Das Verlagshaus Holfelder ist ausgebrannt
Der Großbrand in der Karolinenstraße hat ein Haus mit langer Tradition zerstört. Um 1900 waren dort auch Augsburg-Postkarten zu erwerben. Einige Jahre später wurde das Haus grundlegend umgebaut
Mit dem Feuer in der Karolinenstraße ist ein Stück Augsburger Geschichte in Flammen aufgegangen. Dort war einst ein Verlag zu Hause, der sich auch auf Augsburg-Postkarten spezialisiert hat, wie auf historischen Augsburg-Postkarten in winziger Schrift zu lesen ist: „Verlag von C. Holfelder & Cie., Augsburg“heißt es dort. Es war eine jener Papierwarenhandlungen, die ab Ende des 19. Jahrhunderts Postkarten und Sammelalben nicht nur verkauften, sondern auch herstellen ließen. Seit Beginn der Ansichtskarten-Produktion um 1895 beherrschten ansonsten deutschlandweit agierende Großverlage mit gängigen Augsburg-Motiven den Markt.
Augsburger Geschäftsleute wollten an dem Postkartenboom teilhaben und ergänzten das Angebot durch Eigenproduktionen. Die Herstellung von Ansichtskarten für einen begrenzten örtlichen Markt war allerdings ein risikoreiches Geschäft. Trotzdem ließen ab 1895 Augsburger Kleinverleger fantasievolle Ansichtskarten von Künstlern gestalten und von Steindruckereien herstellen.
Diese Lithografieanstalten (nach griechisch Lithos = Stein) verwendeten als Druckplatten polierten Solnhofer Stein. Sie druckten mit bis zu fünf Farben sehr ansprechende Karten. Diese bunten Postkarten waren beliebt, jedoch teuer. Nur ein paar Augsburger Unternehmen konnten sich längere Zeit als Postkartenverleger behaupten: die Lithografen J. Ringler & Sohn mit prächtigen bunten Lithografien sowie Kutscher & Gehr und der Verlag J. J. Brack mit Fotokarten.
Ab etwa 1900 waren Fotografien in guter Qualität im Lichtdruck wiederzugeben. Bei Billigkarten kam der Buchdruck zum Zug. Dafür mussten die Fotos mit einem Raster in winzige Punkte zerlegt werden. Das brachte Unschärfe mit sich. C. Holfelder & Cie. ließ in verschiedenen Druckverfahren produzieren. Ein prächtiges Beispiel für eine mehrfarbige Lithografie ist ein „Gruss aus Augsburg“mit einem gezeichneten Stadtüberblick. Die Karte wurde am 9. Juli 1899 versandt. Ein koloriertes Foto „Schiess-Stätte“legte Holfelder um 1900 auf. Die Verlags-Nr. 611 ist eine 1902 gemalte Ansicht der Maximilianstraße zwischen Moritzplatz und Rathaus. Mit „1906/1907“ist vom Verleger ein Foto vom Stadttheater datiert.
Postkarten mit dem Verlagsnamen sind erhalten, vom Verlagsgebäude gibt es nur noch Reste: Es war das Haus Karolinenstraße 15! Hier zog 1859 die C. Holfeldersche Papierund Schreibwarenhandlung ein. Ihre Ursprünge waren ein Laden auf der Barfüßerbrücke. 1849 verlegte Carl Holfelder sein Geschäft an die Maximilianstraße 17. 1859 nahm er als Teilhaber Stephan Pöllnitz hinzu und wechselte den Standort: Er übersiedelte als Mieter ins Gebäude Litera D 41 (Anschrift seit 1938: Karolinenstraße 15). 1875 schied Carl Holfelder aus der Firma aus, ab 1. Juli 1882 war Richard Martin Alleinbesitzer. Der offenbar gut eingeführte Firmenname „C. Holfelder & Cie.“blieb jedoch.
Die Geschäfte liefen gut, und Richard Martin konnte am 10. Januar 1891 das Haus Litera D 41 kaufen und 1893/94 innen wie außen grundlegend instand setzen. Wie sich die Schaufassade durch den Umbau veränderte, dokumentieren zwei Fotos. 1930 hatte der damalige
Hausbesitzer August Martin mit den Aufnahmen „Vor dem Umbau“und „Nach dem Umbau“eine ganzseitige Werbeanzeige der Papier-, Schreib- und GalanteriewarenGroßhandlung C. Holfelder & Cie. bestückt. Es war wohl die letzte Darstellung seiner Firma.
Im Adressbuch für 1933 fehlt das Großhandelsunternehmen und das Gebäude Litera D 41 hat den Besitzer gewechselt. Der Kaufmann Max
Hicker hat es erworben. Er bietet 1933 im Ladengeschäft im Parterre Kinderwagen, Korb- und Lederwaren an. Das Gebäude überstand als einziges Haus an der Westseite der Karolinenstraße den Bombenkrieg in reparablem Zustand und wurde durch die Brüder Hicker wieder instand gesetzt.
Die zwei 1930 veröffentlichten Ansichten der Fassade besitzen einen enormen dokumentarischen Wert. Sie belegen einen Abschnitt der jüngeren Hausgeschichte. Der Bildervergleich zeigt, dass beim Umbau 1893/94 die Hausdurchfahrt in die Parterre-Geschäftsräume einbezogen wurde. Die über der Durchfahrt in einer Nische platzierte Madonna übersiedelte in einen beim Umbau aufgesetzten zweistöckigen Giebel im Dachbereich. Das vierstöckige Dach besaß zuvor nur acht Gauben. Die Ladenräume im Parterre wurden erhöht. Das linke Geschäft trägt nun die große Aufschrift „C. Holfelder & Cie.“.
Aus den im Stadtarchiv verwahrten Grundbuchauszügen geht zur frühen Baugeschichte des Anwesens nichts hervor. Die handschriftlichen Einträge belegen eine Vielzahl Besitzwechsel von 1635 bis 1867. Die oftmalige Bezeichnung „Handelsmann“deutet an, dass es sich jahrhundertelang um eine gut vermietbare Rendite-Immobilie handelte.