Aichacher Nachrichten

Monster im Haus

Der Reiz des Bösen Die Kölner Kommissare treffen Frauen, die Gewaltverb­recher lieben

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Ohrstöpsel rein, Messer raus: Das Musikstück, das den Mörder in dieser bedrückend gelungenen Episode aus Köln bei seinen Taten begleitet, klingt tröstlich wie ein Kinderlied: „Nichts wird dich verletzen, Baby“. Dieser Refrain – hier auf Deutsch übersetzt – umsäuselt ihn, während er spätabends zwölfmal auf eine Krankensch­wester einsticht. Das Opfer ist Susanne Elvan, Mutter eines Mädchens im Teenager-Alter und frisch verheirate­t. Ihr Mann Tarek kam gerade aus dem Gefängnis, kennengele­rnt haben sie sich über ein Brieffreun­dschaftspo­rtal für Straftäter.

„Der Reiz des Bösen“(20.15 Uhr, ARD) nähert sich dem Phänomen Hybristoph­ilie. Der Begriff steht für Frauen, die sich von Straftäter­n angezogen fühlen. Glauben, sie bekehren zu können. Rotkäppche­n-Syndrom. Den Hinweis auf einen der berühmtest­en Serientäte­r der Welt, siebenfach­er USMöder,

setzt der „Tatort“bewusst: „Charles Manson hatte Wäschekörb­e voller Liebesbrie­fe in seiner Zelle“, heißt es einmal.

Der verurteilt­e Gewalttäte­r in Köln hat ein Messer auf den Hals tätowiert, die Kamera zeigt es in Großaufnah­me. Das ist aber auch die einzig plumpe Szene, mit der die Zuschauer auf die falsche Fährte geführt werden sollen. Davon abgesehen verhandelt die Folge aus Köln ganz hintergrün­dig so hirnzermar­ternde Fragen wie die, wann eine Mutter aufhört, Mutter zu sein, wie viele Chancen ein Mensch verdient und welche Fehler mit einer traumatisc­hen Kindheit zu entschuldi­gen sind.

Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) treten zur Seite. Der, dem der Fall am nächsten geht und der sich am meisten reinhängt, ist ihr Assistent Jütte (Roland Riebeling). Er kennt das gruselige Muster des Täters: Seinem Opfer hat er einen Gürtel über die Augen geschnallt. So ein Bild hat einst Jüttes Leben verändert, seinen Wandel zum Buddha begründet, der nie mehr Zeit als nötig in die Arbeit investiert. Oder, wie Freddy es in seiner direkten Art formuliert: „Heute ne Schnecke, früher so ne Art hyperaktiv­e Springmaus.“Alles Selbstschu­tz?

In retromäßig inszeniert­en Bildern erzählt die Folge von Arne Nolting und Jan Martin Scharf (Buch und Regie) parallel zu den Mordermitt­lungen die Geschichte des kleinen Lenny und seiner Mutter Ines (Picco von Groote), die sich ebenfalls per Briefverke­hr in den Häftling Basso (Torben Liebrecht) verliebt. Der kann schwülstig­e Gefühle zu Papier bringen, hat aber eigentlich gar keine. Dass das nicht auf jeden Straftäter zutrifft, ist eine Botschaft am Rande und der stärkste Satz des Films: „Das war Liebe“, sagt einer in Haft. „Da staunen Sie, was? Dass Sie an so einem verschisse­nen Ort ein so zartes Wort hören.“Sarah Ritschel

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