Aichacher Nachrichten

„Warum hat Laschet gelacht?“

Politiker stellen sich regelmäßig den hartnäckig­en Fragen von Markus Lanz. Was den ZDF-Talker beschäftig­t, was er mit dem Unionskanz­lerkandida­ten erlebte. Und warum er sich an dessen Kontrahent­en Scholz die Zähne ausbiss

-

Markus Lanz, wie ist das eigentlich, wenn man nach weitläufig­er Meinung der gefürchtet­ste politische Interviewe­r momentan ist – aber ausgerechn­et am Tag der Bundestags­wahl ist man nicht auf Sendung? Wen hätten Sie was gerne gefragt?

Markus Lanz: Es gibt eine Frage, die mich wirklich bewegt, schon seit Wochen – nämlich die Frage: Warum hat Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet gelacht?

...in Erftstadt, während der Bundespräs­ident zu den Flutopfern sprach. Lanz: ... und warum hat man das nie ernsthaft erklärt? Ich habe mal den Versuch bei CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak gemacht – und da kam eine sehr seltsame, verschwurb­elte Erklärung, mit der er hinterher selber völlig unzufriede­n war. Im Grunde leistete sie dem Gerücht nochmals weiter Vorschub, dass da mangelnde Ernsthafti­gkeit am Start war. Insofern hat er der Sache einen Bärendiens­t erwiesen. Ich glaube, es war alles viel banaler. Und es zeigt sich an dem Punkt mal wieder, dass es nicht die Krise, nicht das Problem selbst ist, sondern der Umgang damit, der die Leute dann in Schwierigk­eiten bringt. Grünenpoli­tiker Robert Habeck hat, als er in der Frage der Kanzlerkan­didatur gegen Annalena Baerbock gescheiter­t ist, den

Kollegen der Zeit ein Interview gegeben, ich glaube zwei Stunden danach. Armin Laschet hat so etwas versäumt. Ich frage mich: Warum? Es musste doch jedem klar sein, dass das ikonografi­sch werden würde. Diese Bilder, dieses Lachen – davon hat er sich nie wieder wirklich erholt.

Sie konnten ihn nicht dazu befragen, weil er schon lange nicht mehr in Ihrer Sendung war. Ende März präsentier­te er sich so bei Ihnen, dass der Comedian Jan Böhmermann twitterte: Das ist ja wie „Wurzelbeha­ndlung ohne Betäubung“. Hatten Sie damals Mitleid mit Laschet?

Lanz: Nein, ich hatte kein Mitleid. Interessan­terweise war unsere Wahrnehmun­g des Gesprächs eine andere. Ich verstehe, warum man medial den Ball dann so aufgegriff­en hat. Was man an dem Abend gesehen hat, ist: Da ist ein Spitzenpol­itiker, der verletzlic­h ist. Laschet hat aus dieser Verletzbar­keit keinen Hehl gemacht. Ich muss ehrlich sagen: Ich mochte das. Ich mochte auch die Art und Weise, wie er sehr geschickt die Pfeile der Kritik umgelenkt hat nach München in die CSU-Parteizent­rale oder die Staatskanz­lei. Er hat sich auch ehrlich gezeigt. Wir wollen das doch immer: Wir wollen, dass Politiker ehrlich sind, aber wenn sie es sind, dann hauen wir ihnen genau das um die Ohren.

Sie haben in einem Interview gesagt, es sei vielleicht auch ihre Altersradi­kalität, nicht locker zu lassen. Sollte man Gesprächsp­artner nicht davonkomme­n lassen?

Lanz: Das klingt so nach Staatsanwa­lt, aber das sind wir ja nicht. Sie fragen in Zeitungsin­terviews ja auch nach. Das mache ich halt im Fernsehen. Mit Altersradi­kalität meinte ich: Meine Aufgabe ist es, auf jede Antwort die richtige Frage zu finden. Ich merke da schon eine gewisse Ungeduld, weil ich manchmal denke: Mein Gott – wir haben diese Sendezeit, wir haben die Chance, den Leuten wirklich was zu erzählen! Und wenn dann einfach Floskeln kommen, werde ich unruhig.

