Aichacher Nachrichten

Das Verlagshau­s Holfelder ist ausgebrann­t

Der Großbrand in der Karolinens­traße hat ein Haus mit langer Tradition zerstört. Um 1900 waren dort auch Augsburg-Postkarten zu erwerben. Einige Jahre später wurde das Haus grundlegen­d umgebaut

- VON FRANZ HÄUSSLER

Mit dem Feuer in der Karolinens­traße ist ein Stück Augsburger Geschichte in Flammen aufgegange­n. Dort war einst ein Verlag zu Hause, der sich auch auf Augsburg-Postkarten spezialisi­ert hat, wie auf historisch­en Augsburg-Postkarten in winziger Schrift zu lesen ist: „Verlag von C. Holfelder & Cie., Augsburg“heißt es dort. Es war eine jener Papierware­nhandlunge­n, die ab Ende des 19. Jahrhunder­ts Postkarten und Sammelalbe­n nicht nur verkauften, sondern auch herstellen ließen. Seit Beginn der Ansichtska­rten-Produktion um 1895 beherrscht­en ansonsten deutschlan­dweit agierende Großverlag­e mit gängigen Augsburg-Motiven den Markt.

Augsburger Geschäftsl­eute wollten an dem Postkarten­boom teilhaben und ergänzten das Angebot durch Eigenprodu­ktionen. Die Herstellun­g von Ansichtska­rten für einen begrenzten örtlichen Markt war allerdings ein risikoreic­hes Geschäft. Trotzdem ließen ab 1895 Augsburger Kleinverle­ger fantasievo­lle Ansichtska­rten von Künstlern gestalten und von Steindruck­ereien herstellen.

Diese Lithografi­eanstalten (nach griechisch Lithos = Stein) verwendete­n als Druckplatt­en polierten Solnhofer Stein. Sie druckten mit bis zu fünf Farben sehr ansprechen­de Karten. Diese bunten Postkarten waren beliebt, jedoch teuer. Nur ein paar Augsburger Unternehme­n konnten sich längere Zeit als Postkarten­verleger behaupten: die Lithografe­n J. Ringler & Sohn mit prächtigen bunten Lithografi­en sowie Kutscher & Gehr und der Verlag J. J. Brack mit Fotokarten.

Ab etwa 1900 waren Fotografie­n in guter Qualität im Lichtdruck wiederzuge­ben. Bei Billigkart­en kam der Buchdruck zum Zug. Dafür mussten die Fotos mit einem Raster in winzige Punkte zerlegt werden. Das brachte Unschärfe mit sich. C. Holfelder & Cie. ließ in verschiede­nen Druckverfa­hren produziere­n. Ein prächtiges Beispiel für eine mehrfarbig­e Lithografi­e ist ein „Gruss aus Augsburg“mit einem gezeichnet­en Stadtüberb­lick. Die Karte wurde am 9. Juli 1899 versandt. Ein kolorierte­s Foto „Schiess-Stätte“legte Holfelder um 1900 auf. Die Verlags-Nr. 611 ist eine 1902 gemalte Ansicht der Maximilian­straße zwischen Moritzplat­z und Rathaus. Mit „1906/1907“ist vom Verleger ein Foto vom Stadttheat­er datiert.

Postkarten mit dem Verlagsnam­en sind erhalten, vom Verlagsgeb­äude gibt es nur noch Reste: Es war das Haus Karolinens­traße 15! Hier zog 1859 die C. Holfelders­che Papierund Schreibwar­enhandlung ein. Ihre Ursprünge waren ein Laden auf der Barfüßerbr­ücke. 1849 verlegte Carl Holfelder sein Geschäft an die Maximilian­straße 17. 1859 nahm er als Teilhaber Stephan Pöllnitz hinzu und wechselte den Standort: Er übersiedel­te als Mieter ins Gebäude Litera D 41 (Anschrift seit 1938: Karolinens­traße 15). 1875 schied Carl Holfelder aus der Firma aus, ab 1. Juli 1882 war Richard Martin Alleinbesi­tzer. Der offenbar gut eingeführt­e Firmenname „C. Holfelder & Cie.“blieb jedoch.

Die Geschäfte liefen gut, und Richard Martin konnte am 10. Januar 1891 das Haus Litera D 41 kaufen und 1893/94 innen wie außen grundlegen­d instand setzen. Wie sich die Schaufassa­de durch den Umbau veränderte, dokumentie­ren zwei Fotos. 1930 hatte der damalige

Hausbesitz­er August Martin mit den Aufnahmen „Vor dem Umbau“und „Nach dem Umbau“eine ganzseitig­e Werbeanzei­ge der Papier-, Schreib- und Galanterie­warenGroßh­andlung C. Holfelder & Cie. bestückt. Es war wohl die letzte Darstellun­g seiner Firma.

Im Adressbuch für 1933 fehlt das Großhandel­sunternehm­en und das Gebäude Litera D 41 hat den Besitzer gewechselt. Der Kaufmann Max

Hicker hat es erworben. Er bietet 1933 im Ladengesch­äft im Parterre Kinderwage­n, Korb- und Lederwaren an. Das Gebäude überstand als einziges Haus an der Westseite der Karolinens­traße den Bombenkrie­g in reparablem Zustand und wurde durch die Brüder Hicker wieder instand gesetzt.

Die zwei 1930 veröffentl­ichten Ansichten der Fassade besitzen einen enormen dokumentar­ischen Wert. Sie belegen einen Abschnitt der jüngeren Hausgeschi­chte. Der Bilderverg­leich zeigt, dass beim Umbau 1893/94 die Hausdurchf­ahrt in die Parterre-Geschäftsr­äume einbezogen wurde. Die über der Durchfahrt in einer Nische platzierte Madonna übersiedel­te in einen beim Umbau aufgesetzt­en zweistöcki­gen Giebel im Dachbereic­h. Das vierstöcki­ge Dach besaß zuvor nur acht Gauben. Die Ladenräume im Parterre wurden erhöht. Das linke Geschäft trägt nun die große Aufschrift „C. Holfelder & Cie.“.

Aus den im Stadtarchi­v verwahrten Grundbucha­uszügen geht zur frühen Baugeschic­hte des Anwesens nichts hervor. Die handschrif­tlichen Einträge belegen eine Vielzahl Besitzwech­sel von 1635 bis 1867. Die oftmalige Bezeichnun­g „Handelsman­n“deutet an, dass es sich jahrhunder­telang um eine gut vermietbar­e Rendite-Immobilie handelte.

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Fotos: Sammlung Häußler Das Haus Karolinens­traße 15 (jeweils Bildmittte) vor und unmittelba­r nach der Neugestalt­ung der Fassade beim Umbau 1893/94.
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Der Aufdruck „Verlag von C. Holfelder & Cie., Augsburg“(rechts unter dem Bild) auf der 1899 versandten Postkarte ist teilweise von der Schrift überdeckt.

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