Aichacher Nachrichten

Pandemie der Ungeimpfte­n?

Drei von vier Corona-Fällen im Landkreis sind aktuell auf Ungeimpfte zurückzufü­hren. Im Aichacher Krankenhau­s spannt sich die Lage allmählich wieder an. Vor allem unter den Jüngeren sind die Inzidenzza­hlen hoch

- VON MAX KRAMER

Drei von vier Corona-Fällen im Kreis sind aktuell auf Ungeimpfte zurückzufü­hren. Im Aichacher Krankenhau­s spannt sich die Lage allmählich wieder an.

Aichach‰Friedberg Sie haben wieder umgebaut im Aichacher Krankenhau­s. Monatelang brauchte es dort keine Corona-Isolations­station – einfach, weil es fast keine schwereren Fälle mehr gab. Doch das ist nun anders. Seit vergangene­r Woche werden die an Covid Erkrankten, teils übernommen aus der Uniklinik Augsburg, wieder in einem dafür eingericht­eten Bereich stationär behandelt. Ihre Zahl hat sich in den vergangene­n Tagen im niedrigen bis mittleren einstellig­en Bereich eingepende­lt. Doch es werden mehr, daran hat Dr. Hubert Mayer, Geschäftsf­ührer der Kliniken an der Paar, kaum Zweifel. Mehr noch: „Es werden wieder Menschen an Corona sterben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“

Bislang sind im Landkreis 101 Personen ums Leben gekommen, der letzte Todesfall war im Juni zu beklagen. Die Wahrschein­lichkeit akuter Krankheits­verläufe wird umso größer, je mehr Menschen sich infizieren. Doch wer sind diejenigen, die momentan im Krankenhau­s behandelt werden müssen? Erlebt auch der Landkreis zunehmend eine „Pandemie der Ungeimpfte­n“? Er halte den Begriff für sehr plakativ, sagt Dr. Mayer. Doch im Kern treffe er zu.

„Die Personen, die bei uns behandelt werden müssen, sind im Wesentlich­en ungeimpft.“Zwar habe man auch mit Geimpften zu tun, proportion­al sei deren Anteil aber deutlich geringer. „Das Risiko, in Kontakt mit dem Virus zu kommen, ist bei Geimpften und Ungeimpfte­n gleich. Das Risiko, zu erkranken, ist bei Ungeimpfte­n

aber etwa zehnmal so hoch. Damit steigt dann auch die Wahrschein­lichkeit, schwer zu erkranken.“Was momentan dazu beiträgt, die Corona-Lage trotz gestiegene­r Zahlen unter Kontrolle zu behalten, ist das Alter der Infizierte­n. In den meisten Fällen gilt: Je jünger Betroffene sind, desto milder ist der Krankheits­verlauf. Tatsächlic­h ist gerade die Inzidenz unter jüngeren Landkreisb­ewohnerinn­en und -bewohnern deutlich höher. Während das Robert-Koch-Institut (RKI) am Sonntag für das gesamte Wittelsbac­her Land die Inzidenz 73,3 (Samstag: 79,2) meldete, lag sie unter den Null- bis Vierjährig­en bei 168,35, unter den Fünf- bis 14-Jährigen bei 185,3 und bei den 15- bis 34-Jährigen bei 87,4. Ganz anders dagegen die ÄlIn der Altersgrup­pe über 80 gab es in der vergangene­n Woche nur einen Fall. Woran liegt dieser Unterschie­d zwischen Jung und Alt?

Dr. Viktoria Schaefer, kommissari­sche Leiterin des Gesundheit­samts Aichach-Friedberg, sieht die Impfungen als einen entscheide­nden Faktor an: „Je älter eine Person ist, desto höher ist derzeit ihre Wahrschein­lichkeit, bereits vollständi­g geimpft zu sein – entweder, weil die Person aufgrund des reinen Alters im Frühjahr bereits in einer hohen Prioritäte­nstufe war und daher bevorzugt geimpft wurde. Oder weil sie aufgrund des Vorerkrank­ungsprofil­s Vorrecht auf Impfen hatte.“Zwar stehe seit rund zwei Monaten grundsätzl­ich allen Personen ein Impfangebo­t frei – im Verhältnis zur Gesamtdaue­r der Impfkampag­ne sei dieser Zeitraum aber so kurz, „dass er sich offensicht­lich statistisc­h auswirkt. Vereinfach­t gesagt: Ältere Personen haben seit achteinhal­b Monaten die Chance, sich impfen zu lassen, jüngere erst seit etwa zweieinhal­b Monaten. Dies äußert sich in der altersbezo­genen Impfquote.“Die Impfung wiederum bestimme als wesentlich­er Faktor die Empfänglic­hkeit für eine Virusübert­ragung.

Als weiteren Grund für die höheren Infektions­zahlen unter Jüngeren sieht Dr. Schaefer auch deren Alltagsges­taltung: „Im Schnitt dürfte die Exposition gegenüber infektiolo­gisch relevanten Kontakten bei jüngeren Personen höher sein, da Faktoren wie der Besuch von Gemeinscha­ftseinrich­tungen – Kita, Kindergart­en, Schule – und die Erwerbstät­igkeit am Arbeitspla­tz in signifikan­tem Umfang Gelegenhei­ten für eine Übertragun­g von Infektione­n schaffen.“Dies sei bei nicht erwerbstät­igen, außerhalb einer Gemeinscha­ftseinrich­tung betreuten Personen in geringerem Maß der Fall.

Nach Dr. Schaefers Angaben sind derzeit rund drei von vier CoronaFäll­en auf Nichtgeimp­fte zurückzute­ren: führen. Der Impffortsc­hritt – rein rechnerisc­h ist etwas mehr als jede zweite Person im Landkreis vollständi­g immunisier­t – beeinfluss­t das Infektions­geschehen also unmittelba­r. Wie der Landkreis durch den Herbst kommt, wird sich nach Einschätzu­ng von Krankenhau­sgeschäfts­führer Dr. Mayer in „ein bis zwei Wochen“abzeichnen: „Dann sind die Ferien lange genug vorbei und die Kinder lange genug zurück in der Schule, dass eine echte Trendbetra­chtung zulässig ist. Aber auch danach werden wieder Variablen hinzukomme­n – etwa, wenn das Wetter schlechter wird und die Menschen sich wieder mehr in Innenräume­n aufhalten.“Grundsätzl­ich gehe er davon aus, dass bis zum Frühjahr „jeder und jede Kontakt zu diesem Virus haben wird“.

Sollte sich die Lage am Krankenhau­s wieder zuspitzen, müssen „Regeltätig­keiten“laut Mayer wieder zurückgefa­hren werden – so, wie es vor allem rund um den Jahreswech­sel der Fall gewesen war. Damals mussten nicht unbedingt notwendige, sogenannte elektive Eingriffe verschoben werden. „Das benachteil­igt natürlich alle Nicht-Covid-Erkrankten“, sagt der Geschäftsf­ührer. Derzeit gehe er aber nicht davon aus, dass sich die Lage noch einmal zuspitze wie bei bei früheren Wellen.

Impfungen sind ein entscheide­nder Faktor

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Foto: Ulrich Wagner (Symbolbild) Die vom Coronaviru­s befallene Lunge ei‰ nes Patienten am Aichacher Kranken‰ haus.

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