Sie sagten auch, dass es einen Moment der Erlösung geben müsse. Wie muss man sich den vorstellen?

Lanz: Das ist der Moment, an dem man bemerkt: Jetzt sind wir am richtigen Punkt. Dann kommt beim Gesprächsp­artner der Griff zum Wasserglas oder der Blick nach oben oder beides in Kombinatio­n. Einen Moment der Erlösung zu kreieren, heißt aber auch, dass man auch wieder zusammen lacht. Jemanden, der sehr geübt ist darin, Antworten zu geben, ein bisschen aus dem Tritt zu bringen – das ist das, worum es geht. Wenn es gut läuft, entsteht ein kleiner Moment von Wahrhaftig­keit.

An wem haben Sie sich bislang die Zähne ausgebisse­n?

Lanz: Olaf Scholz.

Unser möglicher künftiger Kanzler von der SPD ist bei Ihnen gut weggekomme­n?

Lanz: Nein, wir haben ein sehr toughes Gespräch geführt über Cum-Ex, über die Warburg-Bank – und er war so, wie man ihn kennt. Olaf Scholz hat diese seltene Gabe, neben dem Hauptgehir­nstrom noch so einen zweiten Gehirnstro­m zu haben, der den ersten kontrollie­rt. Irgendwie so muss man sich das, glaube ich, vorstellen. Da kommt einfach keine Regung. Einmal gab es einen Punkt, da sagte er: Ich bin ja nicht so ein Lappen, der nur, weil er mal gegen eine Frau verliert, sofort davon läuft für viele Jahre.

Es war eine Anspielung auf den CDUPolitik­er Friedrich Merz ...

Lanz: ...ich fragte dann: Haben Sie gerade Lappen gesagt? Er sagte: Ich glaube ja. Ich sagte: Haben Sie gerade Friedrich Merz einen Lappen genannt? Und er sagte: Wenn Sie das so meinen. Das war ein sehr schöner Moment. Danach hat man so eine Gefühlsreg­ung von ihm nie wieder gesehen.

Sie haben vor kurzem den Deutschen Fernsehpre­is gewonnen, und zwar in der Kategorie „Informatio­n“. In Ihrem eigenen Sender, dem ZDF, sind Sie immer noch dem Unterhaltu­ngsressort zugeordnet. Warum eigentlich? Lanz: Ich glaube, das wissen sie selber mittlerwei­le nicht mehr so richtig. Wir sind eine Unterhaltu­ngssendung per definition­em gewesen. Aber die Zeiten haben sich geändert, und wir sind immer politische­r geworden, auch immer tagesaktue­ller. Jetzt sind wir da, wo wir sind – nicht ausgeschlo­ssen, dass wir irgendwann wieder mit Ameisenbär­enforscher­n sprechen.

Zuletzt gab es ein öffentlich­es Gespräch zwischen Ihnen und ZDF-Satiriker Jan Böhmermann. Er stellte in den Raum, dass Sie – wie er – ja auch kein klassische­r Journalist seien. Und er suggeriert­e, Sie würden manchmal Krawall machen, um die Quote zu erhöhen. Sie machten klar, dass Sie ein klassische­s Volontaria­t durchlaufe­n haben und sich als Journalist sehen. Sie wirkten ein bisschen beleidigt.

Lanz: Beleidigt war ich nicht. Aber es war mir schon wichtig, klarzumach­en, dass wir das ernsthaft betreiben, was wir tun. Ich nehme eben nicht, wenn es argumentat­iv schwierig wird, den Notausgang und sage: Entschuldi­gung, ich bin ja nur Unterhalte­r, war ja nicht so gemeint! Ich will mich ernsthaft an journalist­ischen Standards messen lassen. Und meine Redaktion ist eine glänzende Redaktion, die Dinge so vorbereite­t, dass ich belastbare­s Material habe. Man sitzt Profis gegenüber: Wenn man nur den kleinsten Moment von Schwäche zeigt, werden die das sofort entlarven. Wenn man ein Ass aus dem Ärmel ziehen will, muss man vorher eins reinstecke­n.

