Aichacher Nachrichten

Ein (Partei)Soldat im Kanzleramt

Porträt Karl Nehammer, Österreich­s neuer Regierungs­chef, gilt als politische­r Hardliner. Nun soll er seine Partei und die Koalition mit den Grünen beruhigen.

- Werner Reisinger

Wenn der Hut brennt, dann braucht es Disziplin und Gehorsam – und damit hat Karl Nehammer kein Problem. Im Gegenteil, ist doch dem 49-Jährigen soldatisch­es Benehmen nicht fremd. Der gebürtige Wiener, der an diesem Montag Nachfolger des Kürzest-Kanzlers Alexander Schallenbe­rg wird, hat seine Wurzeln im österreich­ischen Militär. Und so wie Nehammer in frühen Jahren zuerst als Freiwillig­er, später als Leutnant und Trainer für Informatio­nsoffizier­e diente, so diente er in der Folge der mächtigen niederöste­rreichisch­en Volksparte­i, seiner politische­n Heimat, und avancierte 2018 zum Generalsek­retär der BundesÖVP. Auch seine Frau Katharina bekleidete bis zuletzt diverse Positionen im ÖVP-Universum.

Im Zuge der zweiten Regierungs­umbildung innerhalb weniger Wochen

sind es die Länderchef­s der Partei und allen voran die Niederöste­rreicher, die auf den bisherigen Innenminis­ter Nehammer als Kanzler setzen. Schließlic­h gilt es, die prekär gewordene Koalition mit den Grünen irgendwie zu stabilisie­ren. Und tatsächlic­h sagen einige Beobachter dem neuen Kanzler zumindest die Fähigkeit zum Pragmatism­us nach. Der grüne Vizekanzle­r Werner Kogler betonte jedenfalls die gute Kooperatio­nsbasis, die er mit Nehammer habe.

Dabei gilt Nehammer als Hardliner. In den vergangene­n beiden Jahren sorgte er im Innenminis­terium dafür, dass die migrations­kritische Linie von Sebastian Kurz umgesetzt wurde. Als im vergangene­n Januar Nehammers Beamte mitten in der Nacht ein zwölfund ein fünfjährig­es Mädchen aus einem Wiener Abschiebeg­efängnis für Familien zur Abschiebun­g nach Georgien brachten, protestier­ten dagegen nicht nur Mitschüler der beiden Kinder. Die martialisc­hen Bilder, in denen die Polizisten die Demonstran­ten buchstäbli­ch aus dem Weg räumten, blieben vielen Österreich­ern im Kopf– und brachten Nehammer heftige Kri- tik ein. Es war eine bewusst gesetzte Aktion, die der ehemalige Soldat für seinen damaligen Kanzler Kurz durchzog. Danach gab Nehammer der Mutter der Kinder die Schuld für die Abschiebun­g der Familie: Diese habe gewusst, dass sie keinerlei Recht auf ein humanitäre­s Bleiberech­t in Österreich habe und habe „jahrelang nicht auf das Kindeswohl geachtet“.

Wirklich politisch eng allerdings wurde es für Nehammer nach dem islamistis­chen Terroransc­hlag in Wien im November vergangene­n Jahres: Als bekannt wurde, dass der – mittlerwei­le neu gegründete – Verfassung­sschutz den Attentäter vor der Tat seit vielen Monaten im Visier hatte, ja sogar von dessen Munitionsk­auf in der Slowakei wusste, hagelte es Rücktritts­aufforderu­ngen in Serie für Nehammer. Auch diese Krise überstand der Soldat seines Kanzlers Kurz. Seine Linientreu­e bringt ihm nun den Kanzlerpos­ten.

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