Die irakische Familie fasste in Augsburg Fuß. Hier wurden die drei Geschwister von Ali geboren. Weil die akademische Ausbildung der Eltern damals in Deutschland nicht anerkannt wurde, hätten sie von vorne anfangen müssen, berichtet der 25-Jährige. Heute betreibt der Vater eine eigene Kfz-Werkstatt und dolmetscht für die Polizei bei Vernehmungen mit Arabischsprechenden, beide Eltern arbeiten zudem als Übersetzer für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Ali-Hussain Ali ist stolz auf seine Eltern, sie sind seine Vorbilder. „Meine Geschwister und ich lernten von ihnen, dass Fleiß und Ehrgeiz wichtig sind. Wir alle waren oder sind auf dem Gymnasium.“Für ihn ist Augsburg seine Heimat. Ali Hussain-Ali hat die irakische und die deutsche Staatsbürgerschaft. Er sagt, er profitiere von beiden Kulturen.
„Ich picke mir aus dem deutschen und aus dem arabischen Leben das Beste heraus, die deutschen Tugenden und gewisse Werte.“Die Vorvon Ehre, meint er, sei bei der deutschen Bevölkerung nicht so präsent. „Bei uns daheim passen mein Bruder und ich auf unsere Schwestern auf, ohne sie zu bevormunden. Was unsere Eltern sagen, ist für uns Gesetz und unsere Mutter ist das „höchste Gut“, erklärt er. Dass eine falsche Ehrvorstellung bei jungen Migranten auch problematisch sein kann, weiß Ali aus seiner langjährigen Arbeit als „Hero“. In Diskussionen hat er andere junge Männer mit Migrationshintergrund dafür sensibilisiert, Konfliktsituationen überlegt zu lösen. „Wir bringen den Teilnehmern bei, ihr Handeln zu hinterfragen und nachzudenken, welche Konsequenzen aus ihrem Verhalten resultieren.“Von der Arbeit profitiere er jetzt auch in seinem neuen Beruf als Polizist. „Wenn ich Konfliktsituationen managen muss, weiß ich, wie ich das Gegenüber beruhige und deeskaliere.“Freilich sei das nicht in allen Fällen möglich. Dass Ali-Hussain Ali zur Polizei ging, hat etwas mit Fußball zu tun.
Mit dem Beruf liebäugelte er schon als Jugendlicher. Geprägt habe ihn, dass der Vater eines Mitspielers und einer seiner Fußballtrainer Polizisten waren. „Du sprichst Arabisch und machst Abitur, die Polizei nimmt dich mit offenen Armen“, hätten sie ihm gesagt. Zwar fing Ali mit einem Fahrzeugtechnikstudium an, doch das war ihm zu theoretisch. „Noch im Hörsaal habe ich meine Bewerbung für die Polizei geschrieben.“Seit März dieses Jahres arbeitet der Augsburger bei der Autobahnpolizei in Günzburg. Unfälle, Kontrollen, Verkehrsdelikte sind sein täglich Brot. Er ist gespannt, welche Statioer bei der Polizei vielleicht noch durchlaufen wird. „Es gibt so viele spannende Arbeitsbereiche.“
Dass er Migrationshintergrund hat, komme ihm bei der Arbeit zugute, ist er überzeugt. „Als Schwarzhaarkopf mit Vollbart wird man von gleich aussehenden Menschen anders wahrgenommen“, meint er augenzwinkernd. Geschimpfe auf die Polizei kann der Deutsch-Iraker weder leiden, noch nachvollziehen. Selbst in seinem eigenen Freundeskreis begegne er mitunter Antihaltungen gegenüber den Beamten. Dann führt er Diskussionen, erklärt die Arbeit der Polizei. Ali ist gegenseitiger Respekt wichtig. Umso schlimmer findet er es, dass dieser gegenüber Einsatzkräften immer mehr verloren geht. Fühlt er sich selbst als Person unfair behandelt, spricht er es an, wie neulich.
Als er nachts von der Schicht nach Hause kam und bei ihm vor der Wohnung alles zugeparkt war, fand er ein paar Straßen weiter einen letzten Parkplatz. Am folgenden Morgen entdeckte der 25-Jährige einen Zettel an der Windschutzscheibe, auf dem er beschimpft wurde. Er hatte das Auto auf Höhe eines Gartentors abgestellt. „Es war ein legitimer Parkplatz“, betont er. Ali klingelte an der Haustüre. Er wollte wissen, was er falsch gemacht haben soll, und führte mit dem Ehepaar ein konstruktives Gespräch, wie er schildert. Als plötzlich sein Mitbewohner, ein Deutsch-Türke, vorbeikam, habe die Frau zu ihrem Mann gesagt: „Schau mal, noch so einer.“„Das fand Ali „echt frustrierend“. Ablehnung oder Vorurteile aufgrund seiner Herkunft erfuhr und erfährt er in seinem Leben imstellung mer wieder, sagt der gebürtige Iraker. „Außenstehende werden immer denken, dass ich kein Deutscher bin. Das wird sich nicht ändern.“Es ist eine nüchterne Festnen stellung, kein Klagen. Ali-Hussain Ali sagt, er komme damit klar. Schließlich habe er im zwischenmenschlichen Umgang, gerade bei den „Heroes“, viel gelernt.