Im Gespräch mit Böhmermann ging es auch um journalist­ische Standards. Er kritisiert­e bei Ihnen, dass Sie einen Virologen wie Hendrik Streeck einladen – und fragte, ob man das denn sollte. Lanz: Es ging um die sogenannte „false balance“, das heißt: Man lädt jemanden ein in einen Talk, gibt ihm dadurch enormes Gewicht – und möglicherw­eise vertritt diese Stimme in der Wissenscha­ft eine völlige Minderheit­smeinung. Oder schlimmer: Ist eine Stimme, die überhaupt nicht ernstgenom­men wird. Oder noch schlimmer: Es ist jemand, der mit Falschem kommt. Konkret ging es um den Epidemiolo­gen Alexander Kekulé und um Hendrik Streeck – und bei denen ist das überhaupt nicht der Fall. Ich kann in ihnen überhaupt keine Querdenker, Impfgegner und schon gar nicht CoronaLeug­ner erkennen. Kekulé ist jemand, der die Bundesregi­erung beraten hat. Hendrik Streeck ist jemand, dessen Gangelt-Studie weltweit Beachtung fand, und die viele wichtige Erkenntnis­se erbrachte. Er hat sich angesehen, wo dieses Coronaviru­s überall vorkommt. Streeck leitet das Institut für Virologie an der Universitä­tsklinik in Bonn. Den in diese Ecke zu schieben, ist – schwierig. Der Vorwurf der „false balance“wäre berechtigt, wenn man die Verschwöru­ngstheoret­iker Bodo Schiffmann oder Attila Hildmann einladen würde. Natürlich haben Medien die Macht, jemanden – auch mit abseitigen Positionen – sehr prominent zu machen. Und da gibt es natürlich eine Verantwort­ung. Den Punkt verstehe ich schon, ich finde nur, die Beispiele waren nicht richtig gut gewählt.

Das waren jetzt umstritten­e Punkte. Ein Punkt ist unumstritt­en: Nur Sie werden wegen Ihrer Interviewf­ührung „Deutschlan­ds schönste Grillzange“genannt. Fühlen Sie sich auf Ihr Aussehen reduziert?

Lanz: Das ist sexistisch, oder?

Das wollte ich gerade fragen: Ist das Sexismus in die andere Richtung? Lanz: Absolut! (lacht) Das stand in der Süddeutsch­en Zeitung. Ich hab mich darüber gefreut und dachte mir: Schreib das mal über eine Frau, da gibt’s aber richtig ein paar hinter die Ohren, und auch zu Recht! Aber ich selbst kann damit gut leben.

Sie machen Fotos Ihrer Gäste nach der Sendung – also nachdem Sie sie gewisserma­ßen erlegt haben ...

Lanz: Was wir machen im Studio, ist doch einfach nur Handwerk. Jemand sagt etwas, und ich versuche, es zu bestätigen oder dagegen zu argumentie­ren. Danach ist man sich weiterhin zugetan. Zu den Fotos: Ich fotografie­re sehr, sehr viel, Fotografie ist ein sehr wichtiges Thema in meinem Leben. Ich mache Schwarzwei­ß-Porträts von den Leuten. Und das ist schon interessan­t, gerade bei Spitzenpol­itikern: Manchmal sehen die zehn Jahre, nachdem sie aus dem Amt raus sind, besser aus als zehn Jahre vorher. Da sieht man, wie brutal das Geschäft ist. Spuren der Macht, und zwar buchstäbli­ch.

„Ich will auf jede Antwort die richtige Frage finden.“

Markus Lanz über seine Ungeduld

„Da sieht man, wie brutal das Geschäft ist.“

Markus Lanz fotografie­rt seine Gäste

Das Gespräch führte Gregor Peter Schmitz im Rahmen des Kongresses des BDZV (Bundesverb­and Digitalpub­lisher und Zeitungsve­rleger).

 ?? Foto: Paul Zinken, dpa ?? Markus Lanz erhielt erst kürzlich für seine nach ihm benannte Talk‰Show den Deutschen Fernsehpre­is.
Foto: Paul Zinken, dpa Markus Lanz erhielt erst kürzlich für seine nach ihm benannte Talk‰Show den Deutschen Fernsehpre­is.

Newspapers in German

Newspapers from Germany