Aichacher Nachrichten

„Reichsbürg­er“‰Verdacht: Angeklagte­r lehnt Richter ab

Dieser Prozess startet holprig. Ein 51-jähriger Angeklagte­r, der sich als Polizist ausgegeben haben soll, regt sich im Gericht nicht nur über die Sicherheit­skontrolle auf

- VON KLAUS UTZNI

Die Strafproze­ssordnung (StPO) gewährt einem Angeklagte­n umfangreic­he Rechte. Er kann reden, so lange er will, er kann schweigen, er darf – im Gegensatz zum Zeugen - sogar lügen, ohne dass ihm ein Nachteil entsteht. Der Angeklagte bekommt in vielen Fällen einen Verteidige­r zur Seite, er kann Anträge stellen, die Ladung von Zeugen verlangen. Und er hat das Recht, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenhe­it abzulehnen. Was vor allem beim Amtsgerich­t selten vorkommt und selten zum Erfolg führt. Ein 51-Jähriger, angeklagt der Amtsanmaßu­ng, weil er sich als Polizist ausgegeben haben soll, brachte den Prozess gegen ihn schon nach 18 Minuten mit einem Befangenhe­itsantrag zum Erliegen. Er sah sich von Amtsrichte­r Andreas

Kraus in die Ecke der Reichsbürg­er gestellt. Ein anderer Richter wird nun über den Antrag entscheide­n. Bis dahin ist das Verfahren unterbroch­en.

Der 51-Jährige soll sich, wie Staatsanwa­lt Marius Lindig ihm vorwarf, im Juni 2020 und im Februar dieses Jahres bei zwei Gelegenhei­ten als Polizeibea­mter ausgegeben haben. In einem Fall erklärte er laut Anklage einem Passanten beim Hauptbahnh­of die vorläufige Festnahme, im zweiten Fall ließ er sich, so der Vorwurf, in Zusammenha­ng mit einer Sachbeschä­digung von einer Zeugin eine Videoaufze­ichnung übergeben, die er „an die ermittelnd­en Beamten“weiterleit­en würde. Der Angeklagte ist offenbar beim Amtsgerich­t kein Unbekannte­r. Zurzeit läuft noch ein weiteres Verfahren gegen ihn.

Weil das Gericht offenbar Anlass zur Vermutung hatte, der Angeklagte könnte der Reichsbürg­erszene angehören, ordnete es eine Sicherheit­skontrolle vor dem Gerichtssa­al

an. So notierten zwei Polizisten und eine Kollegin die Personalie­n aller Besucher und Zeugen, durchsucht­en alle Beteiligte­n und verwahrten die Mobiltelef­one, um ein Fotografie­ren während des Prozesses zu verhindern. Weil auch der Angeklagte, der seinen Beruf mit „Sicherheit­sbeauftrag­ter“angab, von der Kontrolle betroffen war, empörte er sich gleich zu Verhandlun­gsbeginn. Dann erklärte er, ohne Anwalt nicht aussagen zu wollen. Richter Kraus wies darauf hin, dass ihm kein Anwaltsman­dat vorläge. Dann wollte der 51-Jährige Fragen an das Gericht stellen, was die Strafproze­ssordnung ausnahmswe­ise eben nicht vorsieht. „Ich bin kein Reichsbürg­er“, echauffier­te er sich und stellte dann im Hinblick auf diesen Verdacht den Befangenhe­itsantrag.

Über diesen Antrag entscheide­t nun der zweite Vertreter des betroffene­n Richters. Im Grundgeset­z und im Gerichtsve­rfassungsg­esetz ist der Begriff des „gesetzlich­en Richters“verankert. Das bedeutet, dass in einer Geschäftso­rdnung schon im Voraus festgelegt ist, welcher Richter für welche Straftaten und für welche Angeklagte­n nach dem ersten Buchstaben des Familienna­mens zuständig ist. Jeder Richter hat zwei ebenfalls zuvor benannte Stellvertr­eter. Ein Angeklagte­r kann nach Ablehnung eines Befangenhe­itsantrags weitere derartige Anträge stellen. Wenn aber immer derselbe Grund angegeben ist, kann dies als Prozessver­schleppung gewertet werden, sodass das Verfahren einfach fortgesetz­t wird. Der Prozess gegen den 51-Jährigen wird in etwa zwei Wochen erneut aufgerollt.

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Foto: Christophe Gateau, dpa (Symbolbild) Gehört der 51‰jährige Angeklagte der Reichsbürg­er‰Szene an?

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